Pfarrer Wolfgang Wagner 5. Sonntag nach Trinitatis 30.Juni - TopicsExpress



          

Pfarrer Wolfgang Wagner 5. Sonntag nach Trinitatis 30.Juni 2013 Predigt im Begegnungszentrum Pattaya über Galater 1, 11-24 Liebe Gemeinde ! Im Internet las ich über unser Begegnungszentrum folgenden Eintrag: „Ich gehe ins BZ weil das Essen dort sehr gut schmeckt und guenstig ist und vergleichbar guten Kuchen gibt es kaum wo anders in Pattaya.“ Ein anderer antwortete: „Danke für die Info, obwohl ich mich dann doch lieber in der Soi 6 bekehren lasse. Aber der Kuchen sieht gut aus.“ Und die Replik des unbekannten Besuchers: „Im BZ wird niemand bekehrt, man versucht es erst gar nicht. Wenn jemand Glaubensfragen hat, muss er zu den Bibelstunden gehen.“ So ist es. Wobei Fragen des Lebens und Glaubens durchaus auch beim Bier besprochen werden können. Aber ich bekehre niemanden. Das kann ich gar nicht. Und wenn jemand seine Bekehrung in der Soi 6 erlebt, dann soll er… Als Muster einer Bekehrung wird immer das „Damaskuserlebnis des Saulus“ genannt wie wir es aus der Apostelgeschichte kennen. „Vom Saulus zum Paulus“ – das ist sprichwörtlich geworden für eine totale Kehrtwende eines Menschen. Da hallt noch nach das Erstaunen, dass aus einem eifernden Christenverfolger ein Apostel werden konnte. Aus einem Fanatiker ein Verkünder von „Glauben, Hoffnung und Liebe“. Vergessen wird dabei oftmals, dass der sonst unbekannte Hananias daran seinen Anteil hatte: „da ist einer von Gottes Gnade erfüllt! Das was er erlebt hat, dass hat ihn völlig aus den Schuhen gehauen! Er war einer, der die erste Christengemeinde, bei den Römern als jüdische Sekte verschrien verfolgt hat. Massenverurteilungen ohne reguläres Verfahren gingen auf ihn zurück, Lynchjustiz von angesehenen Mitgliedern der Judenchristen wie zum Beispiel Stephanus, sein schwarzes Werk! Viel Leid in der Urchristlichen Gemeinde ging auf sein Konto. Fanatisch bis zum letzten, erbarmungslos in der Verfolgung, Tod bringend in der Wirkung! Und nun erlebt er, dass er von denen, die er verfolgt hat, gesund gepflegt wird. Das hat ihn überzeugt. Er war ganz bestimmt keiner, der aufgrund einer von einem Ohnmachtsanfall herrührenden Vision seine alten Ziele über den Haufen schmeißt. Aber die Pflege, die ihm die verfolgte Christengemeinde angedeihen ließ, die hat ihn tief im Innersten berührt und eine völlig neue Saite in ihm zum Klingen gebracht. Er war völlig hin und weg von dieser Grundhaltung der Christen. Diese überwältigende Nächstenliebe zusammen mit der Vision Christi, die haben ihn wie verwandelt.“ Doch schauen wir hin, wie Paulus in seinem Brief an die Galater, also an die Kelten, die in der Gegend um das heutige türkische Ankara herum siedelten, selbst von dieser Bekehrung spricht. Da sehen wir, dass er eigentlich von einer Berufung schreibt. Ähnlich wie der Prophet Jeremia sieht er sich schon im Mutterleib ausgesondert. Und ähnlich wie der Prophet Elija, auch ein schlimmer Eiferer, zieht es ihn erst einmal in die arabische Wüste, um jenseits aller Zivilisation sich ganz auf Gott zu konzentrieren. Der schriftgelehrte Saulus/Paulus wird bewusst diese Erinnerung anregen wollen. Er kommt zurück mit dem Auftrag, Jesus als den Messias/Christus unter den nichtjüdischen Völkern zu verkündigen. In diesem Kapitel verteidigt er sein Amt gegen Vorwürfe und Unterstellungen, die es auch damals schon reichlich gab: Man könne einem solchen Wendehals nicht trauen, er habe Jesus ja gar nicht selber gekannt, er sei gar kein richtiger Apostel wie die andern. Demgegenüber betont er, dass er Christus in einer direkten Offenbarung empfangen habe. Das griechische Wort dafür „apokalypsei“ meint ursprünglich, dass da etwas entschleiert wird. Was vorher nebelhaft wahrgenommen wurde, kann nun klar gesehen werden. „Bezüglich seines eigenen Falles benutzt Paulus das Verb "apokalypsô“ (vgl. V. 16), das mit der "kalymma“, der "Hülle“ (Decke, Schleier o. ä.), zusammenhängt. Der Auferstandene war Paulus so lange verhüllt, bis er diesem enthüllt (= offenbart) wurde. Enthüllt wurde dabei der in den Himmel aufgefahrene Auferstandene.“ Was ist nun aber eigentlich der Inhalt dieses Glaubens an Christus? Was ist denn neu? 1.Der allgemeine Glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, kann es nicht sein. Den kannte er als frommer Jude bestens. Zu dem betete er mit den Psalmen auch weiterhin. Er wusste als Jude: „Alles Geschaffene ist der Sinnlosigkeit ausgeliefert, versklavt an die Vergänglichkeit“ wie er im Brief an die Römer schreibt. (Röm.8,20) Neu ist die Erkenntnis, dass wir „teilhaben an der unvergänglichen Herrlichkeit, die Gott seinen Kindern schenkt.“ (Röm.8,21) Das ist die gute Botschaft, die er bei Christus findet: Wir sind zum Heil bestimmt, nicht zum Unheil. Und alles Leid, das er durchmachen musste, kann das nicht wegwischen: nicht die Folter, nicht die Krankheiten, nicht die Enttäuschungen. 2.Die Moral kann es nicht sein. Es gibt ja wohl kaum eine moralischere Religion als die jüdische. Das Gesetz, die Tora, mit ihren 613 Mitzwot (Geboten) und unzähligen Vorschriften, kannte er bestens als Pharisäer. Er hat sich redlich bemüht, diese alle einzuhalten. Neu war die Erkenntnis, dass diese kein Weg zum Heil seien. Er fühlt sich durch Christus von der Versklavung befreit: Genau auf alle täglichen Vorschriften etwa beim Essen zu achten, um dadurch Gott nahe zu sein. Zu meinen, wenn ich bestimmte Rituale einhalte, dann bin ich auf der sicheren Seite. Gott hat uns zur Freiheit berufen, das Leben in eigener Verantwortung zu gestalten. Da kann mir kein Priester (auch kein Pfarrer) Vorschriften machen. Allerdings ist das kein Freibrief für jede Schweinerei. Auch Paulus mahnt: „Aber missbraucht eure Freiheit nicht als Freiheit zur Befriedigung eurer selbstsüchtigen Wünsche, sondern dient einander in Liebe.“ Vermutlich ging es bei den Galatern „drunter und drüber“. Wir befinden uns zeitlich „im alten Rom“. Darum versucht er es mit Ironie: „Wenn ihr einander wie wilde Tiere kratzt und beißt, dann passt nur auf, dass ihr euch nicht gegenseitig verschlingt.“ 3.Durch seine Berufung wurde er zum Apostel der Freiheit. Nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit! Wenn unsere Evangelische Kirche sich als „Kirche der Freiheit“ versteht, dann bleibt sie in der Spur des Apostels Paulus. In dieser Freiheit zu bestehen, ist nicht immer leicht. Es erfordert Menschen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Die sich nicht von billigen Parolen verführen lassen. Die nicht jeder Mode nachlaufen. Die trotz persönlichen Niederschlägen sich nicht vom Hass oder Gleichgültigkeit infizieren lassen. Die darauf vertrauen, dass selbst Verfolger des christlichen Glaubens sich ändern lassen. Nichts muss so bleiben wie es ist. Bekehrungen sind möglich. Danken wir Gott dafür, dass solche positive Veränderung immer wieder geschieht. Und für uns selbst gilt der Rat, den Georg Neumark im Dreißigjährigen Krieg dichtete ( und den wir gleich singen mit EG 369,7): „Sing, bet und geht auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getreu und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu.“ Amen
Posted on: Mon, 01 Jul 2013 14:11:55 +0000

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