Längstes Gedenken! Erinnerung, Gedenken, Gedächtnis ... Pietät ist Ausdruck von Kultur. Eine Gesellschaft ohne Pietät und ohne Riten ist eine kulturlose Gesellschaft. Das Parlament als Repräsentant gesellschaftlicher Werte will Ausdruck auch dieser Kultur sein. Und weil nun einmal Parlament von „parlare“ kommt, von reden, sind Gedächtnisveranstaltungen im Parlament erstens zahlreich und zweitens sehr „parlati“. Ich sage: zerredet. Jeder einigermaßen bekannte verstorbene Parlamentarier, Altparlamentarier und sonst halt Verdienstvolle erhält seine Würdigungsrede: zuerst von der Kammerpräsidentin, dann von mindestens je einem Sprecher der Fraktionen, dann erheben sich die Parlamentarier zu einer Schweigeminute (die wirklich eine geschlagene Minute, also eine Ewigkeit, dauert, und schließlich – das war mir neu und kommt mir wenig passend vor – wird Beifall geklatscht. Wem? Weiß ich nicht. In diesem Moment wird der Tragödie von Vajont gedacht: der 1.950 Menschen, die in der Nacht des 9. Oktober 1963 bei dem Stausee-Unglück in unserer Nachbarprovinz Belluno ums Leben gekommen sind. 50. Jahrtag einer Jahrhunderttragödie. Alle haben schon gesprochen, jetzt spricht der zuständige (Infrastruktur-)Minister Maurizio Lupi. Alle schwörend, dass solches nie mehr passieren wird: Vajont nicht, Lampedusa nicht, Kreuzschiff Concordia nicht, der jeweils letzte Frauenmord nicht. Gedenken ist wichtig. Und Gedenktage müssen begangen werden. Aber soviel leere Reden? Soviel geheuchelte Anteilnahme? Soviel Inflation von Gedenkanlässen? Soviel Vermischung von wirklicher Bedeutung und schlicht Eitelkeit der Bedachten? In diesem Moment wird des verstorbenen Sozialisten Pietro Lezzi, Abgeordneter der 14. Legislatur gedacht (momentan befinden wir uns in der 17. Legislaturperiode). Die Präsidentin sprach schon. Jetzt spricht der zweite der wenigen überlebenden Sozialisten.
Posted on: Tue, 08 Oct 2013 14:48:12 +0000