Schattenseiten Das Jüdische Museum Berlin zeigt Bedrich Frittas - TopicsExpress



          

Schattenseiten Das Jüdische Museum Berlin zeigt Bedrich Frittas Zeichnungen aus Theresienstadt Sabine Lueken Dies Buch ist das erste in der langen Reihe von Büchern, die ich dir noch machen will«, schrieb Bedrich Fritta seinem Sohn zum dritten Geburtstag. Er zeigte darin dem kleinen Tomás, genannt Tommy, mit fröhlichen, einfachen Zeichnungen die Welt, wie der sie einmal erleben sollte: als Ingenieur, als Maler oder auf Reisen, aber bitte nicht als Geschäftsmann oder General! Doch ein weiteres Buch gab es nicht. Fritta starb 1944 in Auschwitz, Tommys Mutter im Gestapo-Gefängnis in Theresienstadt. Hierher war die Familie – Tomás war noch nicht ein Jahr alt – im Dezember 1941 aus Prag deportiert worden. Bedrich Fritta, der 1906 in Böhmisch Weigsdorf (heute Visnova) als Fritz Taussig geboren wurde, hatte in Paris Kunst studiert und als Zeichner und Karikaturist gearbeitet. In Theresienstadt übertrugen die Nazis ihm die Leitung des Zeichenbüros der jüdischen Selbstverwaltung. Er mußte mit den Künstlerkollegen Leo Haas, Otto Ungar und Ferdinand Bloch Baupläne und Propagandamaterial herstellen, mit dem die Nazis der Öffentlichkeit vorzugaukeln versuchten, das Ghetto sei eine jüdische Mustersiedlung. Gleichzeitig schuf Fritta unter Lebensgefahr ein Werk, das den ungeschönten Alltag in Theresienstadt einzufangen versuchte. Im Sommer 1944 flog diese Untergrundtätigkeit auf, die Künstler wurden von Adolf Eichmann persönlich verhört und wegen »Gräuelpropaganda« verurteilt. Haas überlebte. Er adoptierte mit seiner Frau Erna den kleinen Tommy und holte die Zeichnungen, die die Künstler noch kurz vor der Verhaftung in Blechdosen auf dem Hof vergraben konnten, aus ihrem Versteck. Die letzten zehn Jahre lagen sie als Dauerleihgabe von Thomas Fritta-Haas im Magazin des Jüdischen Museums und sind nun restauriert und nach ästhetischen Kriterien gegliedert bis zum 29. September in einer Ausstellung zu sehen. Unter dem Titel »Schlaglichter« beeindrucken Tuschezeichnungen. Ausgemergelte Häftlinge mit Haß und Angst in den Augen auf dem Weg zur Arbeit, eingepfercht zwischen den hohen Mauern eines engen steinernen Kanals, eine gespenstisch wirkende »Reparaturwerkstatt für Militäruniformen«, Szenen, die an expressionistische Filme erinnern. Auf dem Bild »Kulissen für die internationale Kommission« sieht man die Straßen im Ghetto als potemkinsche Dörfer: die Häuser sind Pappkulissen, dahinter liegen Berge von Leichen, während sich im Vordergrund ein Pärchen verzweifelt küßt. Die Besucher eines »Kaffeehauses« sitzen da mit leeren Augen und eingefallenen Gesichtern. Eine überdimensionale Uhr mit gleichgroßen Zeigern zeigt: Ihre Zeit ist abgelaufen. In einer Vitrine liegt das Buch »für Tommy zum dritten Geburtstag in Theresienstadt«. Thomas Fritta-Haas hat sich für die Ausstellung vorübergehend davon getrennt. Es ist das Einzige, was ihm von seinem Vater blieb. Bedrich Fritta. Zeichnungen aus dem Ghetto Theresienstadt. Jüdisches Museum Berlin Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin, täglich 10-20 Uhr, montags bis 22 Uhr, verlängert bis 29. September 2013
Posted on: Mon, 09 Sep 2013 00:39:12 +0000

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