Möglicher Verzicht auf Finanzministerium: Die SPD riskiert alles - TopicsExpress



          

Möglicher Verzicht auf Finanzministerium: Die SPD riskiert alles - und könnte doch gewinnen Eine Kolumne von Wolfgang Münchau Verzichtet die SPD auf das zweitwichtigste Amt nach dem der Kanzlerin, gäbe sie großen Einfluss bei der Umsetzung ureigener Ziele auf. Dennoch hat die Strategie der Sozialdemokraten einen gewissen Charme. Der Außenminister war einmal das zweitwichtigste Amt in der deutschen Regierung. Seitdem die Verantwortung für die Europapolitik in das Kanzleramt hinüberwanderte, ist der Außenminister ein politisch unwichtiger Chefdiplomat. Die wahre Macht sitzt im Finanzministerium. Der Chef des Ressorts hat nicht nur ein letztendliches haushaltspolitisches Vetorecht. Er ist auch Chefunterhändler aller Fragen, die mit dem Euro und der Euro-Krise zu tun haben. Die Kanzlerin gibt die Richtlinien vor, der Finanzminister und seine Kollegen machen den Rest. Hier geht es nicht um Kleingedrucktes, sondern um die wichtigen ökonomischen Fragen unserer Zeit. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble sind ein gut eingespieltes Team. Ich stimme mit ihrer Politik nicht überein, unterschätze aber nicht ihre politische Effizienz. Sollte die SPD auf dieses wichtige Amt verzichten und stattdessen andere Zugeständnisse fordern, etwa in der Sozialpolitik? Ich halte diese Position für nachvollziehbar, aber nicht ohne Risiko. Mit Peer Steinbrück hatte die SPD in den Jahren 2005 bis 2009 einen Finanzminister in einer Großen Koalition. Politisch genützt hat ihr das nicht. Auch nicht geschadet. Der Grund für die verlorene Wahl 2009 war der Zustand der Partei. In der Großen Koalition 1967 bis 1969 hatte die SPD nur das Wirtschaftsministerium inne - und stellte nach der Wahl 1969 den Bundeskanzler. Auch das war kein Grund für den Regierungswechsel 1969. Ob die SPD die nächsten Wahlen gewinnt, wird von vielen Faktoren abhängen - vom Finanzministerium wohl eher nicht. Das Risiko eines Verzichts auf das Amt liegt woanders. Es liegt darin, dass ein gut eingespieltes Team wie Merkel und Schäuble einen Informationsvorsprung hat. Auf internationaler Ebene haben Merkel und Schäuble die Verhandlungshoheit. So können sich Union und SPD zum Beispiel in den Koalitionsverhandlungen gut und gerne auf eine Finanztransaktionsteuer einigen. Die Entscheidung darüber fällt aber nicht Berlin, sondern der Europäische Rat in Brüssel. Wir hören jetzt, dass die Franzosen Muffensausen haben. Sie waren einst die lautesten Befürworter dieser Steuer. Doch jetzt fürchtet die französische Zentralbank einen immensen Schaden für den Finanzsektor. Das wäre in Deutschland im Übrigen nicht anders. Ich schätze, dass Merkel und Schäuble eines Tages aus Brüssel zurückkommen, mit der Schulter zucken und sagen: Tut uns leid, wir haben das Beste getan. Wenn die SPD auf das Amt des Finanzministers verzichtet, dann verliert sie die Hebelwirkung - auch für die Umsetzung politischer Ziele, auf die man sich schon in den Koalitionsverhandlungen im Prinzip geeinigt hat. Knallen wird es so oder so Es sprechen aus Sicht der SPD aber auch gewichtige Gründe dagegen, auf das Amt des Finanzministers zu bestehen. Zum ersten Mal interessieren sich die Spitzenpolitiker der SPD für dieses Amt nicht sonderlich. Sigmar Gabriel hätte wahrscheinlich eine ähnlich lange Lernkurve wie Guido Westerwelle im Außenministerium. Es ist nicht die beste Zeit dafür. Peer Steinbrück brauchte auch viele Jahre, bis er die ökonomischen Grundlagen der Währungsunion verstanden hat. Der zweite Grund liegt darin, dass die SPD es möglicherweise vorzieht, sich in Euro-Fragen hinter der Union zu verstecken. Wenn die SPD keine Euro-Bonds will und auch keine ambitionierte Bankenunion, dann spricht auch tatsächlich nicht viel dagegen, Wolfgang Schäuble nach Brüssel zu schicken. Man kam ihm schließlich einen SPD-Staatssekretär als Aufpasser an die Seite stellen. Trotz der politischen Nuancen, die es beim Euro tatsächlich gibt, ist die grobe Linie der SPD nicht viel anders als die der Union. Und beim Wähler wird man mit diesen Nuancen kaum punkten können. Wahrscheinlich ist es sogar aus taktischer Sicht besser, Merkel und Schäuble die Konsequenzen ihrer eigenen Politik verantworten zu lassen. Wenn es im Euro-Raum knallt, dann wird man sie in erster Linie verantwortlich machen. Und knallen wird es so oder so. Hält der Euro zusammen, kommt es unausweichlich zum Schuldenschnitt. Wenn nicht, knallt es irgendwo politisch, und der Euro bricht zusammen. Merkel und Schäuble werden dann irgendwann von ihrer eigenen Rhetorik eingeholt. Für die SPD mag es durchaus reizvoll sein, sich hier in zweiter Reihe aufzustellen und sich mit sozialpolitischen Reformen und Investitionsprogrammen zu profilieren. Die Große Koalition 1967 bis 1969 funktionierte unter anderem deswegen so gut, weil es zwischen dem Finanzminister Franz Josef Strauß und dem Wirtschaftsminister Karl Schiller eine gute Zusammenarbeit gab. Die SPD bräuchte einen Wirtschaftsminister der politischen Gewichtsklasse eines Schäuble. Der Erfolg der nächsten Großen Koalition wird stark davon abhängen, ob ihr das gelingt.
Posted on: Wed, 30 Oct 2013 17:19:01 +0000

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