Seite 120 Im Laufe der Woche erfuhr ich, dass Wassers einen Hund - TopicsExpress



          

Seite 120 Im Laufe der Woche erfuhr ich, dass Wassers einen Hund bekommen sollten .Tatsächlich! Er hieß Arras und war ein Schäferhund mit einer mächtigen Mähne und noch recht tapsig, denn er war erst drei Monate alt. "Schon stubenrein!" verkündete Ingrid stolz "deswegen haben meine Eltern den auch erst jetzt genommen, weil sie ja nicht die Zeit für einen Baby-Hund haben." Dass Arras mir zum Verhängnis werden würde , ahnte in diesem Moment niemand! "Ich habe ab morgen Urlaub und fahre nach Köln zu meiner Schwester und zum Einkaufen. Gehst du mal mit ihm Gassi während der Geschäftszeiten, wenn meine Eltern nicht können?" "Klar!" Arras und ich verstanden uns nämlich auf Anhieb prächtig. Abends ging ich noch runter zu Ingrid sie lag bäuchlings auf dem Bett und las mir aus "Lolita" vor. Arras lag auf meinem Schoss und schien eine Tonne zu wiegen. Ingrid machte eine Pause und sah mich fragend an. "Ich werde nicht so richtig schlau aus dir. Du siehst völlig harmlos aus, dabei glaube ich, du hast es faustdick hinter den Ohren. Du bist erst dreizehn, aber diese Lektüre scheint dich überhaupt nicht zu überraschen. Was weißt du eigentlich so über Männlein und Weiblein?" "Alles!" behauptete ich kühn. "Ich weiß, dass es alte Säcke gibt, die auf kleine Mädchen stehen, aber das ist irgendwie nicht in Ordnung. Außerdem: Ich würde mich schütteln, bei so `nem alten Kerl. Igitt! Na ja , ich habe Casanova und das Decamerone gelesen..." "Waaaas? Heimlich oder durftest du?" "Ich durfte. Mama hat gesagt , ich würde sowieso alles *verschlingen* , was mir in die Finger fällt. Sie hat es längst aufgegeben, Bücher vor mir zu verstecken. Ich werde knütterig, wenn ich länger nichts zu lesen habe. Ich habe schon mit sechs gelesen...den Lederstrumpf, weißt du." "Poh! Dann sind deine Eltern aber sehr modern. Hast du ein Glück!" Ich zuckte nur mit den Schultern. "Mit sechs den Lederstrumpf, das ist aber früh. Wie kommt es, dass du so früh lesen konntest?" "Aus Langeweile..." und ich erzählte von meiner Kindheit und Schulzeit in Rinkscheid. Plötzlich fing Ingrid an zu weinen sprang auf und drückte mich in einer Gefühlswallung an ihren üppigen Busen. "Du Arme!" "Ach Quatsch! Ich bin nicht arm dran. Ich habe mich damit abgefunden und finde es aus heutiger Sicht sogar gut so, wie es ist. Ich bin nämlich nicht blöd, wenn mich auch Viele für bekloppt halten..." "Und das macht dir wirklich nichts aus?" "Nö! Irgendwann hat es angefangen, mir zu gefallen ein Exot zu sein. Jetzt halten mich alle für arrogant! Ist mir aber auch scheißegal!" Ingrid putzte sich die Nase und las die Stelle vor, wo der Professor Lolita die Fußnägel lackierte. Danach unterhielten wir uns noch eine Weile und ich erfuhr, dass sie aus der zweiten Ehe ihrer Mutter stammte. Sie hieß mit Nachnahmen Czerny und ihr Vater sei ein "Zigeuner" gewesen ( das war damals noch die politisch korrekte Bezeichnung) und zeigte mir ein Foto von einem sehr schönen Mann mit Hut und Ledermantel. "Sieht aus, wie von der Gestapo." Ich wusste sehr wohl, dass Sinti und Roma von den Nazis verfolgt worden waren und deshalb entbehrte es diesem Bild nicht einer gewissen tragischen Komik. "Der hat aber alles flachgelegt. Das war Mama eines Tages zu viel und sie hat sich scheiden lassen und er ist auf Nimmerwiedersehen verschwunden." Das schien sie traurig zu machen. Ich konnte es mir gar nicht vorstellen, dass sich mein Papa nicht mehr um mich kümmern würde. "Und des wegen klaue ich auch." sagte sie auf einmal unvermittelt. "Wie bitte?" "Alle Zigeuner klauen!" Das klang schon trotzig. "Quatsch! Die klauen doch nicht alle. Ich klaue auch nicht!" "Du bist ja auch kein Zigeuner!" "Wer sagt das?" "Jetzt mal ernsthaft: Das nimmt dir keiner ab. Blond, grüne Augen, Sommersprossen....." "Ist aber so! Frag Oma Maria! Ich weiß allerdings nicht von welchem *Stamm*, Sinti oder Roma oder ob das nur fahrende Handwerker aus Schweden waren. Aber guck die dir doch mal an, die sind nicht alle dunkel. Manche sehen aus wie Inder und manche wie Europäer und die werden sich auch vermischt haben. Ich wäre als Blondie bei denen was Besonderes, wenn das stimmt, was man sagt. Außerdem ist mir wurscht, woher einer kommt." Ich kannte die sogenannten "Zigeuner" aus meiner Zeit in Rinkscheid. Dort kamen sie in regelmäßigen Abständen vorbei, boten ihre Dienste als Scheren- und Messerschleifer, Kesselflicker oder Schuster an. Andere verkauften Kurzwaren oder Besen und Bürsten, die sie selber hergestellt hatten. Mama hatte ihre Dienste immer in Anspruch genommen und keiner von ihnen war je unangenehm aufgefallen oder hatte uns bestohlen. "Alles Kokolores!" legte ich noch mal nach. "Es gibt auch klauende Deutsche." Wir verabschiedeten uns und Ingrid gab mir Lolita mit. "Hanni und Nanni ist wohl nichts für dich?" grinste sie mich an. Wie versprochen führte ich am anderen Tag den Hund aus. Ich ging mit ihm auf die Wiese an der Dörspe und tobte dort mit ihm herum. Am Nachmittag zog sich der Himmel zu, Wind kam auf und es grummelte in der Ferne. Arras zog den Schwanz ein und kroch unter meinen Rock! "Toller Wachhund , du Held!" Ich zog mit dem zitternden Fellbündel von dannen. Ich hätte schwören können, dass er bei jedem näher kommenden Donnergrollen etwas lauter mit den Zähnen klapperte. Dann fing es an zu schütten und es kühlte sich schlagartig ab! Mit dem "Helden" auf dem Schoss guckte ich aus Omas Küchenfenster und sah zu, wie der Sportplatz hinter der Dörspe allmählich absoff! Nach Geschäftsschluss gab ich den Hund ab, nachdem ich noch einmal "Deutsches Eck" hin und zurück mit ihm gegangen war. Als ich um Mitternacht von einem Geräusch aufwachte, das wie die Tür von Ingrids Zimmer klang, glaubte ich mich geirrt zu haben und schlief wieder ein. Morgens um halb neun klopfte es an der Küchentür und eine strahlende Ingrid stand mit einer Tüte Brötchen und einem Tablett Aufschnitt dort. "Frühstück, meine Damen !" trällerte sie gut gelaunt. "Oma Jahn, ich werde heute ihre Enkelin entführen, wenn sie erlauben. Ich möchte meine Kollegin Gaby von der Praxis abholen und ihr Marina vorstellen." "Meinetwegen!" brummelte Oma" Vor oder nach dem Mittagessen?" "Danach! Es ist doch Mittwoch und die Praxis heute Nachmittag geschlossen. Wir gehen dann noch einen Kaffee trinken." Es hatte sich merklich abgekühlt und ich trug Jeans, Sandalen und eine leichte Jacke , als ich am Schaufenster des Nachbarhauses auf Ingrid wartete. Ich stand genau auf einem dieser Gitter, die verhinderten, dass man in den Schacht vor dem Kellerfenster fiel und bemerkte nicht, was hinter meinem Rücken passierte. Arras hatte sich in einen unbeobachteten Moment davon gemacht, sah mich an diesem Schaufenster und rammte mir aus lauter Freude seinen Schädel in die Kniekehle . Ich, überrascht, rutschte mit den Zehen aus der Sandale und in dieses Gitter . Dabei machte ich eine Drehung um 90°.....niemals werde ich diese Geräusch vergessen, als mein linker "Fingerring-Zeh" brach. Es knirschte bis in meinem Kopf hinauf. Dabei riss das Gitter noch meine Haut und mein Fleisch von dem Zeh. Ich war starr vor Schmerz. Just in diesem Moment kam Ingrid, um Arras einzufangen und heim zu bringen. Als sie zurückkam stand ich noch wie angewurzelt und atmete schwer. "Was ist los? Du bist so blass." "Arras hat mich angesprungen und ich habe mich am Zeh verletzt." "Dann laufen wir nicht mehr bis zur Haltestelle, dann fahren wir per Anhalter." Mir war alles wurscht, ich wäre auf einem Elefanten über die Alpen geritten, solange ich nur nicht auftreten musste. Ich humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die andere Straßenseite , Ingrid hob den Finger und sofort hielt ein Kleinlaster. Ich glaube der Fahrer war Helgas Papa, aber auch das war mir egal. Der fuhr aber nur bis Derschlag und wir mussten bis Gummersbach doch noch die Bahn nehmen. Ich hatte gar nicht bemerkt , wie stark ich blutete. Als ich aus dem Laster stieg klatschte das Blut auf den Bürgersteig und eine Frau kreischte, ob sie die Polizei holen solle. "Nein, nein! Meine kleine Schwester hat sich nur am Zeh verletzt, wir gehen in Gummersbach gleich zum Arzt!" "Ich klein, mittwochs Praxen geschlossen. Du warst schon mal besser." Trotz Schmerzen musste ich lachen. In der Straßenbahn polsterten wir meine Sandalen mit Tempos aus. Ich blutete wie eine Sau. Trotzdem gingen wir noch mit Gaby Kaffee trinken. Ein Indianer kennt eben keinen Schmerz!
Posted on: Wed, 26 Jun 2013 18:27:53 +0000

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