Ein neuer Text von der Kunsthistorikerin Almut Andreae für den - TopicsExpress



          

Ein neuer Text von der Kunsthistorikerin Almut Andreae für den Katalog "Kindheitsmuster - Künstler portraitieren Kinder" Im Werk des Malers Alexander von Schlieffen gibt es eine Reihe von Bildnissen, deren Wirkung sich erst in der Begegnung zwischen Betrachter und Original vollends entfaltet. Durch eine über die Jahre verfeinerte Technik, bei der von Schlieffen das Bildnismotiv mit einem transparentartigen Stoff überspannt, offenbart dieses dem Betrachter stets neue Seiten. Je nach Blickwinkel und Lichteinfall scheint sich das Motiv dem erkennenden Zugriff zu entziehen. Aus den wechselnden Konfigurationen von Farben und Formen im Wechselspiel mit dem Licht entsteht in diesen Bildern eine schillernde Beziehung zwischen Fläche und Raum. Wie bei einem Vexierbild ist es besonders dieses Kippmoment, welches von Schlieffen so sehr fasziniert. Der Mehrschichtigkeit auf formaler Ebene entsprechen die Fragen, die im Dialog zwischen Maler an Modell entstehen und dann im stillen Zwiegespräch zwischen Betrachter und Portrait. Ins Zentrum dieser Befragung geraten in der Malerei Alexander von Schlieffens immer wieder die Kinder. Ausgelöst durch eine schon sehr früh einsetzende Vorliebe des Künstlers für das Zeichnen und Malen von Portraits, erweiterte sich das Spektrum des Künstlers über die Jahre auch auf Familienbildnisse. Zum klassischen Portrait hat sich indes längst noch ein anderes Interesse gesellt. Denn was Alexander von Schlieffen in seinen Kinderbildnissen sucht, geht über eine naturgetreue Wiedergabe des Modells noch hinaus. Auch wenn dem Portraitmaler die Wiedererkennbarkeit nach wie vor ein Anliegen ist. Auslöser für die zahlreichen Bildnisse von Kindern ist vor allem die Offenheit, die der Künstler und Vater zweier Söhne in der Begegnung mit ihnen erlebt. Die Bereitschaft der Kinder für alles, was da noch kommt und möglich ist, inspiriert ihn. In jedem seiner Bilder steht sie ihnen ins Gesicht geschrieben. Es ist eine Offenheit, die gleichzeitig auch verletzlich macht. Die Wahrnehmung der einzigartigen Persönlichkeit eines Kindes formt sich im Maler zum inneren Bild. Nachdem er es auf die Leinwand gebracht hat, wird es durch die Bespannung mit dem Georgette-Stoff gleichzeitig umhüllt und verschleiert. Die transparente Textur zwischen der Malerei und der Welt außerhalb des Bildes legt sich über das Portrait wie eine schützende Haut. Eine Geste, welche die Fragilität des kindlichen Kosmos unterstreicht. Der tiefe Ernst im Blick von Anna in den gleichnamigen Leinwandbildern eröffnet eine zusätzliche Dimension. Die dunklen Augen, die Nahsicht, die Frontalität, der man als Betrachter kaum ausweichen kann – all dies erscheint jene melancholische Schönheit der Mumienportraits aufzunehmen, die man in den Gräbern der griechisch-römischen Antike fand. Etwas von der Zeitlosigkeit dieser antiken Bildniskunst glimmt in Portraits wie dem von Anna auf. In ihrem eindringlichen Blick spricht sich eine Bestimmtheit aus, die keiner schützenden Gebärde bedarf. An das Besondere im Gesichtsausdruck von Kindern tastet sich Alexander von Schlieffen in seiner Malerei behutsam voran. Seine innere Zwiesprache mit dem kindlichen Modell verfestigt sich über Spuren aus Licht und Farbe zu Umriss und Gestalt. Der rötliche Schimmer in vielen seiner Bildnisse erscheint wie ein Echo auf elementare Prozesse, die sich in der menschlichen Entwicklung im Verborgenen vollziehen und somit auch den Betrachter unmittelbar einbinden. Die Anziehungskraft seiner Portraits verdankt sich auch der Wirkung, die sich an der Schnittstelle zwischen schemenhafter Bildaussage und Andeutung und der eindeutigen Wiedererkennbarkeit des Modells entfaltet. Einerseits konkret, andererseits frei lassend eröffnet diese Bildniskunst Räume für eine Begegnung mit sich selbst.
Posted on: Thu, 04 Jul 2013 18:56:51 +0000

Trending Topics



Recently Viewed Topics




© 2015