Ab sofort täglich Auszüge aus Konstantin Weckers und Prinz Chaos - TopicsExpress



          

Ab sofort täglich Auszüge aus Konstantin Weckers und Prinz Chaos II.:Aufruf zur Revolte. Verarmung der Normalbevölkerung? In Deutschland? Ja, in Deutschland. Entscheidend sind dabei nicht so sehr ein abstrakter statistischer Wert oder auch die sehr konkreten Reallohn- und Kaufkraftverluste der letzten zwanzig Jahre. Die wirkliche Verarmung besteht im Verlust wirtschaftlicher Sicherheit, der heute geradezu allgemein geworden ist. Vor allem dank der Eingriffe der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders ist die Durchlässigkeit der Gesellschaft enorm verbessert worden – soweit es um ihre Durchlässigkeit nach unten geht. Selbst jahrzehntelange Einzahlung in die Sozialversicherung schützt bei plötzlicher Arbeitslosigkeit nicht mehr vor dem Sturz in den Abgrund. Und dass auch in diesem Fall der Abgrund zwar immer wieder verdrängt, aber dennoch von den meisten gewusst wird, ist von einer ungeheuer disziplinierenden Wirkung auf die- jenigen, die noch mit einem Arbeitsplatzes gesegnet sind und sich demzufolge glücklich zu schätzen haben – und nicht etwa ausgebeutet. Was die anderen, die »Nichtwisser« angeht, gilt, was der Historiker und Sozialaktivist Holdger Platta so beschrieben hat: Hartz IV hat millionenfach Mitmenschen abgeschoben auf einen fernen elenden Kontinent. Es stellt insofern nur noch eine optische Täuschung dar, dass diese Menschen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft wohnen. In Wirklichkeit leben sie längst schon anderswo: in der Mülltonne unserer Demokratie, dort, wo längst schon unsere Verfassung gelandet ist. HOLDGER PLATTA, hinter-den-schlagzeilen.de. Soziale Angst ist zum zentralen Instrument der Herrschaft geworden. Den Versuch, durch Argumente zu überzeugen, haben die herrschenden längst aufgegeben. Aber die unaufhörlichen Angstkampagnen sind von kaum absehbarer Gefährlichkeit. Hannah Arendt schreibt über einen bestimmten Typ von Mensch, dessen sich die Nazis für ihre teuflischen Pläne zuverlässig bedienen konnten. Dieser Typ ist der gewöhnliche Familienvater, der »treusorgende Hausvater«, dem die Sicherheit seines Privatlebens über alles geht. Es hatte sich herausgestellt, dass er durchaus bereit war, um der Pension, der Lebensversicherung, der gesicherten Existenz von Frau und Kindern willen Gesinnung, Ehre und menschliche Würde preiszugeben. HANNAH ARENDT, zitiert nach Alois Prinz, S. 125. Alois Prinz schreibt in seiner Biographie über die große Philosophin: Was diesen »Spießer«­Typus für Hannah Arendt vor allem kennzeichnet, ist seine totale Gleichgültigkeit gegenüber der Frage, wie eine allen gemeinsame Welt aussehen und wie sie überdauern soll. ALOIS PRINZ, Beruf Philosophin, S. 126. Wird dadurch vielleicht verständlicher, warum wir Deutschen auch heute so die Augen verschließen gegenüber dem ungeheuren Leid, das nicht zuletzt unsere Finanzpolitik der härte, diese »alternativlose« Politik der lächelnden Kanzlerin, den südlichen Ländern Europas zufügt? Die beschämende Duldsamkeit der deutschen Bevölkerung gegenüber den Zumutungen der vermeintlichen Elite ist zumindest auch dadurch zu erklären, dass man die Alternative immer wieder sehr plastisch vor Augen geführt bekommt: Sei bloß brav, deutscher Michel, sonst geht es Dir wie den Griechen oder den Portugiesen, oder wie Deinem früheren Nachbarn, der arbeitslos wurde und daraufhin sein haus verloren hat. Genau aus diesem Grund ist tätige Solidarität mit Griechen und Portugiesen und arbeitslosen Nachbarn nicht nur moralisch geboten, sondern von größter strategischer Bedeutung. Wie die Errichtung einer Billiglohnzone in der ehemaligen DDR die ideale Voraussetzung war, um dann auch das Lohnniveau der Westdeut- schen kontinuierlich in den Keller zu drücken, sollte die Abstra- fung Griechenlands durch die Finanzmärkte als das erkannt wer- den, was sie ist: die Eröffnungsschlacht in einem Generalangriff auf die Lebensverhältnisse in Europa. Erfolgreicher Widerstand der Griechen ist deshalb umgekehrt auch ein Erfolg für uns. Für uns? Bereits in der Debatte um die rassehygienischen Thesen Tilo Sarrazins war erkennbar, wie ein wohlmeinender Antirassismus traditioneller Prägung, der darauf abhebt, dass »wir« und »die« sich nicht »gegeneinander« ausspielen lassen sollten, und dass »die« eigentlich gar nicht so anders sind als »wir«, an seine Grenzen stößt. Wer nicht erkannt und vor allen Dingen verinnerlicht hat, dass die Zeiten eines »Wir« und »die Anderen« entlang solcher Trennungslinien vorbei sind, steht einem Rassismus hilflos gegenüber, der nicht völkisch argumentiert, sondern »kulturell«. Nun wird niemand uns beiden in Abrede stellen wollen, der deutschen Kultur und ihrer Sprache auf das Innigste verpflichtet zu sein. Wir sind ihr geradezu ausgeliefert, und im Gegensatz zu all denen, die Goethe und Schiller nur anlässlich von Fußballweltmeisterschaften als Maskottchen einer Nation der Dichter und Denker anführen, aber niemals lesen, sind wir dieser Kultur auch tätig treu. Was für einen Kulturverrat begeht dagegen unsere Bildungs- politik? Welches Massaker an den Geisteswissenschaften unsere Universitäten erlebt haben, spottet jeder Beschreibung. Und zu den beklagenswertesten Aspekten der Verarmung in Deutschland gehört die musische und sprachliche Verarmung. So leistet sich dieses immer noch stinkend reiche Deutschland ein Schulwesen, in dem selbst an den Gymnasien von einem Musikunterricht kaum noch die Rede sein kann. Der Deutschunterricht verkommt zunehmend zu einer Art literarischem Bewerbungstraining. Das ist nun, weiß Gott, kein Angriff auf Musik- und Deutschlehrer, die unsere Empörung über die Trockenlegung ihrer Fächer übrigens teilen. Und auch und gerade die Schülerin- nen und Schüler der haupt- und Realschulen haben ein Recht auf musische und literarische Bildung. Dass diese Kompetenzen im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen »wirtschaftlich nichts bringen«, ist nebenbei bemerkt ein lächerlich engstirniger, veralteter und ganz einfach falscher Ansatz. Aber vielleicht wird die Auseinandersetzung mit deutschsprachiger Literatur und der ihrem Wesen nach weltbürgerlichen Musik auch darum behin- dert, weil Literatur und Musik Tore zum Bewusstsein eines Lebens ohne nationale und kulturelle Beschränktheiten sind? Wer Literatur und Musik fördert, fördert das kritische Weltbürgertum. Doch nicht jeder scheint die Gefahren einer einseitigen Schulbindung zu sehen – eine schädliche, gemeingefährliche und nicht zu tolerierende Einstellung. Wo das Kapital der Konzerne weltweit agiert, ist eine Bürgergesellschaft, die immer noch im »Wir« und »die Anderen« von Völ- kern und Nationen denkt, von vorne herein chancenlos. Und wer sich selbst im streikenden Griechen, dem schwulen Russen und in den Kindern asiatischer Textilfabriken nicht erkennt, hat sich selbst und seine eigenen Interessen nicht erkannt. Solidarität! Der Schritt zu einer globalen Demokratie kann nur eingeleitet werden, wenn wir uns von nationalen Identitäten lösen und Homophobie, Frauenunterdrückung und alle anderen Diskriminierungsformen ein für alle Mal auf den Müllhaufen der Geschichte werfen, die Menschen die Art und Weise ihres Menschseins diktieren oder absprechen wollen. Nur so wird genug Einigkeit entstehen, um dem drohenden sozialen Apartheidstaat ein massenhaftes Aufbegehren entgegenzusetzen. Ist ein solcher Abschied von den ideologischen Dämonen der Vergangenheit möglich? Ist die Menschheit reif für ein Ende der Rassismen unterschiedlichster Ausprägung, obwohl die Meinungsarrangeure des Status Quo mit ihren endlosen Sarrazinaden engagiert dagegenhalten? Es wird quer durch alle Denkrichtungen und Lager anerkannt, dass wir uns als Weltgesellschaft inmitten einer gewaltigen Transformationsbewegung befinden. Die schöpferischen Potentiale dieser Umwälzung werden, je nachdem, wo man bewusstseinsmäßig eingeparkt hat, sehr unterschiedlich charakterisiert: als dritte industrielle Revolution, als Aufbruch in die Wissensgesellschaft, als Globalisierung der Produktion, als Übergang von der analogen zur digitalen Welt, als Geburtswehen einer globalen Bürgergesellschaft, als Abschied vom kopernikanischen Paradigma oder Beginn des Wassermannzeitalters. Die Empfindung, dass unter unseren Füßen die Plattentektonik der Weltgeschichte machtvoll in Bewegung geraten ist, ist all diesen Versuchen, die Veränderung positiv zu begreifen, ebenso gemein, wie den zahlreichen Deutungsversuchen aus einer apokalyptischen Erwartungshaltung heraus. Nun sind wir uns beide, wie wir ausführlich offenbart haben, der Fehlentwicklungen, der gewaltigen Gefahren und Katastrophenszenarien sehr bewusst, die im derzeitigen Weltzustand als Zukunftsoptionen bereitliegen. Den Apokalyptikern wollen wir dennoch mit Egon Friedell entgegnen, dass sich die in der Menschheitsgeschichte periodisch auftretenden Phasen vermeintlicher Weltuntergänge mitunter als Beginn eines Weltaufgangs erwiesen haben. Tatsächlich ist in den letzten Jahrzehnten auch sehr viel Gutes und Neues gewachsen neben all den Schrecklichkeiten. Viele Menschen haben den Schritt bereits vollzogen, das neue Leben nicht nur zu fordern, sondern selber zu beginnen. Es gibt, auch in Deutschland, eine beachtliche Menge unterschiedlichster Projekte, in denen Menschen sich den Schwierigkeiten und Schönheiten des gemeinsamen Lebens stellen. Die Wirkung dieser Projekte mag im Ganzen marginal erscheinen. Als Laboratorien der besseren Welt sind sie von unschätzbarer Wichtigkeit. Auch außerhalb solcher Gemeinschaften und Projekte beginnen Menschen, mit ihrem Potential, mit ihrer Geistigkeit, an einer neuen Gesellschaftsordnung zu arbeiten. Dabei setzen sie große Utopien im Kleinen durchaus um. Das Ziel, gewaltfrei zu leben, ist im Weltmaßstab noch eine Utopie. In vielen Familien ist es eine Realität und die Kinder, die in diesen gewaltfreien Zonen auf- wachsen durften, sind die natürliche Hoffnung der Welt. Experimentierfelder eines solidarischen, radikaldemokratischen Prinzips bleiben aber zwingend prekär, solange die Welt nach Maßgaben einer diktatorischen, imperialen Kapitalherrschaft organisiert bleibt. Dann verzichten wir eben voller Umweltbewusstsein auf die Plastiktüten beim Einkaufen – und die Ölmonopole sorgen dafür, dass wir von der Käseverpackung bis zur Plastikschale für die Erdbeeren und der Plastikfolie rund ums Toastbrot Berge von Plastik in unsere Stoffbeutel stopfen. Ja, die Politik der kleinen, sinnvollen Schritte wird ausgeglichen durch Riesenschritte auf den Abgrund zu. Es muss einen Sprung in die richtige Richtung geben, um den großen Absturz zu verhindern. Wenn Systeme sterben, kann sich die Agonie andernfalls über Generationen der Finsternis hinziehen. Die Tarotkarte »Tod« bedeutet eben nicht, wie der Kartenname ja auch mit hinlänglicher Eindeutigkeit ausdrückt: »Neuanfang«. Der Tod kann natürlich das Tor zu einem Neuanfang sein, aber fernab religiöser Fragestel- lungen wird wohl niemand behaupten wollen, dass ein gelungener Neuanfang garantiert sei, nur weil da jemand stirbt oder gar der Tod selbst einen solchen darstelle. Der kapitalistische Kolossus, wie wir ihn in der Gegenwart erleben, befindet sich zweifellos in einer tiefen Krise. Aber wenn ein Kolossus fällt, kann er viele unter sich begraben, und der Kapitalismus wehrt sich tapfer und mit allen Mitteln gegen sein drohendes Ende. Nachdem der Kapitalismus allerdings stets ein nichtkapitalistisches Außen braucht, das er sich als Brennstoff für weiteres Wachstum einverleiben kann, hat er als neues Außen längst unser höchstpersönliches Innen entdeckt, unser Gefühlsleben, unsere Träume und Ängste, die er besetzt, kolonisiert und seiner Verwer- tungslogik unterwirft. Genau in diesen Tendenzen treffen sich die Interessen von Facebook und Google einerseits und die der NSA andererseits. Die einen wollen über uns alles wissen, um unsere Daten für das Microtargeting digitaler Werbekunden ideal ausschlachten zu können. Die anderen freuen sich über den Zugriff auf unsere Daten, um uns zuverlässig kontrollieren zu können. Praktischerweise kann man mit der gleichen Technologie, die unsere chats und Skypegespräche und E-Mails und SMS und Handytelefonate erfasst und auswertet, auch unliebsame Bürger elegant oder auch brutal erledigen. Für die aus US-Wahlkämpfen bekannte Methode der »Character Assassination« – die Vernich- tung von Personen durch die kampagnenförmige Ermordung ihres öffentlichen Charakters – bieten sich bei diesem digitalen Totalzugriff ungeahnte Möglichkeiten. Der herr Wecker wird dann im Trommelfeuer allgemeiner moralischer Entrüstung erst einmal beweisen müssen, dass er diese E-Mail, in der er sich, sagen wir: für Solidarität mit Al Kai- da oder einen anderen Unsinn einsetzt, in Wahrheit niemals ge- schrieben hat, ... obwohl sie doch von seinem eigenen E-Mail-Account abgesendet wurde. Wir sind also dabei, nicht nur die Kontrolle über unsere Daten, sondern potentiell auch die über unsere Worte und Taten zu verlieren. Das sollten wir uns klarmachen. Gerade die andauernde Krise des Systems wird der Mechanismus sein, diese Tendenzen ins Totalitäre zu steigern. Denn natürlich reicht das bisschen Internetprofit von heute bei weitem nicht aus, die Krise des Kapitalismus, die ja vor allem von strukturellen Blockaden in der Sphäre der Produktion herrührt, langfristig zu lösen. Deswegen hält man das Tempo des Wachstums künstlich oben – denn für den Kapitalismus bedeutet Verlangsamung nicht etwa wie für den Bayern ein Mehr an Gemütlichkeit, sondern den Tod – indem man ohne jede Not zerstört oder durcheinander- bringt, was im Grunde genommen, auch so wie es ist, wunderbar funktioniert. Da wird dann ein Baudenkmal von welthistorischer Bedeutung wie der Palast der Republik abgerissen, um beim Neu- bau eines Barockschlosses eine Milliarde mehr vom Staat Richtung hochTief zu schaufeln. So werden, um den Ofen des Profits weiter auf Temperatur zu halten, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Zukunft alles und alle verfeuert: endliche Ressourcen, die Natur ganzer Landstriche, die Gesundheit halber Bevölkerungen, Bildungssysteme, Baudenkmale, Altstädte, Stadtparks, Berge und Wälder, geschundene und gequälte Tiere, die allgemeine Gesundheitsversorgung, Stromnet- ze, Wasserrechte, Infrastrukturen jeglicher Art. Alles, was zu Geld gemacht werden kann, wird auch zu Geld gemacht. Jacques Attali, der langjährige Berater von Francois Mitterand, beschreibt in seinem Vorwort zu »Die Welt von Morgen« die dys- topischen Perspektiven dieses Vorgangs: Wenn wir diese Entwicklung nicht aufhalten, wird das Geld sich am Ende von allem entledigt haben, was ihm irgendwie im Weg steht, einschließlich der Staaten, die Schritt für Schritt von ihm zerstört werden, nicht zuletzt die Vereinigten Staa­ ten von Amerika. Wenn dann das Geld schließlich als einziges Gesetz die Welt regiert, wird der Markt ein uneinnehmbares, die ganze Welt umfassendes Hyperimperium bilden, welches neue Marktressourcen und neue Formen der Entfremdung, extreme Armut und gigantische Vermögen schafft, eine Welt, in der die Natur ordentlich geschröpft und alles privatisiert sein wird, Streitkräfte, Polizei und Justiz inbegriffen. Der,Mensch wird sich Prothesen schaffen, bevor er selbst zum Ar­ tefakt wird, das man serienmäßig an Konsumenten verkauft, die selbst zu Artefakten werden. Schließlich wird auch der Mensch verschwinden, wenn er für seine eigenen Schöpfun­ gen überflüssig geworden ist. JACQUES ATTALI, Die Welt von Morgen, S. 8. Als PDF randomhouse.de/content/attachment/webarticle/aufruf_zur_revolte_40040.pdf und als kostenlose E-Book über buch.de/shop/home/suche/?sswg=ANY&sq=Aufruf+zur+Revolte&Suchen=Suchen×tamp=1379527924637
Posted on: Thu, 19 Sep 2013 15:40:37 +0000

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