Dies hier ist mein letzter Blogeintrag für vorerst unbestimmte - TopicsExpress



          

Dies hier ist mein letzter Blogeintrag für vorerst unbestimmte Zeit, da ich nicht weiß, wann ich wieder Internet habe. Deswegen diesmal auch ein bisschen länger - plant ein bisschen mehr Zeit zum Lesen als sonst ein ;) Es ist viel passiert. SO viel, dass ich in den letzten eineinhalb Wochen nicht einmal Zeit dazu fand zu schreiben. Aber jetzt! Also, ganz von Anfang an: Als wir am Mittwoch mit dem Remís (so eine Art "Taxi mit Vertrauen", was man hier in Argentinien wirklich nicht jeden Taxi zumuten kann) an unserem vorübergehenden Zwei-Zimmer-Apartment ankamen, wussten wir schon, dass wir nun drei Nächte zu fünft dort verbringen würden. Wir hatten uns mental schon darauf vorbereitet und fanden es in Ordnung, weil wir wussten, dass uns danach eine neue Wohnung erwartete, die ausreichend Platz für alle Mädchen bieten würde. Wir konnten ebenso verstehen, dass es zu unseren Aufgaben gehörte die andere alte Freiwilligen-WG wieder auf Vordermann zu bringen. Allerdings übertraf der Zustand dieser unsere Erwartungen bei weitem - leider im negativen Sinne. Uns standen drei Tage Entstauben, Putzen, Reinigen, Wände abschmirgeln, streichen, Fußboden sauber machen und und und bevor (übrigens habe ich bewusst mehrere Umschreibungen für das Wort "putzen" benutzt, weil das hier einfach notwendig ist). Im Laufe der Renovierungsarbeiten bekamen wir dann zu wissen, dass wir wohl doch nicht am Samstag umziehen würden, weil es einige Unstimmigkeiten mit dem Vertrag der neuen Wohnung gäbe. "Gut", dachten wir uns "das ist eben Argentinien.". Schon auf dem Vorbereitungsseminar hier und auch aus Erzählungen und meinen eigenen Erfahrungen aus Chile war mir dieser "Tick" der südamerikanischen Unzuverlässigkeit bekannt. Wir machten uns nichts weiter daraus und gingen nun davon aus, dass wir nach dem Unterschreiben des Vertrags (was am nächsten Mittwoch passieren sollte) in unsere schöne, neue Wohnung ziehen könnten. Aber nix da! Nachdem wir einige Tage in unserer wunderbaren Vorstellung des Umziehens schwebten, bekamen wir zu wissen, dass wir doch nicht zu Mitte der Woche aus dieser Wohnung raus sein würden. Der Grund dafür war der Mangel an Helfern, die an den Werktagen alle in der Fundación Angelelli beschäftigt waren und nur am Wochenende mobilisiert werden konnten. Zu der Tatsache, dass es sowieso schon nicht ganz einfach ist, länger als eine Woche mit so vielen Mädchen auf so engem Raum zu leben, kam dann auch noch, dass wir eines abends mit anhören mussten, wie der Nachbar in dem Wohnhaus sein Kind schlug. Wir fühlten uns einfach hilflos, weil wir wussten, dasss wir nichts dagegen tun konnten. Als wir unserer Ansprechperson und der Leiterin der Fundación (Karina) von dem Vorfall erzählten, teilte sie uns mit, dass die Gewalt an Frauen und Kindern in Argentinien leider immer noch ein großes und sehr aktuelles Thema sei. Sie vertröstete uns mit dem Worten "Bald werdet ihr umziehen und dann wird hoffentlich alles besser.", aber nichts wird besser sein, denn die Gewalt bleibt, egal wo wir sind. Nach diesem Vorfall ging es drunter und drüber und es wurde für mich immer unerträglicher in diesem Apartment zu bleiben. Zum Glück war es die letzten Tage ruhig und wir konnten und wieder ein bisschen "entspannen". Zur Ablenkung und um unsere Vorfreude noch ein bisschen zu verstärken, wollte Karina uns unsere neue Bleibe zeigen. So holte sie uns an einem Tag ab, wir fuhren rund zehn Blocks mit dem Auto weiter Richtung Zentrum und blieben vor einem minzgrünen, kleinen Häuschen stehen, das aus der Masse der Reihen- und Blockhäuser hervorstach. Hier sollten wir also ein Jahr lang leben - als würden fünf deutsche Mädchen selbst in einem Vorort mit etwa fünf Mal so vielen Einwohnern wie Flensburg nicht schon genug auffallen. Aber nun denn, wir waren zufrieden und freuten uns wirklich unserem zukünftigen Leben ein Stückchen näher gekommen zu sein. Aber nix da! Etwa zwei Tage nach Besichtigung des Hauses von Außen, schrieb Karina uns eine SMS: "Hi Mädels, es tut mir leid, aber ich habe mich im Haus geirrt. Aber euer Haus ist noch schöner als das, das sich bereits gesehen habt!". Na ja, Schönheit ist Ansichtssache und wir befürchten bis heute, dass sie das nur gesagt hat, um uns zu beruhigen. Die zweite Woche in Florencio Varela begann schonmal besser. Wir besuchten gemeinsam die vier Einsatzstellen der Fundación Angelelli, in denen wir ab der nächsten Woche untergebracht werden sollten. -Kurze Anmerkung: Wir wohnen zwar zu fünft zusammen, jedoch werden nur vier von uns bei der Fundación beschäftigt sein, Saskia arbeitet in einem anderen Projekt.- Am Montag ging es also los. Die erste Einsatzstelle trägt den Namen "3 de Mayo" und befindet sich - wie alle Projekte - in einer Villa (einem Armenviertel geprägt von Wellblechhütten, Straßenhunden und verstaubten Wegen in Argentinien, meist in der Nähe von Buenos Aires). Dort fanden wir ein Zentrum vor, in das überwiegend Kinder kommen, um an Talleres (Workshops) zum Basteln, Spielen und Kochen/Backen teilzunehmen und etwas zu essen. Es war beeindruckend zu sehen, wie die Sozialarbeiter mit einfachsten Mitteln oder gar aus Abfall (Plastikflaschen, Eisstielen, alten Zeitungen...) wunderbare, selbstgebastelte Accessoires und Spiele zauberten. 3 de Mayo ist eines der größten Zentren und ist täglich gut besucht. Dienstag ging es an San Tínez, einem Ort, der weniger einladend wirkte als 3 de Mayo. Die Wände des Hauses sind schmutzig, es gibt viel weniger Mittel (wenige und teilweise kaputte Stühle, eine rare Auswahl an Stiften und Bastelutensilien...) und der Ort gehört definitiv zu den kleineren der Fundación. In den letzten Jahren gab es hier keine Freiwilligen, weil Alfonso (der Leiter des Zentrums) nicht dort war und es beinahe keine Betreuer zu Unterstützung gab. Deswegen erschien es den Leitern nicht sicher genug, hier neben den nicht ganz einfachen Jugendlichen auch noch einen Freiwilligen zu beschäftigen, denn Freiwillige bedeuten nicht nur teilweise Entlastung, sondern besonders zu Anfang auch eine große Belastung. Hier gibt es noch viel zu tun. Die Wände müssen neu gestrichen werden (unsere neue Lieblingsbeschäftigung..) und neue Talleres könnten angeboten werden.Außerdem ist die Einrichtung wohl die konfliktreichste, weil es z.B. keine Seltenheit ist, dass die Jugendlichen, die dorthin kommen, Drogen nehmen und die Mädchen sich prostituieren. Dieses Jahr soll aber wieder jemand hierher kommen und auch ein bisschen Eigeninitiative sowohl in der Gestaltung der Raumes als auch des Angebots mitbringen. Am Mittwoch machten wir uns auf den Weg nach Bosques, der Einrichtung, die definitiv am weitesten weg ist. Mit dem Colectivo (Bus, aber viel günstiger als in Deutschland), ging es über eine Stunde durch den Vorort von Buenos Aires, bis wir an einer Schnellstraße ankamen, die wir zu Fuß überquerten, um an unser Ziel zu gelangen. Die Einrichtung in Bosques kommt einem deutschen Kinder- und Jugendzentrum wohl am nächsten von allen. Die Kinder essen, spielen, toben und essen dann wieder. Uns fiel sogleich auf, dass es eine sehr feste Struktur gibt, die - wie wir später zu wissen bekamen - sehr wichtig für die Kinder ist, weil sie diese Zuhause nicht erfahren. Obwohl uns bewusst war, dass die Ordnung für die Einrichtungen sehr wichtig ist, waren wir dennoch ein bisschen überrascht davon. Zu guter Letzt ging es am Donnerstag in die Villa Argentina, das Zentrum, das wir schon während unseres Vorbereitungsseminars einmal besichtigten, um einen kleinen Eindruck unserer zukünftigen Arbeit zu bekommen. Hier wird täglich für die Kinder gebacken und gekocht. Mittags kommen Kinder im Alter von etwa sechs bis zwölf Jahren hierher und können miteinander spielen und zu Mittag essen. Als wir gegen Mittag dort eintrafen, begrüßten uns die Kinder mit den Worten "Las nuevas Alicias" - "Die neuen Alicias". Das war der Name der Vorfreiwilligen hier, die wohl ganze Arbeit geleistet zu haben schien. Abends treffen sich hier Jugendliche zum Essen und Quatschen. Das Team hier ist unglaublich herzlich und erinnert mich immer ein bisschen an eine kleine Familie. Alle sind willkommen und man kann auch mal ein bisschen rumblödeln. Ich verstehe mich besonders gut mit dem Sohn von Analia, der für mich wie ein großer Bruder ist, mit dem ich einfach Quatsch machen kann. Ich habe ihm beigebracht, was das Wort "Rangeln" bedeutet und es macht einfach echt Spaß sich manchmal mit ihm zu messen - obwohl ich natürlich weiß, dass er viel stärker ist, schließlich ist er 22, bestimmt 20 Zentimeter größer und 15 Zentimeter breiter als ich. Nach diesen vier Tagen voller neuer Eindrücke stand heute nun der Tag der Entscheidung bevor, an dem wir uns mit Karina und Analia zusammen setzten und uns darüber austauschten, wer sich vorstellen könnte wo zu arbeiten - vier Mädchen vier Einsatzstellen. Aber so einfach war es leider nicht. In allen Zentren waren die Kinder total niedlich und teilweise sehr anhänglich und die Jugendlichen zwar frech, aber dennoch interessiert. Wir verbrachten eine tolle Zeit an jedem der Orte und setzten mit der Zeit unsere Präferenzen. Für mich war es eine tolle Erfahrung so viele und so unterschiedliche Zentren kennenzulernen, die alle unter der Leitung der Fundación Angelelli stehen. Trotz der schönen Tage in jedem einzelnen Zentrum, hatte ich in meinem Kopf quasi schon eine Prioritätenliste: 1. San Tínez, 2. Villa Argentina, 3. 3 de Mayo und 4. Bosques. Für mich war es wichtig, dass ich in meiner Arbeitsstelle auch mit Jugendlichen arbeite, mich durch Eigeninitiative einbringen kann und vor neue Herausforderungen gestellt werde, die ich vielleicht nicht sofort lösen kann. Diese drei Kriterien schlossen Bosques und 3 de Mayo eigentlich schon aus, weil es dort keine Arbeit mit Jugendlichen gibt. Ob ich nun nach San Tínez oder in die Villa Argentina gehen würde, war mir dann relativ egal - ich fühlte mich in San Tínez nur etwas wohler, weil ich mit den Jugendlichen besser zurecht kam. Außerdem dachte ich, dass es vielleicht besser wäre an eine Stelle zu gehen, in der die Kinder und Jugendlichen noch kein Bild von einem Freiwilligen haben und somit auch keine wirklichen Erwartungen an die Zeit mit mir haben können. Das ermöglicht mir mich komplett frei auszuleben und keine Vorstellungen erfüllen zu müssen, denen ich sowieso nicht gerecht werden kann, weil ich einfach nicht so bin, wie der/die Freiwillige vor mir. Das Problem bei der Vergabe der Einsatzstellen war, dass sowohl Edona als auch Kathrin und ich am liebsten nach San Tínez oder in die Villa Argentina gehen wollten. Nach vielem Hin und Her teilten wir uns auf und ich durfte nach San Tínez gehen. Ich bin sehr froh darüber und freue mich schon auf meinen ersten Arbeitstag am Dienstag - montags gibt es dort kein Programm, dafür werde ich wahrscheinlich jeden Montag in die Einrichtung 3 de Mayo gehen, damit ich auch von Montag bis Freitag beschäftigt bin. Am Sonntag sind wir zum 2. Geburtstag des Radios der Fundación Angelelli eingeladen, es gibt Buffet und wir lernen bestimmt einige nette Menschen kennen, denen wir wahrscheinlich noch öfter begegnen werden. Ich halte das Fest für ene gute Abrundung des Umzugstresses und der Aufregungen der letzten Tage und hoffe, dass ab jetzt alles ein bisschen besser läuft. Aller Anfang ist schwer, aber SO schwer habe ich mir ihn jetzt doch nicht vorgestellt. Aber dennoch: Es gibt wieder ein paar Sachen, die sicher sind und auf die ich bauen kann - ich werde in San Tínez arbeiten, morgen um 13 Uhr kommen die ersten Leute, um uns beim Umzug in das Haus zu helfen, das wir immer noch nicht gesehen haben und wir werden endlich hier raus kommen. ENDLICH! Ich hab euch alle lieb
Posted on: Sat, 07 Sep 2013 01:46:35 +0000

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