Geschichten aus dem Kosovo Krieg „Ich habe nicht die Kraft in - TopicsExpress



          

Geschichten aus dem Kosovo Krieg „Ich habe nicht die Kraft in die Heimat zurückzukehren“ „ – Ich weiß heute noch nicht, wie viele Tage vergangen sind, seit die serbische Polizei hereingestürmt kam. Ich hatte solche Angst, aber ich überlebte und uns passierte nichts. Sie gaben uns drei Minuten, um das Haus zu verlassen und wir gingen. Als wir in Peja ankamen hielt uns die Polizei zum wiederholten Male an und die Polizisten verlangten für jede Person 50 DM, damit sie uns erlaubten unbehelligt nach Albanien zu gehen. Wir hatten nur 200 DM, waren aber neun Personen. Wer würde davonkommen? Wen würden sie nicht weiterlassen? Wir fragten uns still, während mein Vater ihnen das Geld gab und ihnen sagte, dass wir neun Leute sind. Sie sahen uns an und nachdem sie Mutter und mir die Ringe von den Fingern nahmen, ließen sie uns passieren. Am Ausgang von Peja hielt uns eine andere Gruppe von Polizisten an. Auch sie wollten Geld und hätten uns ansonsten nicht weiter ziehen lassen, hätte eine Familie aus Gllogjan ihnen nicht 200 DM gegeben. Wir liefen los. Einige Meter weiter hatte die Polizei die Kolonne, die sich bis zur Grenze zog, angehalten. Es waren Menschen aus den Ortschaften um Ferizaj, Suhareka, Rahovec, Prizren, Malisheva und wahrscheinlich auch Gjakova. Die Polizei ließ niemanden ohne Kontrolle durch, und wir mussten derweil auf der Straße warten. Es war nicht sehr heiß, aber dennoch schwer dort zu verharren. Wir hatten weder Wasser noch etwas Essbares. Die Polizei gestattete es uns nicht weiter zu gehen oder zurück zu kehren, sie erlaubte uns nicht einmal zu sitzen. Über elf Stunden lang standen wir da auf den Beinen und aneinander gelehnt. Die Dunkelheit fiel über das Land, als sich die Kolonne langsam in Bewegung setzte. Wir waren sehr müde, aber trotzdem hofften wir es lebendig nach Albanien zu schaffen. Es war ein langer Weg und es wurde noch schwerer, da ein heftiger Regen einsetzte und der Morgen sehr kalt war. Die müden Kinder fingen an zu weinen und die Polizei wurde immer wilder. Wie es schien, waren ihre Kameraden irgendwo gefallen. Wir hatten noch zwei bis drei Kilometer zur Grenze und als wir an dem Schlagbaum ankamen, fingen die Polizisten wieder an uns zu kontrollieren. Sie fassten unsere Körper an, schlugen die Männer und wollten Geld von ihnen. Doch wir hatten kein Geld. Als sie anfingen meine 12-jährigen Brüder zu schlagen, entwischte ich dem Polizisten, der mich festhielt, und schmiss mich über meinen Bruder. Ich wollte ihm wenigstens einen Hieb abnehmen. Er ist der einzige Bruder nach neun Schwestern. Der Polizist, der ihn schlug, zerrte mich an meinen langen Haaren und drehte mich in Richtung des Hauptpolizisten, der mir in Anwesenheit der Kolonne mit der Spitze eines Messers die Kleider auszog. In Anwesenheit meines Vaters, meiner Mutter, meines Ehemannes und meiner Kinder zog er mir alles aus. Die Kinder weinten laut, aber ihnen erging es nicht besser. Mich zog der Hauptpolizist zu ihrem improvisierten Unterschlupf in der Nähe der Strasse. Sie schmissen mich auf den Tisch und fesselten meine Hände an diesem Tisch, den sie offenbar nur zum Zweck der Vergewaltigung albanischer Frauen hergerichtet hatten. Als er sich an mir verging, stieß ich mir den Kopf gegen den Tisch und die serbischen Polizisten lachten und unterhielten sich, als wären sie bei einem Spektakel anwesend. All das konnten meine Verwandten und die ganze Kolonne, die vorbeizog, sehen. Wie im Traum erinnere ich mich daran, dass sie meiner Familie befahlen weiter zu laufen. Heute noch höre ich in meinem Kopf das Echo meiner Mutter, die ohne mich nicht weitergehen wollte. Man weiß bis heute nicht wo sie geblieben ist. Ich kann mich erinnern, dass sie mir während der Vergewaltigung mehrmals mit der Gewehrschulterstütze auf den Kopf schlugen. Ich weiß nicht wer und wie man mich nach Kukës brachte, aber ich weiß, dass ich dort viele Schreie hörte und viel Durcheinander wahrnahm. Es gab dort viele Hilferufe anderer vergewaltigter Frauen. Im Krankenhaus von Tirana lag ich 19 Tage. Sechs Tage lang verbrachte mein Mann an meinem Krankenbett, aber ich erkannte ihn nicht. Durch die Schläge erlitt ich eine vorübergehende Amnesie. Aus dem Koma holte mich nur die Stimme meiner 5-jährigen Tochter, die ständig weinte und schrie, weil ich nicht mit ihr sprach. Sogar die Ärzte waren überrascht. Heute besitze ich nicht die Kraft dorthin zurück zu kehren, wo ich früher mit meinem Mann und meinen Kinder gelebt habe. Ich kann nicht einmal in meine Heimat zurückkehren, weil mir dazu die Stärke und der Mut fehlen. Ich schäme mich für das, was mir widerfahren ist. Hunderte meiner Dorfnachbarn haben es gesehen. Ich habe das Glück gehabt, dass mein Mann Verständnis gezeigt hat, aber auch heute noch lebe ich mit zwei Wunden, die nicht heilen werden. Ich lebe mit der Wunde, die durch den Verlust meiner Mutter bewirkt wurde, und mit der Wunde der Vergewaltigung, die schlimmer als der Tod ist.“, sagte D. R. aus einem Dorf nahe Peja am Ende der Aussage
Posted on: Sat, 02 Nov 2013 21:14:21 +0000

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