Etwas zum nachdenken. Die ersten Antworten müssen nicht immer die - TopicsExpress



          

Etwas zum nachdenken. Die ersten Antworten müssen nicht immer die richtigen sein. Weitergeleiteter Artikel aus der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 07.09.2013, Seite 1: Keine Wirkung im Ziel Syriens Machthaber drangsaliert das eigene Volk mit Giftgas. Europa reagiert passiv, die USA zögern. Nichtstun aber fördert den Flächenbrand, vor dem Gegner einer Intervention warnen. Von Markus Spillmann Demokratien tun sich schwer mit Gewaltmitteln. Diktaturen mögen sie. Sie dienen dem eigenen Machterhalt und der Unterdrückung, zuallererst der eigenen Bevölkerung. Das Verhalten des syrischen Regimes ist nicht einzigartig, höchstens exemplarisch ruchlos. Der Asad-Clan hat schon lange vor dem Blutbad mit rücksichtsloser Härte Oppositionelle verfolgt und drangsaliert, ganz im Einklang mit anderen orientalischen Despotien in der Region. Dass unter diesen nun einige im Kleide humanitärer Besorgnis gegen Damaskus Front machen, ist reiner Opportunismus. Der Griff in den Giftschrank der Massenvernichtungswaffen jedoch, dieser Griff bleibt ein Fanal. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bisher nur von Saddam Hussein im ersten Golfkrieg gegen Iran und später bei Halabja gegen die eigene Bevölkerung gewagt. Wie heute war auch damals die Erschütterung gross. Saddam kam trotzdem ungeschoren davon, auch weil das geostrategische Interesse des Westens die Verhängung von Sanktionen nicht opportun erscheinen liess. Wankelmut, Zwist und Abstinenz Wird es Asad nun anders ergehen? Wohl kaum. Denn egal, was der amerikanische Kongress entscheidet, die allfällige «Bestrafungsaktion» der USA gegen die mutmasslichen Täter in Damaskus wird von begrenztem Umfang bleiben - alles andere kann und will sich der Friedensnobelpreisträger im Weissen Haus aus Rücksicht auf die Stimmung im eigenen Land nicht erlauben. Er hat sich auf die Fahne geschrieben, die opferreichen Kriege in Afghanistan und im Irak für Amerika zu beenden. Wie kein Präsident vor ihm setzt Obama auf die indirekte Kriegführung mit Aufklärung durch die Nachrichtendienste und die tödliche Wirkung von Kampfdrohnen. Vor allem aber weiss er sehr genau, dass die Wirkung solcher Angriffe beschränkt ist. Zum einen müssen die Luftschläge möglichst «chirurgisch» und ohne fatale Kollateralschäden für die Zivilbevölkerung erfolgen, um zu verhindern, dass das syrische Regime die Bilder von getöteten Kindern und Müttern propagandistisch ausschlachten kann. Denn die Kunst der Inszenierung beherrschen Menschen vom Schlage Asads. Daher wird das Weisse Haus alles daransetzen, der eigenen Bevölkerung, die ohnehin kriegsmüde ist, keinen Grund zu liefern, die Angriffe als übertrieben zu kritisieren. Strategisch dürfte sich auf dem Schlachtfeld kaum viel verändern. Mag sein, dass je nach Schwere und Intensität der Strafaktion die Regierungstruppen geschwächt werden und dies einzelnen Rebellengruppen dient. Ohne konsequente und vor allem länger andauernde Bekämpfung der syrischen Einheiten aber ist nicht zu erkennen, wie das faktische Patt zwischen den Konfliktparteien zugunsten der Asad-Gegner aufgelöst werden könnte - zumal die «kontrollierte» Stärkung der aus Sicht des Westens «guten» Gegner gegenüber den «schlechten» ohne Präsenz von Bodentruppen eine rein theoretische Übung bleibt. Politisch schliesslich hat Asad bereits fast alles erreicht, was für ihn zu erreichen ist: Wankelmut, Zwist und Abstinenz bei jenen zu erzielen, die ihm ernsthaft bedrohlich werden könnten. Die Briten sagen Nein, die Deutschen sagen ohnehin Nein (wenn auch anders als bei Libyen jetzt solidarisch), und Frankreichs Präsident Hollande will, kann aber gar nicht. Der Uno-Sicherheitsrat bleibt wegen der Vetomächte Russland und China blockiert. Für die Nato ist Syrien kein Thema, und völkerrechtlich ist eine Intervention ohne Uno-Mandat kaum zu legitimieren, wenn sie auch ethisch zu rechtfertigen ist. Fehlt nur, dass auch noch das Zaudern Obamas zum Triumph für Asad wird; denn wenn der Kongress wider Erwarten Nein sagt, wäre die Weltmacht USA als jener Hund vorgeführt, der zwar bellt, aber eben nicht beisst. Bliebe Nichtstun als letzte Option. Wer diese befürwortet, und das tun viele gerade im Westen, kleidet dies gerne in pazifistisch motivierte Überlegungen, die darauf bauen, die Kriegsparteien würden früher oder später so ermattet sein, dass sie an den Verhandlungstisch zurückkehrten. Offen bleibt freilich, was es noch zu verhandeln gibt in einem Land, das derart zerrissen ist und seit mehr als zwei Jahren in einem blutigen Bürgerkrieg steckt. In Syrien, einst eine Kulturnation von relativer Stabilität und Prosperität, geht es längst nicht mehr nur um die Frage des Regimewechsels, sondern auch um religiöse und soziale Dominanz, um Einfluss und Interessenpolitik benachbarter Regime, um Grossmachtambitionen und innenpolitische Schadensbegrenzung, etwa für Russland. Der Schlachterbegriff «Ausbluten» ist auf Syrien angewandt daher schlicht zynisch. Denn genau das - die möglichst schmerzarme Tötung eines Tieres - findet nicht statt. Im Gegenteil: Massaker reiht sich an Massaker, bei einer dramatisch steigenden Zahl an Opfern unter der Zivilbevölkerung. Und bleibt nun auch der Einsatz von Giftgas ungesühnt, so wird es weitere Angriffe mit chemischen und irgendwann vielleicht auch biologischen Kampfstoffen geben. Bedenklich ist Letzteres vor allem darum, weil sich damit eine Eskalationsmöglichkeit auch in innerstaatlichen Konflikten etabliert, die man nach dem Ende des Kalten Krieges im zwischenstaatlichen Krieg bereits überwunden geglaubt hatte. Allein deswegen muss Asad als mutmasslicher Hauptverantwortlicher dieser Giftgaseinsätze mit Strafmassnahmen belegt werden; können er und seine Schergen sich in Sicherheit wiegen, dafür nicht belangt zu werden, wird das andere seines Schlages animieren, es ihm gleichzutun. Das ist im Grunde der wahre Flächenbrand, der von Syrien sich auszubreiten droht - weit über die nahöstlichen Grenzen hinaus. Fatale Folgen für das Völkerrecht Es rächt sich nun bitter, dass Europa und die USA nicht frühzeitig dem Blutvergiessen in Syrien Einhalt geboten haben; wohl oder übel hätte dies auch militärische Mittel umfassen müssen, bei allen Risiken einer jeden Intervention. Damals, noch in der Frühphase des Konfliktes, hätte diese möglicherweise Schlimmeres verhindern können - allein deshalb, weil der Preis des Einlenkens für alle noch tiefer gelegen wäre. Dieser Zeitpunkt ist längst vorbei. Chirurgisch lässt sich dieser Krieg von aussen nicht mehr beenden; und für mehr reicht weder der politische Mut noch die militärische Kraft fast aller Staaten dieser Welt. Allein die Vereinigten Staaten wären in der Lage dazu; sie zögern, aus verständlichen Gründen. Wo aber keine Macht, da ist auch kein Recht. Für die Menschen in Syrien und in der Region ist das tragisch; für die globale Durchsetzung völkerrechtlicher Normen könnte es geradezu fatal sein.
Posted on: Sat, 07 Sep 2013 07:55:07 +0000

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