Eine Meldung (AFP) und ihre Geschichte: „Das Schicksal eines - TopicsExpress



          

Eine Meldung (AFP) und ihre Geschichte: „Das Schicksal eines Mannes sorgt in Japan für Aufsehen. Der Japaner war kurz nach seiner Geburt vor 60 Jahren vertauscht worden. Statt in einer wohlhabenden Familie wuchs er bei einer armen Witwe auf. ,Ich hätte ein anderes Leben haben können. Ich möchte die Uhr bis zu dem Tag zurückstellen, an dem ich geboren wurde‘, sagte der Mann, dessen Identität nicht bekannt gegeben wurde, am Mittwochabend (Ortszeit) in Tokio vor zahlreichen Medienvertretern. Er könne nicht verstehen, wie dieses folgenschwere Mißgeschick passiert sei. Der Mann war in der Geburtsklinik mit einem 13 Minuten später geborenen Jungen vertauscht worden. Statt in seiner wohlhabenden Familie aufzuwachsen, zog ihn eine Witwe in ärmlichen Verhältnissen auf. Ein Gericht in Tokio verurteilte das Krankenhaus daher diese Woche zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 38 Millionen Yen (275 000 Euro) … Der vertauschte Junge war das erste leibliche Kind eines wohlhabenden Paares, das später noch drei weitere Söhne bekam. Letztere wuchsen im Überfluß auf und erhielten Privatunterricht. Ihr älterer Bruder hingegen lebte mit seiner vermeintlichen Mutter und deren älteren Söhnen in einer Ein-Zimmer-Wohnung, deren größter Luxus ein Radio war. Später arbeitete er tagsüber in einer Fabrik und lernte nebenbei an der Abendschule. Schließlich wurde er Lastwagenfahrer.“ „Daß Demokratie Oligarchie ist, liegt … an der Unmenschlichkeit, die das Privileg in die objektive Notwendigkeit der Geschichte eingräbt.“ Adorno, 1942 Eine Meldung, die viel, wo nicht alles über gegenwärtige Gesellschaft mitteilt, ob in Japan oder anderswo, und deshalb auch als Kuriosum und Laune des Schicksals im Vermischten versteckt wird: In den Gesellschaften der Freien und Gleichen beginnen Ungleichheit und Unfreiheit auf der Säuglingsstation, denn wer Lastwagenfahrer wird und wer Chefarzt, entscheiden die Anlagen, und zwar neben den Genen die festverzinslichen. Ein japanisches Gericht hat den Geldwert dieses Geburtsvorteils jetzt auf 275 000 Euro taxiert, nicht einmal 5000 Euro für jedes Jahr, was als Entschädigung für die Chance, die einer nicht bekommen hat, auf Wohlstand, Bildung, Muße und Möglichkeiten, eher als Geste gelten darf. Zur Klärung: Es gibt ein Leben diesseits bürgerlicher Privatschulsaturiertheit, und Lastwagenfahrer ist in aller Regel ein viel ehrbarerer Beruf als Investmentbanker. Wer Lastwagen fährt, hat aber einen schweren Job, der schlecht bezahlt ist, weswegen die Klassengesellschaft darauf sieht, daß nach Möglichkeit nur Kinder von Lastwagenfahrern Lastwagenfahrer werden. Wenn ich derweil ohne Sorgen an meinem warmen Schreibtisch sitze und über die Ungerechtigkeit der Welt nachdenke, verdanke ich das dem paradoxen Geburtsprivileg, in der DDR aufgewachsen zu sein, wo jede/r eine hohe Allgemeinbildung erfahren hat, wo wichtige Schulfächer (Mathe, Physik, Chemie..) nicht abgewählt oder ausgeglichen werden konnten durch künstlerische oder sportliche Begabung, wo nicht der Grundsatz galt, Lernen muss Spass machen und wo natürlich auch jeder in der 1. Klasse deutsch sprach. Vielleicht wären wir alle also wieder etwas gleicher, wenn Kinder mit ausländischen Wurzeln eine ordentliche Spracherziehung in der Vorschule erfahren, wenn Schüler gemeinsam Klasse 1- 10 absolvieren, und dann eine Elite nicht durch Herkunft sondern durch schulische Leistung die Möglichkeit hat, im Anschluss das Gymnasium zu besuchen und später zu studieren. Denn Bildung ist bezahlbar, egal ob die Eltern Ärzte, Investmentbanker, Schlosser oder Lastwagenfahrer sind, es fehlen meiner Meinung nach sinnvolle staatliche Strukturen, um allen eine gleiche Bildung zu ermöglichen.Die gleiche Bildung, die dann wieder den Kindern weitergegeben werden kann...
Posted on: Mon, 02 Dec 2013 10:57:55 +0000

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