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Hier die festrede für Andreas Gruber, den Ehrengast des 4. Österreichischen Kinoballs. Fotos vom Ball werden folgen! Univ. Prof. Dr. phil habil. Wolfgang Müller-Funk Laudatio zum Heinrich-Gleißner Preis 2013 an Andreas Gruber Montag 18.11. 2013, Landhaus Linz Lieber Andreas Gruber, werte Festgäste! Bekanntlich beginnt die Verlegenheit beim Schreiben damit, wie man anfangen soll, was man zuerst sagen muss, was man vielleicht später vorzubringen hat und wie man enden wird. Das spielt bei Erzählungen eine Rolle, aber auch bei Textformaten wie einer Festrede, die zwar zwangsläufig und oft auch untergründig erzählerische Momente enthält, aber nicht eo ipso narrativ ist. Eine Erzählung ist, wie Peter Henisch einmal geschrieben hat, eine Bewegung einer Figur im Raum. Fragt sich nur in welchem. Ich beginne vielleicht doch mit dem Erzählen, schon deshalb, weil dann Figuren ins Blickfeld rücken, in unserem Fall also die Hauptfigur der heutigen Feier und sozusagen randständig, die periphere des Erzählers. Wie alles Erzählen ist auch dieses tri-pronominal, das heißt alle drei Pronomina sind, wie die Kulturtheoretikerin und Filmemacherin Mieke Bal meint, im Spiel des Erzählens strukturell vorhanden: ich, du und die Trinität des er-sie es. Erzählen heißt etwas oder über jemand berichten, erzählen heißt aber auch immer jemand etwas mit-teilen. Erzählen ist im Film wie in der Festrede, die Sie gerade hören, ein dialogischer Prozess durchaus im Sinne Martin Bubers, einem der Lieblingsautoren des heute Honorierten. Also wie haben wir uns kennengelernt? Ich beschränke mich auf zwei Episoden. Langsam, vorsichtig und aus der Distanz sind wir uns näher gekommen, und jedes Mal war es eine Anfrage des Filmemachers an den Theoretiker, eben jenen, der zum Beispiel ein Buch Die Kultur und ihre Narrative geschrieben hat. Und das Erzählen ganz generell, nicht nur der Sprechakt, das, was im Film nicht ohne Vorbehalt häufig als voice off oder voice over oder als Teil des Filmdialogs aufscheint, ist damit gemeint, vielmehr geht es um die Funktionen des Erzählens: um Wertsetzung, Sinngebung, Erinnerung, Vorgriff, Identitätsstiftung. Nicht zuletzt ist visuelles Erzählen das, was Gruber in einem seine Arbeit und Intentionen reflektierenden Aufsatz hintersinnig als Weltanschauung bezeichnet, womit eben nicht dogmatische Fixierung sondern die Erzeugung von Anschaulichkeit gemeint ist. Oder um es mit eigenen Worten zu sagen, Erzählen ist immer schon Interpretation von Alltag, Lebenswelt oder des Feldes des Politischen, das im filmischen Oeuvre von Andreas Gruber eine unverkennbar bedeutsame Rolle spielt und in eine spezifische Form von Bewusstheit rückt. Diese – sagen wir einmal - konzeptuelle Interessensüberschneidung zwischen uns, dieser gemeinsame Fokus brachte mir eine im übrigen fast schon Tradition gewordene Einladung an die renommierte Münchner Hochschule für Fernsehen und Film ein, in der ich Dich, Andreas, in einer anderen Rolle kennenlernen durfte als in der des anerkannten und unverwechselbaren Filmemachers und Drehbuchschreibers; ich beziehe mich natürlich hier auf die Rolle des hoch motivierten Lehrers, der um die Notwendigkeit handwerklicher Vermittlung weiß und der glaubwürdig ausstrahlt, dass er die Menschen, von denen es einige vielleicht auch so weit bringen werden wie der Regisseur der Hasenjagd. Eine der wichtigsten Bedingungen des Unterrichtens ist eben jene eigene Begeisterung, die sich auf Schüler und Schülerinnen übertragen kann. Und noch ein Detail aus dem persönlichen Bereich möchte ich erzählen, wiederum war es eine Anfrage diesmal zu einem Interview für ein Fernseh-Feature über den Kapitalismus (2008), aber nicht über seine problematischen sozialen, gesellschaftlichen und politischen Dimensionen, sondern über seine hintergründige, oft uneingestandene Faszination: Der Titel Der Kurssturz des goldenen Kalbes auf der Grundlage des Fragments von Walter Benjamins „Kapitalismus als Religion“ beschreibt genau den Blickwinkel und die Stoßrichtung dieses Film-Essays. Was ich bemerkenswert finde, dass sich ein, salopp formuliert, gesellschaftskritischer Filmemacher auf den Spuren Benjamins für eben diese religiöse Dimension interessiert, was doch bedeutet, dass man von Religion etwas verstehen muss – das ist durchaus nicht selbstverständlich, vor allem dann nicht, wenn man die institutionalisierte Religion, die Kirche, doch zumeist als Produzentin von Enge erlebt hat. Spuren davon finden sich übrigens auch in dem überaus anspruchsvollen und ambitionierten Film von 1997 Die Schuld der Liebe, in der ein Geistlicher über den toten Vater der Heldin sagt, dieser wäre wohl nicht Priester geworden, weil er nicht ängstlich war. Aber in dem Filmessay über Kapitalismus als Religion geht es nicht so sehr um das Phänomen der Angst etwa im Sinne Kierkegaards, sondern vielmehr um eine immanente Glücksverheißung, um Rituale, deren religiöse Strukturen unverkennbar sind, die aber immanent geworden sind. Ich glaube, das ist auch der tiefere Grund dafür, dass Andreas Gruber sich in einem sehenswerten Film mit der Figur von Kardinal König einfühlsam, respektvoll, aber nicht liebedienerisch auseinandergesetzt hat. Ein gewisser Sensus für das Religiöse gehört dazu- man muss dabei keineswegs religiös, jedenfalls nicht traditionaliter, sein. Es setzt ein Maß an Differenzierungsvermögen voraus, das bei der narrativ aufgebauten filmischen Weltanschauung durchaus relevant ist. Dass ich heute zu Dir, Andreas, und zu Ihnen, liebe Festgäste spreche, ist das Ergebnis einer weiteren ehrenvollen Aufgabe, einer direkten und unkompliziert formulieren, aber doch immer auch delikaten Einladung- übrigens für beide Seite des dialogischen Prozesses. Das hat dazu geführt, dass ich letzte Woche das kleinstmögliche Andreas Gruber-Filmfestival organisiert habe, in der Höhle meines Hauses, um mir eben das Filmwerk des oberösterreichischen Filmemachers nochmals und einiges erstmals einzuverleiben, zu hinterfragen und auf seine Wirkung auf mich zu befragen. Der einzige Besucher dieses Filmfestivals war selbstredend zunächst einmal der eingeladene und so verpflichtete Festredner. Aber so ein Filmfestival mit umfangreicherem Publikum hätte durchaus Charme und ich möchte meine privilegierte Position heute dazu nutzen, diesen Vorschlag ins Gespräch zu bringen, ihn zu ventilieren. Denn schließlich ist das, was man die erstaunliche internationale Präsenz des österreichische Films der 1990er Jahren nennen könnten (eben seit Filmen wie Die Hasenjagd), nicht das Werk eines bzw. einer einzelnen oder einzigen, sondern ein kollektives Phänomen. Es sind rund ein Dutzend von Regisseuren und Regisseurinnen, die dem österreichischen Film nach jahrzehntelanger Bedeutungslosigkeit einen Namen gemacht, ihm ein unverwechselbares Profil verschafft und ihn über die Grenzen der Republik hinaus bekannt gemacht haben. Dabei spielte das Thema der gar nicht mehr so jungen, aber bis anhaltenden schrecklichen Vergangenheit des Dritten Reiches eine maßgebliche und einschneidende Rolle, die Schrecklichkeit der Ereignisse ebenso wie die so verständlich wie anstößige kollektive Abwehr ihrer Erinnerbarkeit, die das Schreckliche in gewisser Weise reproduzierte. Kunst, Literatur oder Film, sind – das ist wenigstens meine Auffassung der Dinge - nicht Abbilder der Wirklichkeit. In Umkehrung eines Marx-Zitates heißt es bei Lion Feuchtwanger, dem Weggefährten von Bert Brecht, dass die Welt anders zu interpretieren bedeutet, sie zu verändern. In diesem Sinne haben die Literatur der 1970 und 1980er Jahre und der Film der 1990er die österreichische Wirklichkeit bleibend verändert. Kunst macht Vorgaben, Kunst greift vor und Kunst macht in ihrer Verfremdungsfunktion gesellschaftliche, politische, soziale und kulturelle Wirklichkeit bewusst. 1994 einen Film vorzulegen, der die nicht nur individuellen, sondern auch kollektiven Verstrickungen der eigenen Landsleute diesen selbst >vorführteauthentisch
Posted on: Tue, 19 Nov 2013 17:10:07 +0000

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