EIN INDIOJUNGE AUS PERU (...) Den Anfang machte bereits Ende der - TopicsExpress



          

EIN INDIOJUNGE AUS PERU (...) Den Anfang machte bereits Ende der Sechziger die Sängerin Alexandra, deren Stimme genauso tief und rau war wie die eines versoffenen Hafenarbeiters aus der Ukraine. Sie punktete mit einem künstlerisch misslungenen Chansonversuch namens ›Mein Freund, der Baum‹, und er war schauerlich: „Mein Freund, der Baum, ist tot – er starb im frühen Morgenrot.“ Hätten die Allierten beschlossen, Deutschland für diese Missetat erneut mit Bomben zu traktieren, die überwiegende Mehrheit hätte Verständnis gehabt. Das Lied war in seiner erzwungenen Bedeutungsaufgedunsenheit peinlich, und so etwas gehörte sich nicht. 1972 schließlich sprintete dann die blutjunge Juliane Werding mit ›Am Tag, als Conny Kramer starb‹ ins Rampenlicht, einer neu getexteten Fassung von ›The Night They Drove Old Dixie Down‹, und spätestens jetzt sprangen auch alle anderen auf den fahrenden Zug. Verletzliche Barden und empfindsame Elfen brachten in ihren Liedchen zerbrechliche Gefühle wie Sonderangebote unter die Leute. Jeder versuchte, den deutschen Bob Dylan oder die deutsche Joan Baez zu mimen und hängte sich eine abgeranzte Gitarre vor den Bauch. Selbst ein Udo Jürgens erhob sich nun zum Gesellschaftskritiker und prangerte in ›Ein ehrenwertes Haus‹ bürgerliche Verlogenheit an und thematisierte in ›Griechischer Wein‹ das schwierige Dasein von Gastarbeitern in der BRD, während Frank Farian in ›Rocky‹ erfolgreich eine ungewollte Schwangerschaft und den Tod der jungen Mutter im Kindbett besang. Nun konnte auch Maffays Warzenpeter nicht mehr an sich halten und schlug zum Geschlechtsakt eines Sechzehnjährigen mit einer Einunddreißigjährigen promiskuitiv in die Saiten. Bittend blickten Haupt- und Realschüler 1976 zu ihren Lehrerinnen auf. Die sich jedoch nichts anmerken ließen. Maffay hatte falsche Erwartungen erweckt. Einen Hit landete er trotzdem mit ›Und es war Sommer‹. Tränen und Tantiemen flossen reichlich. Ständig wartete man darauf, dass nun auch ein Roy Black seine gesellschaftskritische Ader entdeckt und vielleicht ein blumiges Lied über die Rote Armee Fraktion trällert. Und wo blieb Katja Ebstein, die in einem einfühlsamen Chanson mit dem Titel ›Sein Kot ist jetzt breiig und dunkel‹ den magischen Augenblick, da sie einfach mal das Futter wechselte, und die anschließend so dankbaren Blicke ihres Hundes besingt? Eine Chance, die eindeutig vertan worden ist. (...) aus: Rock Around The Clock - Die Wahrheit über 60 Jahre Popmusik & nichts als die Wahrheit
Posted on: Wed, 28 Aug 2013 14:30:35 +0000

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