Deutschland: In der Geiselhaft der Wutgenossen Bild: (c) EPA (OLE - TopicsExpress



          

Deutschland: In der Geiselhaft der Wutgenossen Bild: (c) EPA (OLE SPATA) Der Koalitionsvertrag erntet Kritik in den Medien und aus der Wirtschaft. Zudem wächst der Unmut über den SPD-Mitgliederentscheid und die geheim gehaltene Ressortverteilung. 28.11.2013 | 18:30 | von Karl Gaulhofer (Die Presse) Berlin. Ist das gerecht? Diese Frage durchzieht raunend und murrend die deutsche Öffentlichkeit, kaum dass sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. Es geht um den SPD-Mitgliederentscheid. Bis 14. Dezember soll die rote Basis per Briefwahl kundtun, ob sie die Große Koalition zulässt. Eine kleine Minderheit entscheidet damit über die politische Zukunft: Deutschland hat 80 Millionen Einwohner, die SPD 475.000 Mitglieder. Bei Weitem nicht alle werden dem Aufruf folgen. Das Quorum liegt bei 20 Prozent. Das Ergebnis ist also für die Parteispitze bindend, wenn knapp 100.000 Genossen teilnehmen – etwa 0,12 Prozent aller Deutschen. Mehr zum Thema: SPD: Unmut über Geheimhaltung der Ministerposten Deutschland: Merkels Koalition ohne Köpfe Teurer Stillstand in Berlin: Unsere Politik macht leider Schule Nach dem Nein die Sintflut Ist das gerecht? Die Stimmung dreht sich. Als der Mitgliederentscheid Ende September gefasst wurde, lobten ihn viele als gelebte Basisdemokratie. Später setzte ihn Parteichef Sigmar Gabriel geschickt als Druckmittel in den Koalitionsverhandlungen ein. Heute überwiegt Unmut über die Geiselhaft, in die enttäuschte Sozialdemokraten das Land zwingen. Denn stimmen sie mit Nein, folgt das Chaos: Die gesamte SPD-Führungsriege müsste zurücktreten. Kanzlerin Merkel bliebe nur ein neuer Anlauf mit den Grünen, eine kaum lebensfähige Minderheitsregierung oder – wohl am wahrscheinlichsten – Neuwahlen. So groß ist die Furcht vor dem Frust der Basis, dass bis Ende der Befragung die Ressortverteilung und die Ministerliste geheim bleiben sollen. Das sehen auch manche Politiker in den eigenen Reihen nicht ein. „Klar geht es um Inhalte“, meint der hessische SPD-Generalsekretär Michael Roth, aber es sei auch „wichtig zu wissen, welche Ressorts die SPD übernehmen würde. Ob die CDU das Arbeitsministerium bekommt oder wir – das macht einen Unterschied.“ Die Parteigranden ziehen nun durch die Lande, um für ein Ja zur „GroKo“ zu werben. Aber die Gefahr bleibt groß, dass vor allem „Wutgenossen“ zur Abstimmung gehen. Die Stimmung in den Kreisverbänden und Ortsvereinen tendiert weiterhin zu einem trotzigen Nein. Dabei schlug die SPD in den Verhandlungen deutlich mehr für sich heraus, als ihr schwaches Wahlergebnis nahelegte. Mit Mindestlohn, Einschränkung der Leiharbeit, „Rente mit 63“ und doppelter Staatsbürgerschaft setzte sie die wesentlichen Akzente. Das zeigt sich auch an den Reaktionen: Während die Gewerkschaften das Ergebnis als „mehr als gerecht“ loben, laufen die Arbeitgeberverbände dagegen Sturm. Von einem „Signal für Stillstand“ ist da die Rede, einer „vertanen Chance“ und einer „Rolle rückwärts“, die die „Reformerfolge zunichte“ mache. Ökonomen kritisieren die hohen Mehrausgaben. Christoph Schmidt, Chef der „Wirtschaftsweisen“, ist überzeugt, dass sie auf Dauer nur mit neuen Steuern oder mehr Schulden finanzierbar sind. „Tabubruch“ und „Jahrmarkt“ Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen lassen am Koalitionsvertrag kaum ein gutes Haar. Für die „Welt“ läutet Merkel damit „das Ende der Reformen in Europa ein“, der „Tabubruch“ sei „eine schwere Hypothek auf die Zukunft“. Die „FAZ“ schreibt von einem „weich gekochten Koalitionsbrei“, mit dem die künftige Regierung weiter „vom Reformgeist der Agenda 2010 abweicht als jede ihrer Vorgängerinnen seit Schröder“. Die „Bild“ fragt sich angesichts von 23 Mrd. zusätzlichen Ausgaben: „Ja ist denn im Himmel Jahrmarkt?“ Aber auch die linksliberale „Süddeutsche“ zieht ein negatives Fazit: Das 185-Seiten-Dokument sei „dick, aber nicht stark“. Lob kommt immerhin aus dem Ausland. Frankreichs sozialistischer Präsident Hollande freut sich über die Verhandlungserfolge der SPD, „auch wenn sie Mehrausgaben bedeuten“. Und die Zeitung „Vatan“ in Istanbul feiert die doppelte Staatsbürgerschaft für Migranten der zweiten Generation als „Sieg der Türken“.
Posted on: Fri, 29 Nov 2013 02:15:35 +0000

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