Das Nyahbinghi - ein politisch-kulturelles Fest der - TopicsExpress



          

Das Nyahbinghi - ein politisch-kulturelles Fest der Rastafaris Auszüge aus einem Artikel von Werner Zips in Riddim 04/04 Es darf bezweifelt werden, dass sich selbst der inspirierteste, gehirnentzündete Ethno-Fantast jemals eine Konstruktion von Vorstellungen hätte erträumen können, die so merkwürdig und mächtig ist wie jene von Rastafari - so etwa beginnt das Kapitel über die Brotherhood of Rastafari in Reggae Bloodlines, dem ersten Buchklassiker über die aus Jamaika stammende Musik und Kultur der Rastafaris. Nyahbinghi Über die Herkunft des Begriffes Nyahbinghi existiert eine Vielzahl von Theorien, wie beispielsweise jene eines afrikanischen Kriegerordens, der sich nach der Ermordung einer ugandischen Prinzessin mit ähnlichem Namen durch die britische Kolonialmacht gebildet haben soll. Rastafaris übersetzen den Begriff mit Tod den weissen und schwarzen Unterdrückern und beziehen sich auf den Befreiungskampf von Haile Selassie I. gegen die Besatzungsarmee Mussolinis in Äthopien ab dem Jahre 1935. Rastafaris verstehen die Besetzung Äthiopiens als ersten kriegerischen Akt des Faschismus und damit als eigentlichen Beginn des zweiten Weltkrieges. Nyahbinghi betrachten sie als Speerspitze der kolonialen Befreiung. In der Welt der Rastafaris bedeutet Nyahbinghi eines von mehreren Häusern, das seinerseits in Untergruppierungen unter der Führung von Elders organisiert ist. Philosophisch-politisch stehen die Theokratie Haile Selassie I. und die freiwillige Repatriierung aller verschleppten Söhne und Töchter Afrikas ins Mutterland (motherland) im Zentrum. Nyahbinghi werden auch die Versammlungen von Rastafaris genannt, die üblicherweise zwischen drei Tagen und drei Wochen dauern. Regelmässige Groundations finden zur äthiopischen Weihnacht am 7. Januar, dem Jubiläum des Besuchs Haile Selassies in Jamaika am 18. April, dem Geburtstag des Königs der Könige am 23. Juli und dem Tag seiner Krönung am 2. November statt. Ausserordentliche Nyahbinghis können zu bestimmten Anlässen wie dem Besuch der jeweiligen chairholders im Vatikan, Pentagon, Buckingham Palace usw. in Jamaika abgehalten werden und dienen dann der spirituellen Kriegsführung. Für die Bobo Ashanti ist Nyahbinghi in der Form von Prayer Drummings and Chanting eine tägliche Pflicht (daily duty). Nyahbinghi Chants besitzen einige Ähnlichkeit mit den Hymnen afrikanisch-christlicher Glaubensgemeinschaften und gelten als wichtigste Inspiration sowohl musikalisch als auch textlich für Rasta-Reggae. Wie der Ethnologe Werner Zips ein Nyahbinghi in Jamaika erlebte Worte können nur unvollkommen beschreiben, welche Energien (fire) durch die Sounds und den Power bei einem physischen Nyahbinghi freigesetzt werden. Selbst der heisseste Sizzla- oder Capleton-Chant wirkt dagegen wie ein Streichholz neben einem ausbrechenden Vulkan. Auch heute noch, nach zwanzig Jahren, fallen mir nur Superlative ein, um mein damaliges Empfinden zu beschreiben: Es war das faszinierendste, mitreissendste, intensivste, aber auch bedrohlichste Erlebnis von kultureller Praxis, das ich bisher haben durfte - das könnt ihr mir glauben! Nach stundenlanger Busfahrt und dreimaligem Umsteigen hatte ich es endlich nach Mandeville in der Gemeinde Manchester geschafft. Dort sollte eines der grössten Binghis (Kurzform für Nyahbingi) der letzten Jahre stattfinden. So hatte mir Jah Greenie, der zweite Rasta, den ich in Jamaika kennen lernte, versicherte. Aber meine Erwartung einer von Dreadlocks bevölkerten, in Rot-Gold-Grün gefärbten Stadt mit öffentlichen Trommelgruppen überall sank mit jedem Meter ziellosen Herumlaufens, in der schwindenden Hoffnung wenigstens ein Anzeichen für eine Rasta-Versammlung zu finden. Im lokalen Plattenladen konnten sie nicht einmal mit dem Begriff Nyahbinghi etwas anfangen. Enttäuscht und zugegebenermassen etwas erleichtert, erkämpfte ich mir einen Platz im nächsten Minibus zurück nach Negril. Doch Jah hatte einen anderen Plan. Und schickte mir einen kleinen Dread mit mächtigen Looks unter einem abgetragenen Tam als Fahrer meines Minibusses. Many are called, but few are chosen - ich musste ihn einfach fragen, ob er irgend etwas von einem Binghi wusste. Schliesslich war ich hier, um eine Forschung über Rasta zu machen, für meine Ethnologie-Dissertation an der Uni Wien. Später, auf den Fersen des kleinen Dread hinter einem Taxi hinterher, finde ich mich mit vier Dreadlocks eingepfercht in einem alten Cortina. Die Gnade meiner naiven Unwissenheit lässt mich nicht sofort erkennen, wie viel mehr Glück als Verstand da im Spiel war. Zu einem Binghi kann man nicht einfach hingehen, wie zu einem Reggae-Konzert. Dazu bedarf es einer ausdrücklichen und formellen Einladung des Nyahbinghi-Hauses oder wenigstens des jeweilig veranstaltenden Elders und seiner Idren. Ich hatte nur die vage Info eines Korallenschnitzers in Montego Bay, dem das gemeinsame Reasoning über Apartheid in Südafrika und den bevorstehenden Fall Babylons gut gefallen haben mag, der aber selbst gar nicht vorhatte, zum Nyahbinghi zu fahren. Dementsprechend staunend nehmen die vier Binghi Brethren in dem Taxi meine Anwesenheit zur Kenntnis. Sie waren selbst überrascht worden. Mit den Worten. De I ah trod to the binghi? Tek dis man deh! hatte mich der Fahrer einfach ins Taxi gesetzt, zwei Jamaica-Dollars Trinkgeld kassiert und mich mit dem passenden Sinnspruch Jah Guide verabschiedet. Aus der Perspektive der vier im Cortina schien Jah schlicht jemand zur Begleichung der Taxirechnung geschickt. Der Taxifahrer fühlt sich offenbar genau so wohl wie ich, zuckt bei jedem vierstimmigen Lightning and Thunder! Nyahman ah come! vielleicht sogar noch mehr zusammen als ich und beginnt erst zart zu protestieren, als die ohnehin mehr als holprige Strasse endgültig zu einem Fussweg wird. Meine Begleiter bemühen sich nicht, den Fahrer zum Weiterfahren zu überreden. Sie befehlen es ihm einfach: Gwaan nuh man! Fire bun! Der Mann flucht fortan im Flüsterton weiter, während wir uns Meter um Meter auf dem halb mit Schutt bedeckten Feldweg nach Greenvale in die berühmt-berüchtigen Hills vorwärts quälen. Die Legenden umwobenen Bergketten des Inselinneren haben schon den Maroons in ihrem Kampf gegen die Sklavenhalter Unterschlupf geboten. Eine kleine rot-gold-grüne Flagge am Wegrand ist das erste Zeichen für Eingeweihte, dass wir auf dem richtigen Weg zum Nyahbinghi Ground sind. Willst du da wirklich hin?, fragt mich einer der vier im Taxi. You are going to a battlefield! nicht gerade ermutigend, aber ich bin schon vorgewarnt durch die Lektüre von Leonard Barretts Buch The Rastafarians (1977). Darin beschreibt der jamaikanische Soziologe seinen ersten und zugleich letzten Besuch bei einem Nyahbinghi alls Alptraum, der ihn so richtig das Fürchten lehrte. Alls er es wagt, ein Foto zu machen, wird er als Verräter beschimpft und von der aufgebrachten Congregation mit dem Verbrennen im Feuer bedroht. Es war eine Symbolische Geste, aber wer weiss das im Anblick des meterhoch brennenden Holzstosses neben dem Tabernakel schon so genau? Schliesslich bleibt das Taxi endgültig mit jaulendem Motor und rauchender Kupplung im Lehmboden stecken. Babylon cyaan move forward again!, lautet der trockene Kommentar eines der Mitfahrer. Ich bezahle wie prophezeit die Rechnung und erhalte zum Dank zwei grosse Taschen in die Hand gedrückt. Der dumpfe Klang von Trommeln weist und den Weg zum Nyahbinghi. Man hätte sich keine bessere Kulisse aussuchen können: Regenwald ringsum, aufsteigender Dampf von der dichten tropischen Vegetation im Dämmerlicht der untergehenden Sonne, Klangfetzen von Nyahbinghi-Kriegsliedern. Plötzlich steht er vor uns, wie aus dem Boden gewachsen. Barfüssig, Dreadlocks bis über die Hüfte, nur mit roten Shorts bekleidet, eine Kalebasse auf dem Kopf: Hotter Hot !, schreit er zur Begrüssung. Redder Red!, erwidern meine Begleiter offensichtlich adäquat im Vorbeigehen. Gemeint ist der apokalyptische Endkampf, dem nach dem Untergang Satans und der Mächte des Bösen im kosmischen Feuer des Armageddon die Vollendung des Gottesreiches folgt. Die dazu passenden Bilder werden mir sogleich nachgeliefert. Wir erreichen den Ort der Groundation. Mein Blick fällt auf ein gemaltes Bild neben dem Eingang, das einen Reiter mit fliegenden Dreadlocks hoch zu Ross darstellt, der eine Lanze durch die Brust des Papstes bohrt, der wie ein Drache Babylon in seinen Klauen hält. Darunter die Losung: Kill the Pope!. Über dem Eingang ein Schild mit der Aufschrift: Nyahbinghi means death to all black and wihte downpressors. Rastafari!, rufen meine Begleiter der königlichen Versammlung entgegen. Selassie I! fire bun!, kommt es machtvoll zurück. Rund zweihundert Dreadlocks Rastafaris, mehrheitlich Männer und Angehörige des Nyahbinghi Ordens, sind zur Feier des 92 Geburtstages von Haile Selassie zusammengekommen. Jetzt sind alle Augen auf uns gerichtet, genau genommen, auf mich. Mit den beiden Taschen in der Hand wirke ich auf den ersten Blick wie ein geladener Gast. Trotzdem schlägt mir unverhohlenes Misstrauen entgegen. Nie zuvor haben mir Blicke allein meine Hautfarbe und Herkunft spürbarer vermittelt. Eine Gruppe Brethren mit Dreads, wie ich sie nie zuvor gesehen habe, umringt eine Feuerstelle. Zwei Männer werfen einen ganzen Baumstamm in die meterhohen Flammen. Fire! Kommt es wie aus einem Munde. Bun the wicked!. Die Gottlosen mögen verbrennen!, der Imperativ unterstreicht die Vorankündigung meines Mitfahrers: Du fährst zu einem Kriegsschauplatz. Mit ziemlich weichen Knien begebe ich mich zu einer Gruppe Elders. Zu einer Begrüssung komme ich gar nicht. Schon prasselt ein Stakkato an Fragen auf mich ein. Woher kommst du? Warum kommst du? Was suchst du hier? Are you a Babylon spy? CIA? Am Anfang weiss ich nicht genau, wie mir geschieht, aber mit Fortdauer der Challenges erwacht mein Widerstandgeist und ich beginne, den Pressure des Fragen-Bombardements auszuhalten. Ich erkläre meine Position zur Versklavung, Apartheid und britischem Neokolonialismus. Es ist eine Art Feuerprobe. A check, if you can take the heat. Nur wenn du die Hitze wie Daniel in the Lions Den wegsteckst - cast in the fire, never get burned - darfst du bleiben. Grounding heisst dieser Prozess, den jede/r durchlaufen muss, der an einem Binghi teilnehmen will. Wer dieses Verfahren einmal erfolgreich bestanden hat, fürchtet sich vor keiner Prüfung mehr. Wer hingegen bei der kollektiven Konfrontation mit Word, Sound, and Power durchfällt, gilt als burned out of the Nyahbinghi. Rasta ist keine Religion, die einen Aufnahmeritus vorschreibt. Wer Rasta fühlt, denkt und handelt, ist Teil von I and I - Ich und Ich, - Jah Rastafari. Jah manifestiert sich in jedem Ich, das diese Manifestation sucht und zulässt. Also kann es keinen Unterschied geben zwischen dem eigenen Ich und dem der Anderen. Nyahbinghi heisst spirituelle Kriegsführung gegen Babylon, dem Synonym für Ungerechtigkeit. Bei dieser philosophischen und kulturellen Praxis würde jeder Fremdkörper die Vibrations stören. Gun Court und Armageddon heissen die ölfassgrossen Basstrommeln und verstehen sich als Vorboten des jüngsten Gerichts am Judgement Day. Sie können töten und wir verwenden sie, um zu töten, deklariert Brother Michael, without any apology (d.h. ohne Rechtfertigungs- oder Verteidigungsmöglichkeit), versteht sich. Ihr dumpfer, im sprichwörtlichen Sinn durch Mark und Bein gehender Klang betont den Herzschlagrythmus der sieben Fundeh-Trommeln, die den stakkatoartigen Attacken des Repeater-Spielers Gewicht verleihen. In kurzen Abständen preist immer ein anderer Jah. Es klingt wie ein Kampfschrei: JAH!!. Ein vielstimmiger Choral aus allen Richtungen des Binghi Grounds antwortet lang gezogen wie das Donnergrollen nach dem Blitz: RASTAFARI! Langsam pendelt sich mein Adrenalin Spiegel auf sein normales Binghi-Niveau ein und ich kann das tun, wozu ich hier bin: sehen, fühlen, erleben. Im Tabernakel, einer nach allen Seiten offenen Rundhütte mit einem Altar in der Mitte, auf dem Bilder von Haile Selassie stehen, umkreisen tanzende Brethren die royal Drummers. Ihre Hymnen preisen His Imperial Majesty und beschwören den Fall Babylons mit Formeln, die heute jeder Reggae-Fan kennt: Fire pon Rome! Fire fi di Pope!. Ein hagerer Elder stampft mit spindeldürren Beinen, die zur Hälfte aus einer rot-gold-grünen Robe herausstehen, auf den Boden, als gelte es, das Böse hier und jetzt zu zertrampeln. Seinen Stock lässt er im Takt Löcher ins malträtierte Gras bohren. Bei jedem symbolischen Stich ins Herz des Drachens beutelt er seine angegraute Dreadlocks Löwenmähne. Seine bambusdicken, fast weissen Bart-Dreadlocks reichen bis zum rot-schwarz-grünen Gürtel, der ihn als Marcus-Garvey-Anhänger ausweist. Daneben skankt ein junger Dread von einem Bein auf das andere und den Trommeln zurück zu dem Alten. Mit voller Kraft singt mit den anderen im Chorus: What a weeping and moaning, when a thousand thunder roll. I and I yod (trod) a Mount Zion I, when a thousand thunder roll. Eine Gruppe Empresses and Princesses bildet die Queen Omega Congregation auf einer Seite des Tabernakels. Sie geben der Versammlung Würde, ohne auch nur einen Hauch Abstriche von der Kampfbereitschaft der Brethren zu machen. Eine alte Empress stürzt auch mich zu und beginnt auf mich einzureden. Das Wenige, was ich verstehen kann, spricht für sich: Fire, Blood, Thunder, Babylon, wicked, death to black and white downpressors. Einer der Brethren kommt mir zu Hilfe, beruhigt die alte Dame mit ihren mächtigen grauen Dreadlocks mit den Worten: Honourable Empress, I and I feel say ‚im got the message. Yes, indeed, die Botschaft ist bei mir angekommen: Nyahbinghi ist wahrhaftig dreadful (schrecklich). Viele Jahre später sollte es Mutabaruka, mittlerweile einer der wortführenden Elders im Rastafari, folgendermassen auf den Punkt bringen (in einem Vortrag im Jahr 2001 an der Universität Wien): Viele Leute haben Angst, sich auf das Nyahbinghi einzulassen, weil sie realisieren, wenn sie in die Erfahrung von Nyahbinghi hineingehen, dass lassen sie sich auf einen Orden ein, einen Afrikanischen Orden, der zum Ziel hat, alle europäischen Kolonialisten aus Afrika zu verjagen. Das ist ein sehr Furcht erregender Teil von Rasta. Rasta als Black Power Bewegung, mit einer theologischen Perspektive. Das ist schon sehr erschreckend. Beinahe wie VooDoo, nur ohne die ganzen Rituale. Viele Leute haben Angst vor Rasta, weil sie Angst davor haben zu sagen: Bwoy, in der Gegenwart benehmen sich Weisse wie Teufel. Vor dieser Aussage fürchten sie sich und vor dem Vorwurf der weissen Vorherrschaft. Ausserdem haben sie Angst, wenn wir über Marcus Garvey* sprechen und vor manchen Dingen, die Garvey gesagt hat. Das fürchten all diese Wissenschaftler, die Rastafari erforschen wollen, denn dann sehen sie plötzlich, dass Rasta tief in der afrikanischen Perspektive verwurzelt ist. All diese Studien und die ganzen Berichte werden dich niemals lernen und verstehen lassen, wer ich bin. Du musst Ich selber erfahren. Das ist der grösste Lehrer, die Erfahrung von Ich ist der grösste Lehrer. Die Wissenschaftler können nur zu Papier bringen, was sie glauben, dass Ich bin. Wenn du dann brav gelernt hast: Oh, da gibt es eine Gruppe von Leuten in Jamaika, die Rastafarians heissen, Haile Selassie verehren, Ganja rauchen und nach Afrika zurückkehren wollen, kannst du vielleicht deine Prüfung an der Uni bestehen. Aber was kommt danach? Wenn du dann mit einem Satz wie Burn Rome konfrontiert wirst? Das ist natürlich etwas anderes, als mit Anthony B mitzusingen und zu Capletons Musik herumzuhüpfen. Dreadlocks, Ganja, Reggae, alles woran die meisten denken, wenn sie den Namen Rastafari hören, sind keine unverzichtbaren Bestandteile der Rasta-Erfahrung. Bisweilen macht man sich sogar über den Ganja-Kult lustig: If Ganja haffi burn, so ah Babylon death? (in etwa: dass es nicht genügt, Ganja zu rauchen, damit Babylon stirbt). Einflussreiche Rasta-Häuser wie Mystic Revelation of Rastafari von Count Ossie verzichten auf Dreadlocks und Reggae und lehnen viele Binghi Brethren ohnehin als Teil der babylonischen Korruption ab. Nyahbinghi hingegen, verstanden als spiritueller Kampf gegen die Unterdrückung von Menschen durch Menschen, gehört zum Kern der Rasta-Erfahrung. Eine Erfahrung, die nur im Ich und nicht durch Zuhören und Nachbeten zu machen ist. In diesem Sinne lässt die Rastafari-Philosophie Universalität zu. Niemand muss in Jamaika geboren oder Nachkomme von versklavten AfrikanerInnen sein, um für sich (im Ich und Ich) die Ungerechtigkeit jeder illegitimen Herrschaft von Menschen über Menschen erfahren zu können. Darin liegt der universelle Ansatz von Rastafari, der es erlaubt, jegliche Grenzen der Hautfarbe, Nation, Sprache, Geschlecht, Alter, sozialer Schicht usw. zu überwinden, obwohl der Ausgangspunkt von Rastafari als soziale Bewegung in Afrika und der afrikanischen Diaspora (vor allem Jamaika) liegt. Wenn das Ich bei einem Binghi mit dem oben zitierten Word, Sound and Power konfrontiert wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die Vibes treffen dich persönlich, dann wirst du von ihnen (spirituell) verbrannt und kannst es unmöglich aushalten bei dem Binghi zu bleiben, oder das Ich spürt die positive Vibration des Befreiungskampfes, aus dem die Worte kommen. Diese Botschaft habe ich auf dem Weg der Erfahrung von Ich und Ich schon von vielen Rastafari mit immer neuen Worten gehört, aber die Power der Worte kann nur die eigene Erfahrung vermitteln: Who feels it, knows it. Dann erst können sich scheinbare Widersprüche auflösen, die im ersten Augenblick wie jenes Rätsel klingen mögen, das mir einer der Elders, Jah T, bei meinem ersten Binghi mit auf den weiteren Weg in Rastfari gab: Du willst wissen, was Nyahbinghi eigentlich ist? Nyahbinghi ist ein alter Orden, den Seine Königliche Majestät, Haile Selassie, im Jahr 1936 als Kriegsorden gegen Mussolinis Truppen in Äthiopien benutzt hat. Nyahbinghi steht seit dem Anbeginn der Zeiten für: Tod den Schwarzen und Weissen Unterdrückern! Dafür kàmpfen wir. Nyahbinghi ist Krieg, aber die Waffe ist die Liebe. Denn nur die Liebe kann das Böse besiegen. Hass erzeugt nur immer neuen Hass. Rastfari! Peace and Love!. *Als der schwarze Jamaikaner Marcus Garvey Anfang des 20. Jhd. einen schwarzen Nationalismus predigte, löste er damit in Nordamerika eine Massenbewegung aus. Auf Jamaika wurde er Begründer der Back to Africa-Bewegung. Er predigte die Ebenbürtigkeit von Schwarz und Weiß und versuchte das gebrochene Selbstwertgefühl der Schwarzen aufzurichten, indem er sie aufforderte zu ihren eigenen Wurzeln zurückzukehren und die ihnen aufgezwängte westliche Kultur abzulegen. Er lehrte, daß Jamaika nicht das Land der Schwarzen, sondern das Land der weißen Ausbeuter - nämlich Babylon - ist. Das wahre Land ist Zion, Zion in Afrika, aus dem die Weißen die Schwarzen verschleppt haben. Garveys Endziel war die Rückkehr aller Schwarzen nach Äthiopien, dem einzigen nie kolonialisierten selbständigen afrikanischen Land.
Posted on: Wed, 06 Nov 2013 11:18:09 +0000

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