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Geschichte Archiv Info/Impressum Kämpfende Mächte 27.09.2013 DAMASKUS/BERLIN/WASHINGTON/MOSKAU (Eigener Bericht) - Berlin fordert eine rasche Entscheidung über die nächsten Schritte zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffenbestände. Wie Außenminister Guido Westerwelle verlangt, müsse ein entsprechender Beschluss noch diese Woche gefasst werden. Die Bundesrepublik will sich nach wie vor umfassend an der Giftgasvernichtung beteiligen. Jenseits davon gehen die Berliner Chancen, maßgeblich Einfluss auf die Neuordnung Syriens zu nehmen, gegenwärtig eher zurück. Die Aufrüstung der Aufständischen ist von der Bundesregierung im Rahmen der innerwestlichen Arbeitsteilung anderen Mächten überlassen worden; zur Zeit tun sich damit vor allem die USA und Frankreich hervor. Die Versuche, durch Wiederaufbau-Maßnahmen im Rebellengebiet Sympathien zu gewinnen, stehen vor dem Scheitern: Antiwestliche islamistische Milizen erstarken; rund 50.000 meist salafistische Kämpfer haben sich von der Exilopposition losgesagt, über die Berlin sich eine starke Stellung in Syrien verschaffen wollte. Die internationale Entwicklung wird von Verhandlungen zwischen den USA und Russland dominiert, die im Medium des Syrien-Krieges ihre weltpolitischen Machtkämpfe fortsetzen. Das Plädoyer deutscher Regierungsberater, gegebenenfalls Bundeswehr-Soldaten nach Syrien zu entsenden, trägt dem befürchteten deutschen Einflussverlust Rechnung. Bundeswehr nach Syrien? Wie Außenminister Westerwelle fordert, soll noch in dieser Woche eine Entscheidung über die nächsten Schritte zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffenbestände erfolgen. Begleitet werden solle der Prozess von einer baldigen Waffenruhe und von politischen Gesprächen über die Zukunft des Landes. Das Auswärtige Amt hat schon letzte Woche bekräftigt, die Bundesrepublik werde sich an der Vernichtung des syrischen Giftgases beteiligen; man habe darin "eine besondere Expertise".[1] Regierungsberater haben sich darüber hinaus dafür ausgesprochen, die Bundeswehr solle "einen Beitrag bei der Sicherung der Chemiewaffenbestände oder im Rahmen einer UN-Friedenstruppe leisten", die zum Schutz ausländischen Personals bei den Abrüstungsmaßnahmen in Syrien wohl zusammengestellt werden müsse.[2] Dies wird in Berlin aus machtpolitischen Erwägungen für sinnvoll gehalten. Waffen für die Milizen Hintergrund ist, dass anderweitige deutsche Bemühungen, sich Einfluss im künftigen Syrien zu sichern, vor einer empfindlichen Schwächung oder gar vor dem Scheitern stehen. Die Aufrüstung der Aufständischen hat die Bundesregierung im Rahmen der üblichen innerwestlichen Arbeitsteilung weitgehend anderen Mächten überlassen. In der ersten Septemberhälfte sind nun Berichten zufolge umfangreiche US-Waffenlieferungen bei syrischen Milizen angekommen [3]; dabei soll es sich neben Fahrzeugen und High-Tech-Kommunikationsgerät auch um leichte Waffen und Munition handeln. Zudem hat der Staatspräsident Frankreichs angekündigt, den Aufständischen ebenfalls Kriegsmaterial in größerer Menge zur Verfügung stellen zu wollen. Das geschehe in Absprache mit weiteren Staaten. Beobachter beziehen dies vor allem auf Saudi-Arabien und Qatar. Salafistische Dominanz Berlin hatte alternativ dazu vor allem darauf gesetzt, über Wiederaufbau-Maßnahmen in den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten Sympathien und Einfluss zu gewinnen.[4] Die Chancen dafür sinken gegenwärtig deutlich. Mitte dieser Woche haben sich 13 meist salafistische Milizen in einer offiziellen Erklärung von der Exilopposition losgesagt, über die die Bundesregierung sich in einem Post-Assad-Syrien eine starke Stellung sichern wollte. Die Zahl ihrer Kämpfer wird mit mehr als 50.000 angegeben; hinzu kommt noch die Terrororganisation Islamic State in Iraq and the Levant (ISIL). Damit dominieren jenseits der kurdischsprachigen Gebiete Nordost-Syriens eindeutig salafistische Milizen, von denen sich Berlin keine Kooperation erhoffen kann. Bereits im Frühjahr sind Mitarbeiter deutscher Hilfsorganisationen im Norden Syriens von Salafisten verschleppt worden; mittlerweile sind zivile deutsche Aktivitäten kaum noch möglich. Machtpolitisch kommt aus deutscher Sicht erschwerend hinzu, dass die aktuellen internationalen Verhandlungen um die Chemiewaffen-Vernichtung vor allem von den Vereinigten Staaten und Russland geführt werden - in einer Fortsetzung der weltpolitischen Rivalität zwischen den beiden Mächten, deren tiefe Verwurzelung sich auch auf den Syrien-Krieg auswirkt. Nicht mehr ernst genommen Erst kürzlich hat der als geheimdienstnah eingestufte US-Think-Tank Stratfor beschrieben, wie der Syrien-Krieg sich in den weltpolitischen Machtkampf zwischen den USA und Russland einordnet. Stratfor erinnert daran, dass Russland in den 1990er Jahren völlig am Boden lag und vom Westen "nicht mehr ernst genommen" wurde. Dann kam der NATO-Überfall auf Moskaus Traditionsverbündeten Belgrad, der mit angeblichen Massakern serbischer Repressionsapparate an Kosovaren legitimiert wurde. Bis heute sei "alles andere als klar", ob diese Massaker tatsächlich geschehen seien, äußert Stratfor.[5] In Moskau sei man damals davon ausgegangen, dass die NATO-Aggression nicht nur darauf abzielte, einen alten russischen Verbündeten zu schwächen, sondern dass die Unterstützung für die kosovarischen Separatisten auch Sezessionsbewegungen in Russland aufstacheln sollte - mit dem Ziel, nach der Sowjetunion nun auch Russland endgültig zu zerschlagen. Tatsächlich intensivierte nach dem Kosovo-Krieg die Bundesrepublik ihre Aktivitäten zugunsten völkischer Abspaltungskräfte in Russland (german-foreign-policy berichtete [6]). Die akute Bedrohung durch den Westen sei eine der Hauptursachen für die Entscheidung in Moskau gewesen, Wladimir Putin den Weg zur Macht zu ebnen, urteilt Stratfor. Putin habe sich tatsächlich besonders auf die Konsolidierung des russischen Staates konzentriert. Russlands Gegenoffensive Stratfor beschreibt das Auf und Ab des vergangenen Jahrzehnts, in dem der Westen sich zusätzlich zur Unterstützung innerrussischer Sezessionsbewegungen bemühte, in Russlands Nachbarstaaten "etwas demokratischere, gewiss aber prowestlichere und proamerikanischere Regierungen" an die Macht zu bringen.[7] Sämtliche Alarmglocken hätten in Moskau geschrillt, als Ende 2004 die "Orangene Revolution" auch in Kiew prowestlichen Kräften zum Durchbruch verhalf: Würde die Ukraine der NATO beitreten, könne sich Russland "nicht mehr verteidigen", urteilt Stratfor. Putin habe deshalb massiv gegenzusteuern versucht - und kurz nach der völkerrechtswidrigen Abspaltung des Kosovo mit dem Sieg im Georgisch-Russischen Krieg vom August 2008 einen wichtigen Erfolg erzielt. Es sei Moskau damit gelungen, einen US-Klienten niederzuwerfen und ihm die Bedingungen für den Frieden zu diktieren. Dadurch sei vor allem erkennbar geworden, dass US-Sicherheitsgarantien für Russland kein unüberwindliches Hindernis darstellten. Stratfor beschreibt weiter, wie Moskau seit 2008 seine weltpolitische Stellung weiter zu konsolidieren versuchte - gerade auch durch eine intensive Kooperation mit Staaten, die auf einer gewissen Eigenständigkeit gegenüber dem Westen bestehen. Zu diesen zählte auch Syrien. Im Bogen der jüngsten Geschichte Genau dort werde nun - neben anderen Rivalitäten - auch der weltpolitische Machtkampf zwischen Washington und Moskau weiter ausgefochten, schreibt Stratfor. Gelinge es dem Westen, Bashar al Assad zu stürzen, dann könne das in gewisser Weise als Revanche für die westliche Niederlage im Russisch-Georgischen Krieg 2008 gelten: Die Vereinigten Staaten könnten "demonstrieren, dass russische Bedenken keinerlei Bedeutung besitzen und dass Russland kein Gegenmittel hat, wenn die USA zu handeln beschließen".[8] Putins "größte Stärke" sei es gewesen, "die Illusion zu schaffen, dass Russland eine aufsteigende globale Macht" sei. Diese - ökonomisch wie militärisch keinesfalls gedeckte - Illusion stehe auch im Syrien-Krieg zur Debatte. Wirklich begreifen könne man die Bedeutung der russisch-amerikanischen Streitigkeiten über Syrien nur, wenn man sie vor diesem Hintergrund betrachte - "im Bogen der jüngsten Geschichte vom Kosovo 1999 über Georgien 2008 bis dorthin, wo wir heute stehen". Dieser Machtkampf bildet einen Rahmen, in dem sich auch die deutsche Syrien-Politik bewegt. Weitere Informationen und Hintergründe zur deutschen Syrien-Politik finden Sie hier: Schmuggelkontrolleure, The Day After, The Day After (II), Verdeckte Kriegspartei, The Day After (III), The Day After (IV), Im Rebellengebiet, Die Islamisierung der Rebellion, Im Rebellengebiet (II), Im
Posted on: Thu, 26 Sep 2013 20:09:29 +0000

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