Pragmatismus und sein Einfluss auf die Muslime - (Teil 3 von - TopicsExpress



          

Pragmatismus und sein Einfluss auf die Muslime - (Teil 3 von 5) 3.2 Die Widerlegung des Relativismus Zu den Ideen, auf denen der Westen sein Verständnis über den Menschen, das Leben und das Universum aufgebaut hat, gehört – als Fundament des Pragmatismus – die Idee des Relativismus. Der Relativismus besagt, dass die Wahrheit relativ ist und sich von Individuum zu Individuum, von Gemeinschaft zu Gemeinschaft und von Zeit zu Zeit unterscheidet und so gebe es zum Erkennen der Wahrheit keinen objektiven bzw. absoluten Maßstab. Er ist also eine Theorie, welche absolute Urteile bezüglich Meinungen, Ideen und Glaubensüberzeugungen negiert und die Existenz einer indiskutablen Idee ablehnt. Die Falschheit dieser Theorie, die im westlichen Identitätsbild starken Einfluss hat, äußert sich in mehreren Punkten: 1) Wenn nun bewiesen werden kann, dass – angenommen der Relativismus sei richtig – eine absolute Wahrheit existiert, so ist der Relativismus als Fundament des Pragmatismus und somit auch der Pragmatismus selbst widerlegt. Dies kann leicht aufgezeigt werden, da der Relativismus als Urteil ebenso für die Theorie des Relativismus selbst gilt. So gibt es – nach relativistischer Theorie – keine Absolutheit oder Sicherheit in irgendeiner Theorie oder Idee, was auch die Theorie des Relativismus selbst umfassen müsste, was bedeuten würde, dass sie nicht als Grundlage für irgendeine Idee zu verwenden ist: Ein Paradoxon, denn der Relativismus spricht dem Menschen das Recht zu, Ideen abzulehnen; und dazu gehört – aufgrund der Generalität der Aussage – auch das Recht, den Relativismus selbst und jede aus ihm entspringende Idee abzulehnen. Dieses Prinzip löst leicht das zuvor genannte Beispiel: Wenn Thomas und Ali diskutieren, so wird Ali leicht entgegnet, er könne – aufgrund des Relativismus – seine Glaubensüberzeugung nicht derart strikt vertreten. Das Verbot dieser Kompromisslosigkeit wäre jedoch genauso absolut, würde ergo dem Relativismus widersprechen, wodurch die Theorie praktisch im Rahmen einer Diskussion direkt widerlegt und Thomas Argumentationsgrundlage ad absurdum geführt wäre. 2) Die Wahrheit ist weder eine Angelegenheit, die von jedem Volk selbst nach eigenem Interesse definiert werden kann, noch eine Angelegenheit, die ausschließlich Philosophen vorbehalten ist. Ebenso ist sie kein kulturelles Wissen, dass nur bestimmten Völkern vorbehalten ist. Vielmehr ist die Wahrheit eine bestimmte Realität, die für alle Menschen gleichermaßen gilt. So ist die beschriebene Realität wahr, wenn das Urteil über sie in Übereinstimmung mit ihr ist. Sieht der Mensch eine verbundene geometrische Figur mit vier Seiten und gleicht diese sinnliche Wahrnehmung mit den Definitionen von geometrischen Figuren in der Ebene ab, so wird das Objekt als Viereck identifiziert. Würde nun Ali sagen, dass es sich um ein Viereck handelt, Thomas wiederum behaupten, es sei ein Dreieck, so würde jeder zu dem Entschluss kommen, dass Ali richtig liegt. Dies würde der objektiven Wahrheit entsprechen. Ein ähnliches Beispiel wären zwei gegensätzliche Aussagen über den Aufenthalt einer Person in einem Haus. Nur eine der Aussagen kann richtig sein, abhängig von ihrer Übereinstimmung mit der beschriebenen Realität. Sofern die Person sich also im Haus befindet, ist die dementsprechende Aussage wahr; falls nicht, dann die andere. Dies ist das Verständnis über die Wahrheit: die Übereinstimmung einer Idee oder eines Urteils mit der Realität, unabhängig von der Art der Idee selbst, also unabhängig vom Fall einer wissenschaftlichen, logischen oder gesetzgeberischen Idee. Was nun die Frage des Maßstabs für Wahrheit und die Methodik zu ihrer Auffindung anbelangt, so ergeben sich die Grenzen der Untersuchung durch den Verstand selbst. Dies ist so, weil der Verstand sein Urteil über die Dinge und Angelegenheiten nach Existenz, Wesen und Eigenschaften abgibt. Wenn sich das rationale Urteil auf die Existenz einer Sache bezieht, so ist es ohne Zweifel absolut und eindeutig, sobald sich die Urteilsbildung über den Weg der direkten Sinneswahrnehmung ergeben hat. Wenn das Urteil aber die Eigenschaften einer Sache beinhaltet, so ist hier die Fehlerhaftigkeit nicht ausgeschlossen. Dies, da sich das Urteil bezüglich der Art oder Eigenschaft einer Sache auf die Kenntnisse dieser Sache stützt, welche fehlerhaft bzw. fehlerhaft gedeutet sein können. Aus diesem Grund ergeben sich bei solcher Art von Urteilen – auf Basis verschiedener Vorkenntnisse oder analytischer Fertigkeiten - Meinungsunterschiede. Aus der Wahrnehmung eines Geräusches beispielsweise kann eindeutig auf die Existenz einer Ursache in Form einer Bewegung geschlossen werden, allerdings ist ein Urteil über Art und Eigenschaften dieser Bewegung nicht eindeutig – hier existiert wirklich ein Fall von Relativität. Die Bestätigung des Relativen in diesen Bereichen der Urteilsbildung bedeutet jedoch nicht, dass keine absolute Wahrheit existieren würde; denn wenn das Urteil der Realität entspricht, so ist es die Wahrheit. Wäre also in obigem Beispiel über die Ursache des Geräusches ein Urteil gefällt und dieses Urteil daraufhin durch direkte Sinneswahrnehmung verifiziert worden, so wäre die Wahrheit im Vorhinein genau dann getroffen, wenn das Urteil der späteren Sinneswahrnehmung entsprochen hätte. Dementsprechend ist das Relative in manchen Bereichen der Urteilsfindung kein Grund für die Negierung der Existenz absoluter Wahrheiten, denen sich der Verstand, nach der Erlangung einer Überzeugung, zu ergeben hat. 3) Der heutige Westen ist durchweg beeinflusst von seiner kirchlichen Vergangenheit und ihrer dogmatischen Staatsführung. Aus diesem Grund hat er sich die Idee des Relativismus zu Eigen gemacht, die das Gegenteil von dem darstellte, worauf sich die Kirche berief. Im Relativismus sah er die Möglichkeit der Schaffung einer Situation des freien Denkens und einer Atmosphäre zur Ermöglichung der Kritik an jedweder Meinung und Idee. Auf diese Beeinflussung deutet die Verabsolutierung der von den damaligen Denkern und Philosophen aufgestellten Definitionen. So ist für sie das Wort Wahrheit gleichgesetzt mit einem dogmatischen Glaubensfundament, das einen an eine bestimmte Vorstellung bindet – ohne rationalen Beweis. Ergo sieht der Westen die Vorstellung einer absoluten Wahrheit in Zusammenhang mit Dogmatismus und Irrationalität und – um es anders auszudrücken – als eine Angelegenheit, die ihre Daseinsberechtigung nicht aus eindeutigen Beweisen schöpft, sondern aus Herrschaftsgewalt und Diktatur. So wurde das Glaubensfundament definiert als: „Glaube, welcher nicht aus einer Wahrnehmung resultiert und den Menschen zwingt, an Dinge zu glauben, ohne Beweise dafür.“ (Gustav Le Bon, „Meinungen und Glaubensvorstellungen“) Dieser Glaube wurde hier definiert als: “Glaube im Verstand, der jedoch nicht beweisbar ist, welcher mit den Glauben an einen Gott und der Ewigkeit des Geistes zusammenhängt.“ Dies ist die Definition des Glaubens, die im Westen vorherrscht und die die Denkweise des Westens dominiert. Der Philosoph Jaspers sagte: „Die Idee eines Gottes, hier bei uns im Westen, entspringt aus zwei geschichtlichen Quellen, der Bibel und der griechischen Philosophie.“ Dementsprechend wird fälschlicherweise die (islamische) Konzeption der Grundüberzeugung (Aqida) mit dem des christlichen Glaubens gleichgesetzt. Dies hatte Auswirkungen auf die analytische Objektivität und resultierte in der Falschheit der Definition von Aqida. Im Christentum ist der Imaan eingegrenzt zwischen Herz und Gewissen und die Verwendung des Verstandes wird abgelehnt. So lautet der Buchtitel des jetzigen Papstes Ratzinger Der christliche Glaube: „Keiner hat die Fähigkeit, mathematisch die Existenz des Schöpfers zu beweisen, nicht einmal der Gläubige selbst.“ Dies ermöglichte der Kirche im Mittelalter, ihre Lehren dem Volk aufzuzwingen ohne verstandesmäßige Kritik fürchten zu müssen. Der Islam macht das Denken zur Pflicht und spricht den Verstand an, um sich von der Richtigkeit des Islam zu überzeugen. Der Islam erhebt also den Verstand zum Fundament und fordert provokant zur Untersuchung und Diskussion über sich heraus. Dementsprechend ist die islamische Dawa auf dem Verstand und dem Denken aufgebaut. Diesbezüglich existieren dutzende Verse im Qur‘an, die zum Denken und zur Beweiserbringung aufrufen. Zu ihnen gehört u.a. der folgende: „Haben sie sich denn über sich selbst keine Gedanken gemacht? Allah hat die Himmel und die Erde und das, was zwischen beiden ist, nur in gerechter Weise und für eine bestimmte Frist geschaffen.“ [Sura 30, Aya 8] Dementsprechend ist es ein Fehler im Denken des Westens, dass er den Begriff der Aqida im Rahmen der christlichen Vorstellung eingrenzt, implizierend, dass die Welt keine andere Religion als das Christentum kenne, es repräsentativ für sämtliche anderen Religionen dieser Welt wäre und die Erfahrungen des Westens jene der ganzen Welt widerspiegeln würden. Vielmehr ist dies eine subjektive, eingeschränkte Sichtweise des Westens, welche nicht pauschal auf die Menschheit projiziert werden kann, denn diese Sichtweise beschreibt nur die Realität der Menschen im Westen, jedoch nicht die aller Menschen. Des Weiteren zeigt dies auf, wie reaktionär und subjektiv die Ideen des Westens entstanden sind und wie sie von ihm verabsolutiert werden. Dies ist also der Relativismus, der den Westen so sehr beeinflusste und dadurch die Entstehung des Pragmatismus begünstigte. Wo zuvor Europa von der Kirche von lauter Wahrheiten zugepflastert wurde, galt nun nur noch als wahr, was sich bewähren konnte, sprich was Nutzen brachte. Dass dieser kurzfristige Profit die alltägliche Politik im Westen bestimmt und das Verhalten jedes Einzelnen im Westen beeinflusst, ist offenkundig.
Posted on: Sun, 11 Aug 2013 20:27:58 +0000

Recently Viewed Topics




© 2015