Katastrophenhilfe am Ende Wohin mit 467 Paar Schuhen, 896 - TopicsExpress



          

Katastrophenhilfe am Ende Wohin mit 467 Paar Schuhen, 896 Kinderklamotten und 1796 Paar Socken? Diese und viele Fragen mehr stellt sich Julia Geßwein. Die 23-Jährige arbeitet seit Juli für die Projektgruppe „Ziviles Katastrophen Hilfswerk“ (ZKHW) und erledigt deren Pressearbeit, Buchhaltung und Organisation. Die Gruppe hat sich beim diesjährigen Hochwasser aus dem Fluthilfezentrum Sachsen entwickelt und wird vom Förderverein des Technischen Hilfswerkes (THW) Dresden getragen. Jetzt steht deren Arbeit jedoch vor dem Aus. Bis Montag müssen Julia Geßwein und die rund 20 ehrenamtlichen Helfer des Projektes die bisher genutzten Räume in der Leipziger Straße 50 verlassen haben. „Der Eigentümer hat neue Mieter für das ehemalige Zoofachgeschäft gefunden“, erklärt die junge Frau. Unzählige Kartons mit Schuhen, Kinderklamotten, Socken und weiteren Hilfsgütern müssen gepackt, abtransportiert und eingelagert werden. Die Büroeinrichtung samt Telefonen und Computern auch. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagt Julia Geßwein und setzt sich erschöpft auf eine der Umzugskisten. Ihre Enttäuschung und Hilflosigkeit kann sie kaum verbergen. Eine neue Bleibe für die Hilfsgüter und ihre Arbeit haben Geßwein und ihre Mitstreiter trotz aufwendiger Suche nicht gefunden. Weniger, weil es die leer stehenden Räume nicht gibt. Vielmehr, weil das Geld für die Miete fehlt. Die Nebenkosten könnte die Gruppe noch abdecken. „Wir haben uns bisher ausschließlich über Spenden finanziert“, erklärt Julias „Chef“ Helge Schönlebe, der hauptberuflich bei der Stadtfeuerwehr Dresdens arbeitet. Aber nun gehen diese Spenden zur Neige. „Wir können Julia, unsere einzige Angestellte, nur noch bis Mitte November bezahlen“, sagt er. Danach ist sie arbeitslos. Für Schönlebe und sein Team steht noch mehr auf dem Spiel. „Unser Ziel ist es, eine bundesweite Struktur aufzubauen, damit im Notfall freiwillige Hilfe unabhängig vom professionellen Katastrophenschutz koordiniert und geleistet werden kann“, erklärt er. Erste Kontakte sind bereits geknüpft. Schließlich habe sich beim Hochwasser im Juni gezeigt, dass genau das fehlt. Nicht nur in Dresden, sondern in ganz Deutschland. „Wir wussten beispielsweise von den Internet-Netzwerken, wo es freiwillige Helfer gab“, erzählt Schönlebe. Die ZKHW-Gruppe konnten diese vermitteln. Als Beispiel nennt er die Aktion an der Raststätte „Dresdner Tor“. Dort wurden Sandsäcke für andere vom Hochwasser betroffene Orte befüllt. Auch um Aufrufe, in denen um Hilfsgüter für Hochwasser-Betroffene gebeten wurde, hat sich die ZKHW-Gruppe gekümmert. „Die Resonanz war so enorm, dass wir unsere Zentrale im Dynamo-Stadion aufschlagen mussten“, so Schönlebe. Da stieß auch Julia Geßwein zu der Truppe. Sie hatte einen frischen Abschluss zur Hotelassistentin in der Tasche. Doch der ehrenamtliche Hilfseinsatz war ihr wichtiger als eine Karriere im Hotel. Im Juli musste das Stadion jedoch geräumt werden, da der Spielbetrieb begann. Viele Hilfsgüter wurden in vier große Übersee-Container verpackt und auf dem Gelände des THW in der Fabricestraße abgestellt. Glücklicherweise ermöglichte das Dresdner Immobilien-Unternehmen Wolf & Partner zu der Zeit, dass die Gruppe kostenlos die Räume in der Leipziger Straße 50 nutzen kann. Inzwischen hat sich die Euphorie über ihre erfolgreiche Arbeit gelegt. Mündlich zugesagte Hilfe von Stadt und Politikern blieb aus. „Aktuell gibt es keine Unterstützung oder Förderung für uns. Auch werden die Anträge noch bearbeitet“, erklärt Geßwein. Selbst die Stadt Dresden hält sich vornehm zurück. Im September hatte sich die Gruppe in einem Brief an den Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel gewandt und um die Bereitstellung von Räumen gebeten. „Schließlich hat die Stadt mehrere Objekte, die schon lange leer stehen“, sagt Julia Geßwein und nennt als Beispiele die ehemalige Rettungswache in der Braunsdorfer Straße oder die ehemalige Bibliothek in der Rehefelder Straße. Doch Sittel erteilte der ZKHW-Gruppe eine Absage. „Leider ist auf der Grundlage der bisher zur Verfügung stehenden Informationen nicht ersichtlich, wie sich eine Förderung Ihres Projektes einordnen lässt“, antwortet er. Für Schönlebe und seine Gruppe ist das ein Schlag ins Gesicht. „Ich sehe doch, wo woanders in der Stadt sinnlos Geld verbraten wird“, sagt er dazu. Aber so ganz ohne steht sein Team doch nicht da. Wissenschaftlich wird das Vorhaben bereits vom Fraunhofer Institut unterstützt. Spezialisten entwickeln eine Software für die Koordination im Katastrophenfall. Parallel dazu soll eine App für jedermann in Betrieb gehen, über die nicht nur Hilfe angefordert, sondern auch angeboten werden kann. „Viele Firmen haben uns bisher geholfen“, sagt Schönlebe. So bekamen sie eine Aufklärungsdrohne von der Firma Hexa Pilots im Wert von 12000 Euro zur Verfügung gestellt. Damit diese und weitere Hilfsgüter, darunter 250 Kilogramm Waschmittel, über 1000 Liter Reinigungsmittel, Einsatzschutzkleidung und -gerät, sicher und trocken gelagert werden können, braucht die Gruppe ein Lager samt Büro. „Egal ,wo und, wenn möglich, schnell“, sagt Julia Geßwein. Denn das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Ob dann die junge Frau noch helfen kann, ist völlig offen. Quelle: Sächsische Zeitung vom 02.11.2013 Von Kathrin Kupka-Hahn Foto: Jörn Haufe
Posted on: Sat, 02 Nov 2013 11:58:19 +0000

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