Morbus Hirschsprung Was ist „Morbus Hirschsprung“? „Morbus - TopicsExpress



          

Morbus Hirschsprung Was ist „Morbus Hirschsprung“? „Morbus Hirschsprung“ ist eine angeborene Fehlbildung, die den Enddarm betrifft. Es gibt weitere Bezeichnungen für Morbus Hirschsprung (im folgenden mit MH bezeichnet), die den Sachverhalt nicht immer richtig treffen, z.B. congenitales Megakolon oder Hirschsprung-Krankheit. Im angloamerikanischen Raum wird MH als HSCR bezeichnet. Benannt wurde MH nach dem Kinderarzt Harald Hirschsprung, der die Symptome 1888 erstmalig auf einem Kongress beschrieb und sie seinerzeit Megakolon congenitum nannte. MH gehört zu den seltenen, angeborenen Erkrankungen und kommt mit einer Häufigkeit von 1:3.000 – 5.000 vor. Das heißt, in Deutschland wird ca. jeden zweiten bis dritten Tag ein Kind damit geboren. Jungen sind bis zu viermal häufiger betroffen als Mädchen. Kennzeichnend für MH ist, dass in einem unterschiedlich langen Teil der Darmwand sowie im inneren Schließmuskel die Nervenzellen fehlen. Hierdurch fehlt dem Darm die Schiebebewegung (Peristaltik), um den Stuhl in Richtung Mastdarm und Darmausgang (Anus) zu transportieren. Der Darminhalt staut sich vor dem Abschnitt, in dem die Nervenzellen fehlen, auf und der Dickdarm dehnt sich deshalb aus. Die Folge kann dann ein sogenanntes Megakolon (ein Riesendarm) sein. Äußerlich zeigt sich häufig ein sehr dicker und aufgeblähter Bauch. Wie entsteht „Morbus Hirschsprung“ und wo genau? Durch eine Störung in der Embryonalentwicklung (4.-12. Schwangerschaftswoche; Angaben schwanken) fehlen in der Darmwand auf einem unterschiedlich langen, letzten Stück des Darms Nervenzellen. Das Stück Darm, in dem die Nervenzellen oder auch Nervenzellenbündel (Ganglien) fehlen, beginnt immer am Darmausgang und reicht von dort nach oben. Das nicht funktionierende Stück bezeichnet man als nervenzellenfreies (aganglionäres) Segment; man spricht von einer Aganglionose. Ist Morbus Hirschsprung erblich, gibt es Begleitfehlbildungen? Es wird heute allgemein davon ausgegangen, dass bei den meisten Fällen von Morbus Hirschsprung genetische Faktoren eine Rolle spielen. Das Risiko nach einem Kind mit MH ein zweites Kind mit der gleichen Erkrankung zu bekommen, liegt bei 4 %. Je länger das Darmstück ohne Nervenzellen ist, desto höher ist das Risiko der Vererbung auf eigene Kinder. MH tritt auch vermehrt bei Patienten mit folgenden Syndromen zu beobachten: Trisomie 21 (Down-Syndrom); Undine-Syndrom; Shah-Waardenburg-Syndrom; Mowat Wilson-Syndrom. Außer bei den genannten Syndromen sind Begleitfehlbildungen eher selten. Was sind die Auswirkungen von Morbus Hirschsprung? Bei einem gesunden Darm koordinieren die Nervenzellen und Nervenzellenbündel in der Darmwand das wechselnde „weit Stellen“ und „eng Stellen“ des Darms. Sie sind sozusagen die Schaltstellen für diese Wechselfunktion. Diese Muskeltätigkeit des Darms (Peristaltik) ermöglicht den Weitertransport des Darminhaltes. Er wird so vom eng gestellten Darmstück in das nächste weit gestellte Darmstück transportiert, bis er schließlich in den Enddarm gelangt und von dort entleert werden kann. Fehlen nun - wie beim MH - die Nervenzellen im Darm, kommt es in dem betroffenen Abschnitt zu einer Engstellung, einer sogenannten funktionellen Stenose. Das „weit Stellen“ findet nicht statt. Der Darminhalt kann nicht oder nur in geringen Mengen weitertransportiert werden und kann den betroffenen Darmabschnitt kaum oder gar nicht passieren. Der Darminhalt staut sich also vor der eng gestellten Stelle, dem nervenzellenfreien Darmabschnitt der auch „enges Segment“ genannt wird, auf. Dadurch weitet sich der davor liegende Darmabschnitt aus, was zu einer riesigen Darmerweiterung, dem sogenannten Megakolon führen kann. Welche Symptome deuten auf einen Morbus Hirschsprung hin? Da es sich um eine angeborene Fehlbildung handelt, sollte MH eigentlich im Neugeborenenalter diagnostiziert werden können. verzögerter Abgang des Kindspechs (Mekonium) beim Neugeborenen stark aufgeblähter Bauch Es liegt ein funktioneller Darmverschluss (Ileus) vor; das Neugeborene kann gar kein Kindspech abführen, ggf. zusätzlich galliges Erbrechen. Es liegt eine Gedeihstörung vor. starke Dickdarmerweiterung mit Überwucherung durch Bakterien (toxisches Megakolon): Dies kann zu einer akuten Darmentzündung (=Enterokolitis) führen. Es ist möglich, dass alle Symptome nur schwach ausgeprägt sind oder keines dieser Symptome unmittelbar nach der Geburt so auffällig oder erkennbar ist, dass die Diagnose MH nicht gestellt wird. Augenscheinlich ist das Kind gesund. So kann es sein, dass Sie mit Ihrem Baby entlassen werden, ohne von der Erkrankung zu wissen. Solange Ihr Baby gestillt wird, ist der Stuhl in der Regel dünn, kann also leichter vom Darm transportiert werden. Eine tägliche Entleerung ist bei Stillkindern auch nicht immer vorhanden. Somit fallen unregelmäßige Entleerung und Verstopfungsneigung nicht sofort auf. Allerdings kommt es dann spätestens bei der Nahrungsumstellung zu Problemen, wenn ein MH vorliegt. Folgende Merkmale treten meist ab Nahrungsumstellung auf: ständige starke Verstopfung (Obstipation): Die Stuhlentleerung erfolgt nur jeden 2. - 3. Tag oder noch seltener; es gibt keine beschwerdefreie Zeit dazwischen. Stuhlentleerung erfolgt nur mit Hilfsmitteln (z.B. Einläufen) oder nach Manipulation am Anus (mittels Thermometer oder Finger). Wird ein Thermometer oder Finger eingeführt, kommt es unter Umständen zu einer explosionsartigen Entleerung. Der entleerte Stuhl ist sehr hart oder auch zähpastig, zwischendurch aber auch flüssig, und stinkt stark. Der Bauch ist aufgeweitet und gebläht (Hinweis auf Megakolon). Der Allgemeinzustand des Kindes ist schlecht, es erbricht oder verweigert die Nahrungsaufnahme, es gedeiht nicht. Achtung: Hier besteht auch die Gefahr einer Dehydration (Austrocknung). Achtung: Es kann sich im stuhlgefüllten, gedehnten Darm eine Entzündung der Darmwand entwickeln (Enterokolitis) bis hin zu einer schweren Blutvergiftung (Sepsis), evtl. mit lebensbedrohlichem Kreislaufzusammenbruch. Wie diagnostiziert man einen Morbus Hirschsprung? Ausführliches Gespräch über die Vorgeschichte des Patienten (Anamnese) und körperliche Untersuchung Abtasten des Bauches, z.B. gebläht, vorgewölbt, harte Stuhlballen tastbar, erweiterte Dickdarmabschnitte eventuell tastbar rektale-digitale Untersuchung: Der Arzt untersucht mit dem Finger den Darmausgang und den Enddarm. Ultraschall des Bauchraums (Sonogramm Abdomen): Der erfahrene Arzt kann mit einem geeigneten Ultraschallgerät erkennen, wie gefüllt der Darm ist, wo Aufweitungen vorliegen oder ob Peristaltik vorhanden ist. Enddarmdruckmessung (Rektummanometrie): Diese Untersuchung kann manchmal Rückschlüsse über die Funktion des Schließmuskels (Sphinkters) geben bzw. über die Möglichkeit des inneren Sphinkters, sich zu entspannen. Bei Neugeborenen ist das Ergebnis nicht eindeutig. Bei älteren Kindern kann das Ergebnis auch davon abhängig sein, ob das Kind kooperativ ist. Zudem ist die Methode stark Geräte- und Untersucher-abhängig. Röntgenaufnahme des Darms mit Kontrastmittel (Kolonkontrasteinlauf): Über einen Schlauch wird Kontrastmittel in den Darm eingebracht und der Darm anschließend auf dem Röntgenbild dargestellt. So soll das enge Segment und der stark erweiterte Abschnitt des Darms sichtbar gemacht werden. Allerdings ist die Untersuchungsmethode insbesondere dann „fehleranfällig“, wenn z.B. nur ein kurzes Stück Darm fehlgebildet bzw. aganglionär ist oder wenn bei Neugeborenen die typische Erweiterung des Darmabschnitts noch gar nicht stark ausgeprägt ist oder wenn das Kind vorher z.B. mit Einläufen entleert wurde. Diese Untersuchungsmethode liefert in maximal 75 % der Fälle ein richtiges Resultat und ersetzt in keinem Fall eine Biopsie. Gewebeentnahme aus der Darmwand/Darmschleimhaut per Biopsie über Rektoskopie oder unter direkter Sicht Bei der Biopsie unterscheidet man unterschiedliche Entnahme-Techniken, denen gemeinsam ist, dass Gewebeproben aus der Darmwand/Darmschleimhaut entnommen werden, die vom Pathologen mikroskopisch und mit speziellen histochemischen Tests auf das Vorhandensein von Nervenzellen und -fasern untersucht werden. Durch die Biopsie kann die Diagnose MH in der Regel gesichert oder ausgeschlossen werden. Jedoch sind hier die angewandte Technik der Biopsie und die Erfahrung des Chirurgen sowie des Pathologen von großer Bedeutung. Es gibt folgende Verfahren: Rektumbiopsie: Entnahme von Gewebe aus dem Enddarm durch den Anus mit Pinzette und Skalpell unter Sicht, unter Narkose im Operationssaal (wanddurchgreifende Biopsie) Laparoskopisch können Biopsien aus dem Muskelmantel des Dickdarms entnommen werden. Molekulargenetische Diagnostik: Hierbei wird in Blutproben nach bekannten Gendefekten geforscht, die bei MH von Bedeutung sind. Operation des MH Die Operationstechniken streben an, dass der Darmabschnitt, in dem keine Nervenzellen vorhanden sind, möglichst vollständig entfernt wird (Resektion). Anschließend wird der gesunde funktionierende Darm dann an das verbleibende kurze Stück des Enddarms angeschlossen (=Anastomose). Technisch und funktionell problematisch ist dabei, dass also auch im Bereich des alleruntersten Darmabschnitts bis zum Schließmuskel operiert werden muss. Der Schließmuskel selbst darf jedoch bei der Operation auf keinen Fall verletzt werden, um die Kontinenz zu erhalten. Die Herausforderung ist also, so nahe wie möglich an den Schließmuskel heranzugehen, um möglichst viel fehlgebildeten, nicht funktionierenden Darm entfernen zu können, ohne aber die Funktion des Schließmuskels zu beeinträchtigen. Ein künstlicher Darmausgang ist in unserer Klinik nur in Ausnahmefällen erforderlich. In unserer Klinik führen wir seit vielen Jahren die transanale endorektale Durchzugsoperation nach de la Torre durch. Hierbei wird vollständig durch den Anus und ohne Bauchschnitt operiert; die Anastomose erfolgt ebenfalls transanal. Liegt eine langstreckige Form des MH vor, muss manchmal zusätzlich laparoskopisch (minimalinvasiv) unterstützend mitoperiert werden. Was passiert nach der Operation? In der ersten Zeit nach der Operation haben viele Kinder zunächst häufigen und dünnen Stuhlgang (3-8X Tag) und bekommen deshalb einen wunden Po. Die Haut am Po reagiert dann sehr empfindlich und bedarf einer besonderen Pflege. Es muss eventuell für eine gewisse Zeit mit Medikamenten auf die Konsistenz des Stuhls Einfluss genommen werden. In den folgenden Wochen und Monaten ist auf eine ausreichende Stuhlentleerung zu achten. Die Häufigkeit des Stuhlgangs und die Konsistenz (dünn, geformt, …) normalisiert sich meist in einem Zeitraum von mehreren Monaten. Allerdings ist dies auch von der Länge des verbliebenen Restdarms abhängig. Auch wenn die Operation erfolgreich verlief, bleibt es wichtig, auf eine ausreichende Stuhlentleerung zu achten. Es besteht manchmal auch nach der Operation ein Problem, den Stuhl zu entleeren: weil die Kommunikation zwischen Enddarm und Schließmuskel, die für die Stuhlentleerung entscheidend ist, nicht perfekt funktioniert und weil der innere Schließmuskel auch nach der Operation eine „Öffnungsschwäche“ aufweisen kann. In unserer Spezialsprechstunde für Kinder mit anorektalen Fehlbildungen finden Sie engagierte und erfahrene Ärzte, die sich bemühen eine individuelle Lösung für die Probleme Ihres Kindes zu finden.
Posted on: Thu, 27 Jun 2013 09:43:07 +0000

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