Auch Hunde tragen Tarn-Kampfanzüge oder "kleiner Hund, große Fresse..." ------------------------------------ Heute kam ein Hund in die Hundeakademie, der laut Besitzerin Menschen und Hunde gleichermassen attackiert und auch schon desöfteren für blutende Löcher gesorgt hat. Eigentlich ist das ein eher seltener Fall - selten treffe ich hier in der Stadt auf Hunde, die tatsächlich wie hier beschrieben andere Zwei- und Vierbeiner ohne Vorwarnung attackieren. Die Besitzerin musste sich unzählige Kommentare und Beschimpfungen anhören, zB auch dass der Hund eingeschläfert werden müsste - jeder, der einen reaktiven Hund hat, kennt den Spiessrutenlauf à la "meiner tut nix"... Der MinPin trägt sogar einen Beisskorb - geht man nach Optik und Berichten vergangener Vorfälle, hatte ich wirklich einen Kracher erwartet. Der Attentäter wurde hineingeführt und abgeleint - wir standen ca 15m weiter, bewaffet mit einer Wasserflasche und auch damit rechnend, dass gleich 8kg Zwergpinscher jedem trainierten VPG-Hund Konkurrenz machen würde... Kein Fokus auf den Hund, der uns auch kurz anschaute, dann aber wieder zurückging zu Frauchen und ihr in unsere Richtung folgte. Nicht mal beim Vorbeigehen kam irgendeine Reaktion. In einer Annäherung in Richtung Frauchen kam dann mal kurz eine eher halbherzige Attacke, die sich leicht abbrechen liess. Innerhalb der nächsten halben Stunde haben wir dem bis dato als unverträglich geltenden Hund 4 völlig unbekannte Hunde "präsentiert" mit unterschiedlichen Charakteren. Ein paar kurze Diskussionen oder sagen wir Meinungsaustausch mit den Hunden und ein etwas lautstärkerer mit meiner 3,5jährigen Hündin. Szia hat mich mal wieder zum Staunen gebracht - sie war souverän und gelassen auch in der ersten Begegnung mit dem gestressten Wibbel, aber das hatte ich auch so erwartet. Ganz zu Beginn hat sie ihm schon mal 42 blendend weisse Argumente präsentiert, nicht weiter zu provozieren, als er ihr zu lange zu nah kam. Das war auch wie erwartet. Beeindruckt war ich etwas später, da hat sie ihn gezielt ausgelöst - sie hat ihn mit einer Vorderpfote geschubst und wollte sicher wissen, wieweit er geht. Das stärkt wieder die Theorie, dass es kein Spiel unter fremden Hunden gibt, sie loten aus. Aber auch diese kleine Rauferei (wenn man es überhaupt so nennen will) ging wie erwartet ohne jede Blessur aus - das war nur eine kurze Zurechtweisung. Szia geht sofort danach in den Normalmodus zurück und Merlin war noch etwas nervös, aber vor allem sicherlich erstaunt, dass andere Hunde so locker mit ihm umgehen. Auch er hat zwischendrin völlig verständlich kommuniziert, wenn ihm eine Begegnung zu nah war - ohne Eskalation in Richtung Attacke. Ergebnis: Eine glückliche Besitzerin, die ihren eigenen Hund kaum wiedererkannt hat. Ein zweifelsohne beeindruckter Merlin, der den ersten Schritt in Richtung stressfreieres Leben gemacht hat. Das Training heute ist nur der Beginn - viele Veränderungen im Alltag sind notwendig, damit der kleine Kerl seinen Tag nicht nur im Vollstress verbringt, seine Besitzerin und alle drumherum zu kontrollieren und zu massregeln. --------------------------------------------------------------------- Diese Initialtreffen, bei denen der Besitzer aber wieder mit frischem Mut und Selbstbewusstsein hinausgeht, sind so wichtig - bei solchen Fällen leidet das gesamte Beziehungsgeflecht massiv. Jedem Spaziergang sehen die Besitzer eher mit Grauen entgegen, entsprechend ist auch ihre Ausstrahlung. Der Hund nimmt genau das wahr und verhält sich oft noch massiver, schliesslich glaubt er seine Aufgabe zu kennen. Freude und positive Erfahrungen bleiben auf der Strecke. Solche Verhaltensänderungen finden oft in einer ganz erstaunlichen Aufwärtsspirale statt - die ersten Erfolge sind schnell zu sehen, das gibt den Besitzern noch mehr Mut und Lust, weiterzumachen. Ich freue mich auf die weiteren Berichte über Merlin, der bisher ein gestresstes, unsicheres Hündchen im Tarn-Kampfanzug ist, aber hoffentlich bald wieder ein echtes "Hundeleben" führen kann!
Posted on: Sun, 30 Jun 2013 18:14:31 +0000
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