EINE KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEN THESEN VON PROF. - TopicsExpress



          

EINE KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEN THESEN VON PROF. KHORCHIDE. „Die Debatte“: Kritische Betrachtung von Grundthesen und Methodik der „Theologie der Barmherzigkeit“. Von Halil Siracoglu Der Vorwurf fällt auf sich zurück (iz). Das Projekt „Islamische Theologie in Deutschland“ steht seit ihrem Bestehen im Mittelpunkt innerdeutschen Debatten. Partei dieser Debatte ist vor allem auch der Lehrstuhlinhaber im Zentrum für Islamische Theologie in Münster, Prof. Dr. Mouhannad Khorchide, der aufgrund seiner Publikationen derzeit auch viel Kritik erfährt. Auf der anderen Seite befinden sich die muslimischen Verbände, die nunmehr in ihm eine Veränderung der islamische Theologie sehen; dahingehend, dass er mit angeblich islamwissenschaftlichen Methoden Theologie betreibe, worin ein Zweifel an seiner Bindung an die islamische Lehre impliziert wurde. Dieser Artikel soll die Grundthese von Prof. Dr. Khorchide und die an ihm geäußerte Kritik analysieren. Die Auswahl an Beispielen soll nur exemplarisch einen Blick in die Methodik und verbunden damit auch die Wissenschaftlichkeit und Bekenntnisgebundenheit seiner Thesen aufgreifen. Maßstab der Betrachtung sind in erheblichem Maße die Fundamente der islamischen Theologie mit Rücksicht auf das breite Spektrum der Muslime im Hinblick auf das plurale Erscheinungsbild des Islams in der Welt und in Deutschland. Letztendlich folgt jedoch aus Khorchides Annahmen auch, dass die breite Masse der Mehrheitmuslime, die mit etwa 75 Prozent Bevölkerungsanteil unter den Muslimen in Deutschland eine entsprechende Gewichtung erhält, als Fundamentalisten kategorisiert werden, womit eine Grundsatzdiskussion angerissen wird. Dieser Artikel geht zunächst gerade auf diese elementare Annahme ein und versucht, den ideellen Hintergrund zu beleuchten. „Klassische Theologie als wissenschaftliche Theologie“ Dr. Jens Bakker spricht von der klassischen Theologie des sunnitischen Islams als wissenschaftliche Theologie, weshalb sie sich seiner Meinung nach mit der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie der Philosophie messen lasse, die seit dem 7./13.Jahrhundert weitgehend etabliert und im 12./18. Jahrhundert vorherrschende und historisch einflussreichste Theologie der islamischen Geistesgeschichte gewesen sei. Diese schuf eine größtenteils ganzheitliche Betrachtung des Wissens, des Seins und des Islams, die sowohl die diskursiv-rational-analytische Ebene (durch den ‘Ilm al-Kalâm/ ‘Ilm al-Aqaid), die praktisch-körperlich-materielle Ebene (durch ‘Ilm al-Fiqh) und die intuitiv-seelisch-moralische Ebene (durch ‘Ilm at-Tasawwuf/ ‘Ilm al-Achlaq) des laut islamischer Daseinsbetrachtung „verantwortlichen Menschen“ (Mukallaf) ansprach. Diese Wissenschaften gehörten umfassend und unzertrennbar zusammen und versuchten in jeder Zeit normative Ansprüche und Lösungen für die Lebenswelt der Menschen darzulegen, wobei deskriptiver agierende Wissenschaften wie die Koranwissenschaft (‘Ilm al-Qurân) und die Hadithwissenschaft (‘Ilm al-Hadith) zur Rekonstruktion beziehungsweise Erhaltung der primären Bedeutungen der Quellen und dann vor allem der „Usûl al-Fiqh“ in diesem Zusammenhang als umfassende Quellen-, Verständnis- und Ableitungsmethodik diente. „Dogmatisches Verständnis der Fundamentalisten“ Prof. Dr. Mouhanad Khorchide relativiert und erachtet jene – seit Abu Hanifa (gest. 150/767) bis zum Ende des osmanischen Reichs geglaubten, kodifizierten und weltweit gelehrten beziehungsweise in den Aqida- und Kalâmwerken der Aschariyya/Maturidiyya – systematisierten Glaubensaspekte als gleichgültig und behauptet, dass dieses „dogmatische Verständnis“ nur die „Fundamentalisten“ kümmere. Hier muss dezidiert betont werden, dass in den Kreis, der hier als Fundamentalisten bezeichneten, insbesondere die größte islamische Wissenschaftstradition der Sunniten einbezogen ist, die neben den sechs Glaubensgrundlagen die dazu gehörigen schon früh kollektiv tradierten Glaubensaspekte für wichtig erachtet haben, die der Autor hiermit relativiert. Auch heute als Rationalisten betrachtete Gelehrte der Mutazila wie Kâdi Abdulcabbâr (gest. 415/1025), al-Kâbî (gest. 319/931), Az-Zamachscharī (gest. 538/1143), Abû Ali al-Cubbâî (gest. 303/916) und sein Sohn Abû Hâschim al-Cubbâî (gest.321/933) bekannten sich zum Beispiel zu dem Glauben bezüglich des Grabes (‘Azabu‘l-Qabr). Hieraus ist zu schließen, dass Prof. Dr. Khorchide entweder aufgrund mangelnder Kenntnisse im Bereich der Primärquellen sich nicht dessen bewusst ist, dass er fast über 1400 Jahre bestehende Glaubensgrundlagen eines erheblichen Großteils der Muslime als fundamentalistisch kategorisiert. Gehört nun der große Systematiker und Kalâmgelehrte der Mutazila Kâdi ‘Abdulcabbâr, der Aspekte wie den Glauben an die Befragung im Grab, der Waage am Tage des Gerichts (Mizân) oder an die Brücke (Sirât) in seinen Werken bekennend und für wichtig erachtend erwähnt auch zu den Fundamentalisten von denen Khorchide hier spricht? Von sich zu diesen Glaubensgrundlagen gleichfalls bekennenden Gelehrten wie Muhyî‘d-Dîn Ibn ʿArabî (gest. 638/1240) und Ibn Taymiyya (gest.728/1328), die nach gängiger Auffassung inhaltlich widersprüchlicher nicht sein können, ist bezüglich jenen Themen die kongruente Sensibilität zu erkennen. Authentisch tradierte Aspekte der Glaubenswelt sind essenziell und konstitutiv für die Religion, werden hier jedoch von Mouhanad Khorchide auf Basis seines Paradigmas relativiert, womit eindeutig ein struktureller Bruch von der islamischen Kultur und Wissenschaftstradition zustande kommt. Wem das nur als „unwichtiges Detail“ vorkommt, schlucke diese vAussage: „Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass bis auf ein paar Äußerlichkeiten von dem Islam Mohammeds heute kaum etwas geblieben ist.“ (Islam ist Barmherzigkeit, S.212) Dogmatisches Verständnis der klassischen Tradition? Es geht hier nicht darum, etwas blind aus der Vergangenheit zu übernehmen und alle anderen Traditionen zu negieren. Im Gegenteil ist in der islamischen Geschichte weitgehend ein dynamisch-innovativer Prozess des Austausches und der intellektuellen Auseinandersetzung zu erkennen. Beispielsweise waren die mu‘tazilitischen Gelehrten mit die Begründer der Kalâmwissenschaft und die sunnitischen Gelehrten haben dies zumindest methodisch übernommen und versucht mittels dieser Wissenschaft die ihnen eigenen Inhalte zu verteidigen. Laut Prof. Dr. Cornelia Schöck schaffte es die, sich mehrheitlich etablierte sunnitische Kalâmtradition, innerhalb intellektueller Auseinandersetzungen, mu‘tazilitische Sichtweisen rein argumentativ-rational ad absurdum zu führen. Dies zeigt, dass die hier erwähnte Tradition keine Dämonisierung anderer Wissenschaftstraditionen heißt. Interessanterweise erfolgte mittels der sunnitischen Kalâmtradition eine systematisch-methodische, als auch substanziell-thematische Erweiterung seitens Gelehrten wie Abu Bakr al-Baqillânî (gest. 403/1013), Abu Hâmid Muhammad al-Ghazzalî (gest. 505/1111) und alsdann vor allem durch Imam Fahruddin ar-Razî (gest. 606/1210) und seinen Nachfolgern wie Sayfuddin al-Âmidî (gest. 631/1233), Kâdi Baydavî (gest. 685/1286), Adududdin al-Îcî (gest. 756/1355), Taftâzânî (gest. 792/1390) und Sayyid Scharif al-Curcânî (gest. 816/1413). Der ‘Ilm al-Kalâm war in seiner veredelt-erweiterten Form keine reine Apologetik der sunnitischen Glaubenssätze gegenüber den als Erneuerer betrachteten Gruppen (Alu‘l-Bid‘a), sondern beinhaltete als grundlegende und umfassende Wissenschaft eine ganzheitliche Seinsbetrachtung, die unter anderem Themen der Philosophie wie Metaphysik/Ontologie, Naturphilosophie/Physik, Mathematik, Dialektik, Logik, Sprachphilosophie, Rhetoriktheorie, Ethik, Psychologie und Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie beinhaltete. Oder nehmen wir das Faktum, dass mu‘tazilitische Gelehrte wie Abû al-Husain al-Basri (gest. 436/1044) der hanafîtischen und Kâdi ‘Abdulcabbâr der schafiîtischen Rechtsschule anhingen, wobei sie Usûl al-Fiqhwerke nach der Methode der sogenannten „Mutakallimûn“ schrieben. Diese Methode der „Mutakallimûn“ im Usûl al-Fiqh wird interessanterweise in der Literatur gleichbedeutend als „schafiîtische“ Methode des Usûl al-Fiqh bezeichnet, da gerade Gelehrte der schafiîtisch-ascharîtischen Schule wie Imam al-Haramayn al-Cuwaynî (gest. 478/1085) (al-Burhan), Abu Hâmid Muhammad al-Ghazzalî (al-Mustasfa), Fahruddin ar-Razî (al-Mahsul) und Sayfuddin al-Âmidî (al-Ihkam), Standardwerke auf Basis jener Methodik verfassten. Um ein letztes Beispiel zu geben verweise ich darauf, dass der Korankommentar „al-Kashshaaf ‘an Haqaiq at-Tanzil“ des mutazilitischen Gelehrten Az-Zamachscharī, eine Koryphäe auf den Gebieten der Koranexegese und Sprachwissenschaften, jahrhundertelang in den Madaris des osmanischen Reichs gelehrt und dazu noch unzählige Zusammenfassungen und analytisch-kritische Kommentare verfasst wurden. Theologie der Barmherzigkeit oder der Willkür? Die „Theologie der Barmherzigkeit“ ist ein von Mouhanad Khorchide für die islamischen primär Quellen und die islamische Geschichte entworfener Rahmen, der aus mannigfaltigen persönlichen Meinungen besteht und keinen theologischen Nachweis als Grundlage heranführen kann, was im weiteren Verlauf exemplarisch verdeutlichen werden wird. Es wird geglaubt, dass in einem vor 1.400 Jahren offenbarten Buch das Gottesbild eines bedingungslos liebenden und barmherzigen Gottes vorhanden sei, das jedoch direkt nach dem Tode des Verkünders komplett von der islamischen Lebenswelt missachtet und verlassen worden ist, ja sogar konträr in eine „Theologie des Gehorsams und der Angst“ überginge. Dieses Gottesbild wurde nun im Jahre 2012 von einer einzigen Person entdeckt und wird in aufklärungsfundamentalistischer Art den rückständigen Muslimen der Zeit aufoktroyiert, wobei jede andere Vorstellungen in Kategorien wie unzeitgemäß, unbarmherzig und menschenfeindlich verfrachtet werden. Diese Betrachtung stellt ein Paradebeispiel einer ideologischen Betrachtungsweise von Religionen dar. Verdeutlichen wir dieses Korsett hier zunächst nur anhand einiger vom Autor verwendeten beziehungsweise nicht-verwendeten Koranversen und fügen dem einige Randnotizen hinzu. Verwendete Koranverse 1. Der Koranvers der Sure 3 Vers 191 wird in folgender Übersetzung wiedergegeben: „In der Erschaffung der Himmel und der Erde und in der Wende von Nacht und Tag sind Zeichen für die Einsichtigen, das Gedenken Gottes im Stehen und im Sitzen und liegend auf ihren Seiten und das Nachdenken über die Erschaffung der Himmel und der Erde: >Unser Herr, Du hast das nicht umsonst erschaffen. Preis Dir!
Posted on: Tue, 19 Nov 2013 23:21:39 +0000

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