Marcel Reich-Ranicki lebt nicht mehr. Diese Gestalt war so kolossal, so beherrschend, dass es wohl niemandem, der in Deutschland Literatur liebt, in den letzten Jahrzehnten vollständig möglich war, an Reich-Ranicki vorbeizukommen. Man MUSSTE Stellung beziehen zu dem, wie er seinerseits Stellung bezogen hat, in der einen oder der anderen Weise. Ein Mann von scharfem Durchblick, bei aller späten Altersweisheit doch weiterhin klar und ungetrübt in seinem Urteil. Es gibt Menschen, die so groß sind, dass die Frage, ob sie fehlen werden, gar nicht erst aufkommen kann. Wir können sagen: Niemand ist ersetzbar. Doch es wird nie wieder dasselbe sein. Ich persönlich habe vor allem - und in letzter Zeit verstärkt - seine Ermahnung zur Lektüre Historischer Romane im Kopf. Wir sollen keine Historischen Romane lesen, um etwas über eine andere Zeit zu erfahren. Über diese Zeit können ausschließlich die Überreste dieser Zeit selbst Auskunft geben. Historische Romane, so gut sie recherchiert sein mögen, geben doch nur Auskunft über den Blick des Autors auf diese Zeit - und als Mehrwert möglicherweise über seine, des Autors, eigene Epoche. Diese Mahnung habe ich im Herzen und bemühe mich danach zu handeln so gut ich kann. Ich bin so exakt wie möglich - das bin ich den Menschen der vergangenen Epoche schuldig. Und ich bemühe mich um einen steten, auch humorvollen Abstand zum Geschehen. Denn das können wir aus dem Leben dieses großen Mannes lernen: Humor ist eine Lebenseinstellung. Mit ihrer Hilfe lässt sich auch unter widrigsten Umständen das pure Überleben in ein neues, bereicherndes Leben verwandeln.
Posted on: Wed, 18 Sep 2013 18:46:52 +0000
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