Bahn: Merkel macht Druck Frankfurt(dpa). Das Chaos am Mainzer - TopicsExpress



          

Bahn: Merkel macht Druck Frankfurt(dpa). Das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof hat Berlin erreicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die Bahn auf, eine ausreichende Personalstärke sicherzustellen. Seit mehr als einer Woche gibt es Zugausfälle und Umleitungen in Mainz. Es gehe darum, die Personaldecke so auszustatten, dass in Krankheits- und Urlaubsfällen nicht Tausende leiden müssten. Ein von der FDP ins Gespräch gebrachter Börsengang stieß in der Union und bei der Bundesregierung auf Ablehnung. Als Reaktion auf die Personalnot wollen Bahn und die Gewerkschaft EVG gemeinsam sämtliche Personalplanungen für das kommende Jahr überprüfen. Die Pläne für die etwa 400 Betriebe im Bahnkonzern sollten mit den Beschäftigten gemeinsam neu erarbeitet werden, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner am Abend. Seite 4: Leitartikel Lehren aus dem Chaos Von Bernhard Hertlein »Mänz bleibt Mänz« singen die Mainzer gern zur Fastnacht. Doch jetzt, zur Sommerzeit, heißt es stattdessen: Mainz ist bald überall. Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt ist zum Symbol dafür geworden, was bei der Deutschen Bahn alles schief läuft. Und mehr noch am Standort Deutschland: Was die Bahn derzeit in Mainz erlebt, werden wir bald sehr viel öfter auch mit anderen Unternehmen erleben. Dabei stand gerade die Netz-Tochter der Bahn noch bis vor kurzem nach außen gut da. Ein Großteil des Gewinns, den das Staatsunternehmen zuletzt eingefahren hat, stammte schließlich von ihr. Dass das Ergebnis mit einem Investitionsstau, mit verzögerter Modernisierung und mit Kürzungen beim Personal erkauft worden ist, wer denkt daran schon, so lange die Züge rollen? Und fuhren sie nicht, dann war es eben zu kalt, zu nass oder zu stürmisch. Oder der Wind hatte zu viel Herbstlaub auf die Gleise geweht. Pech für die Pressesprecher der Bahn, dass im August in Mainz kein Schnee liegt. Und dass Rhein und Main derzeit kein Hochwasser führen. So wird vor aller Welt sichtbar, wie dilettantisch der Konzern seine Personalplanung betreibt – so als ob die Ferienzeit ganz unerwartet hereingebrochen wäre. Klar, auch in anderen Unternehmen sind die Arbeitspläne in diesen Wochen etwas eng gestrickt. Doch kein guter Personalchef wird an den entscheidenden Stellen einen Totalausfall riskieren. Man müsste denn sonst, bevor man ein Paket auf die Reise schickt, beim Postunternehmen nachfragen, ob in der Verteilstelle auch die wichtigsten Stellen besetzt sind. Ober vor einer Autofahrt bei der Rettungswache, ob sie im Falle eines Unfalls noch handlungsfähig ist. Das Mainzer Bahnchaos macht deutlich: Es ist eben doch nicht jeder ganz einfach zu ersetzen. Jedenfalls nicht innerhalb von wenigen Tagen. Einige Industriebetriebe und Handwerksfirmen spüren das schon etwas länger. Für sie ist der vorhergesagte Fachkräftemangel keine negative Utopie, sondern erlebte Wirklichkeit. In Sonntagsreden sprechen fast alle Chefs davon, wie wichtig ein gutes Personal ist. Wer sich jedoch künftig nicht auch danach verhält, wird über kurz oder lang vom Markt bestraft. Dass Bahnchef Rüdiger Grube persönlich Stellwerker anruft, um sie möglicherweise dazu zu bringen, ihren Urlaub abzubrechen, zeigt, dass er das Problem jetzt ernst nimmt. Doch um es zu lösen, sind andere Maßnahmen erforderlich. Dafür sind auch die Politiker gefordert – allerdings ganz anders, als es der FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle gerade kundgetan hat. Privatisierung macht gerade beim Schienennetz keinen Sinn. Es ist ein Teil der Infrastruktur und darum für das Funktionieren des Standorts Deutschlands zu wichtig, als dass man es für kurzfristige Gewinne vernachlässigen dürfte. Bisher scheiterte die Herauslösung des Netzes immer am Widerstand des Bahnvorstands. Das Chaos in Mainz sollte groß genug sein, damit alle Beteiligten noch einmal über eine Veränderung nachdenken. Hintergrund Fährt eine privatisierte Bahn besser? Bei der Frage Staatsbetrieb oder Privatunternehmen gibt es unterschiedliche Modelle Paris/Washington (dpa). Zugausfälle wegen der Personalnot im Stellwerk von Mainz haben die Diskussion neu belebt: Ist es sinnvoll, eine Staatsbahn zu privatisieren? Macht sie aus einer trägen Behörde ein modernes, kunden- orientiertes Unternehmen? Oder bewirken Gewinnstreben und Sparprogramme ein schlechteres Angebot für Bahnfahrer? Ein Blick ins Ausland zeigt, was Bahnprivatisierungen gebracht haben und warum sie verhindert wurden. Die britische Bahn wurden zwischen 1994 und 1997 privatisiert. In der Anfangszeit lag das Schienennetz samt Technik in der Hand der Firma Railtrack, wegen zahlreicher Probleme und nach mehreren Zugunglücken ging es 2002 an Network Rail über. Die Strecken für Passagierzüge wurden an private Anbieter verpachtet. Heute betreiben mehr als 25 Anbieter in England, Wales und Schottland den Passagierbetrieb. Bei längeren Zugfahrten, für die mehrere Anbieter genutzt werden müssen, kann es deshalb zu Komplikationen beim Ticketkauf kommen. Kritik gibt es zudem an steigenden Preisen. Gewerkschaften fordern deshalb, die Privatisierung rückgängig zu machen. In den Vereinigten Staaten begann die Privatisierung des Zugverkehrs bereits in den 70er Jahren. Heute wird der Güterverkehr von privaten Unternehmen betrieben, der Personenverkehr beträchtlich durch öffentliche Zuschüsse unterstützt. Die Bahn hat in den USA einen schweren Stand gegenüber Auto, Buslinien und Flugzeug. Das Streckennetz ist veraltet, vor allem fehlen Schnellzug-Trassen. Allerdings steigen die Fahrgastzahlen seit den Anschlägen vom 11. September 2001 mit entführten Flugzeugen. In Frankreich ist eine Privatisierung der staatlichen Bahngesellschaft SNCF derzeit undenkbar. Das 1938 gegründete Traditionsunternehmen gilt mit seinem Hochgeschwindigkeitszug TGV als nationales Heiligtum und steht unter starkem Einfluss der Gewerkschaften. Möglich ist allerdings, dass die SNCF in eine staatliche Aktiengesellschaft umgewandelt werden muss. Derzeit wird die Gesellschaft als öffentliche Einrichtung mit uneingeschränkter Haftung des Staates geführt. Dies ist nach Ansicht der EU-Kommission unzulässig. Die Bahn staatlich oder privat? Italien bietet eine Sonderform an, die der Deutschen Bahn ähnelt: Die traditionsreichen Ferrovie dello Stato (FS) sind eine staatliche Eisenbahngesellschaft, formal allerdings seit 1992 eine private AG – europäischen Richtlinien folgend. Die FS-Aktien sind dabei in der Hand der italienischen Regierung. Trotz schrumpfender Passagierzahlen und starker Konkurrenz durch Fluggesellschaften hält sich der Konzern bei den Gewinnen gut. Er hat dabei auf Hochgeschwindigkeitsstrecken eine starke private Konkurrenz: Die Bahngesellschaft NTV. Westfalen-Blatt vom 15.08.2013
Posted on: Thu, 15 Aug 2013 03:29:56 +0000

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