Empörung über US-Datenspionage Angeblich millionenfach - TopicsExpress



          

Empörung über US-Datenspionage Angeblich millionenfach Telefonate und E-Mails in Deutschland überwacht Berlin/Brüssel (dpa). Der Skandal um die Datenspionage der US-Geheimdienste droht zu einer Belastung für das Verhältnis Deutschlands und Europas zu den USA zu werden. Empört reagierten gestern Politiker von Regierung und Opposition in Berlin auf Berichte, wonach die Überwachung Deutschlands durch den US-Geheimdienst NSA offenbar viel umfangreicher ist als bislang angenommen. »Der Bundespräsident hält eine rasche Aufklärung für unverzichtbar«, sagte eine Sprecherin Joachim Gaucks. Eine Stellungnahme der Kanzlerin gab es nicht. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe prüft nach eigenen Angaben, ob sie für mögliche Ermittlungen zuständig ist. Die EU-Kommission verlangte Aufklärung über die angebliche Bespitzelung von EU-Gebäuden durch den US-Geheimdienst. Washington äußerte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Dokumente der NSA offenbaren laut »Spiegel«, dass der Geheimdienst einen Großteil der Telefon- und Internetverbindungsdaten speichert. Monatlich würden in der Bundesrepublik rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen – Telefonate, Mails, SMS oder Chats – überwacht. Die dem Magazin vorliegenden Unterlagen bestätigten, »dass die US-Geheimdienste mit Billigung des Weißen Hauses gezielt auch die Bundesregierung ausforschen, wohl bis hinauf zur Kanzlerin«, schreibt »Der Spiegel«. Die NSA sei in Deutschland so aktiv wie in keinem anderen Land der Europäischen Union, schreibt der »Spiegel« unter Berufung auf geheime Dokumente, die der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden mitgenommen habe. Aber auch die EU werde gezielt ausgespäht – so habe der US-Geheimdienst die diplomatische Vertretung der EU in Washington sowie bei den Vereinten Nationen in New York mit Wanzen versehen und das interne Computernetzwerk infiltriert. Aus der Bundesrepublik fließt dem Bericht zufolge einer der größten Ströme der Welt in den »gigantischen Datensee« des US-Geheimdienstes. An Spitzentagen wie dem 7. Januar 2013 habe der Geheimdienst bei rund 60 Millionen Telefonverbindungen spioniert. Aus einer vertraulichen Klassifizierung gehe hervor, dass die NSA die Bundesrepublik zwar als Partner, aber auch als Angriffsziel betrachte. Demnach gehöre Deutschland zu den »Partnern dritter Klasse«. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte: »Es sprengt jede Vorstellung, dass unsere Freunde in den USA die Europäer als Feinde ansehen.« Seite 2: Kommentar Die Zeit der Parlamente Freunde »dritter Klasse« zu sein – das tut weh. So kategorisiert der US-Geheimdienst NSA Deutschland, dessen Kommunikation grenzenlos überwacht wird. Nirgendwo sonst in Europa schnüffeln die Amerikaner so wie hier. Das mag an Internet-Knoten liegen, die den Datenverkehr mit Krisenregionen abwickeln. Und an der Rolle, die eine Hamburger El-Kaida-Zelle bei der Vorbereitung der Anschläge vom 11. September spielte. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Enthüllung der NSA-Dokumente belegt, dass es dem Geheimdienst nicht bloß um Terrorbekämpfung geht. Die Freunde selbst werden bespitzelt. Von den Bürgern über die Regierung in Berlin bis zu EU-Einrichtungen in Washington, New York und Brüssel. Das verlangt Aufklärung durch die US-Regierung, die sich ausschweigt. Die Amerikaner setzen auf nicht allzu hartnäckige offizielle Nachfragen, weil sonst Brisantes zur Kooperation des Bundesnachrichtendienstes und anderer europäischer Auslandsdienste mit dem NSA zutage kommen könnte. Es liegt an den Parlamenten in Berlin und Straßburg, ihre Kontrollfunktion auszuüben und »Big Brother« zu stoppen. Thomas J. Spang Seite 4: Hintergrund Frankfurt im Visier der NSA Der »Welthauptstadt des Internets« gilt wohl besonderes Interesse von Geheimdiensten Von Christoph Dernbach Berlin/Frankfurt/Main(dpa). In den Anfangsjahren des Internetverkehrs in Deutschland führten fast alle Datenwege zunächst in die USA – auch wenn es etwa um eine Verbindung zwischen Hamburg und München ging. Erst mit der Gründung des Frankfurter Internet-Knoten DE-CIX im Jahr 1995 tauschten Provider in Deutschland im größeren Stil direkt die Daten untereinander aus. Der German Commercial Internet Exchange (DE-CIX) ist mittlerweile der weltweit größte Datenumschlagplatz, noch vor Amsterdam und London. Heute rasen durch die gelben Glasfaserkabel an der Hanauer Landstraße an einem durchschnittlichen Tag knapp 1,4 Terabit pro Sekunde. Selbst in den USA, dem Heimatland des Internets, sind die Knoten kleiner, da sie stärker dezentral verteilt sind. Mit den Enthüllungen um die Datenschnüffeleien der anglo-amerikanischen Geheimdienste steht nun auch der Verdacht im Raum, dass insbesondere die NSA in der »Welthauptstadt des Internets« besonders aktiv war. »Der Spiegel« schreibt, aus NSA-Unterlagen gehe hervor, dass sich der Dienst vor allem für Knotenpunkte in Süd- und Westdeutschland interessiere. »Frankfurt nimmt im weltumspannenden Netz eine wichtige Rolle ein, die Stadt ist als Basis in Deutschland aufgeführt.« Die DE-CIX – eine Tochter des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft (eco) – wandte sich bereits am Mittwoch gegen Behauptungen, dass die NSA seit Jahren direkten Zugang zu den Daten habe, die an deutschen Internetknoten ausgetauscht werden. »Ein solcher Zugriff wäre in Deutschland rechtlich in keiner Weise legitimiert«, heißt es in der Erklärung der DE-CIX. Klaus Landefeld, Vorstand Infrastruktur und Netze beim eco-Verband, weist zudem darauf hin, dass es beim DE-CIX gar keine zentrale Stelle gebe, an der man die Daten im großen Stil in einem Rutsch abfangen könne. »Wir betreiben im Raum Frankfurt allein 20 Rechenzentren. Da müsste man sich überall andocken«, sagte er gestern. Außerdem müsste die Infrastruktur ähnliche Ausmaße haben wie die eigene. »Wir haben hier 5000 Glasfaserkabel. Die kann man nicht einfach unbemerkt verlegen.« Elmar Brok, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments und CDU-Politiker aus OWL, sagte »Spiegel online« zur NSA-Datensammlung: »Das Ausspionieren hat Dimensionen angenommen, die ich von einem demokratischen Staat nicht für möglich gehalten habe. Es ist unerträglich, wenn man sich unter Bündnispartnern so verhält«. Die USA, die einst das Land der Freiheit gewesen seien, »stehen unter einem Sicherheitssyndrom. Sie haben völlig die Verhältnismäßigkeit verlassen. George Orwell ist nichts dagegen.« Westfalen-Blatt vom 01.07.2013
Posted on: Mon, 01 Jul 2013 03:21:39 +0000

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