Warum die Planwirtschaft 2.0 nicht funktioniert. Oder, der Weg in - TopicsExpress



          

Warum die Planwirtschaft 2.0 nicht funktioniert. Oder, der Weg in die Vollbeschäftigung. KMU= kleine und mittlere Unternehmen Weitergeleiteter Artikel aus der «NZZ am Sonntag» vom 14.07.2013, Seite 26: Mein Standpunkt Europas Kleinunternehmen werden von der Bürokratie ausgebremst Beat Kappeler Die riesigen Geldmengen der Notenbanken fliessen nicht in Kredite an die KMU Europas. Denn diese KMU haben ganz andere Sorgen als die Geldtheoretiker. Die KMU-Chefs sitzen nämlich abends am Tisch und rechnen. Beispielsweise in Spanien, wo die Regierung Rajoy soeben angekündigt hat, ab Oktober die Steuerabzüge für unrentable Abteilungen und Filialen zu streichen. Das soll 3,65 Mrd. € in die bankrotte Staatskasse spülen - aus bankrotten Firmenteilen, bezahlt von den noch rentierenden Firmenteilen. Die Rechnung ist schnell gemacht. Möglichst noch vor Oktober wird man diese unrentablen Filialen schliessen, und man spart zweimal, nämlich bei den laufenden Kosten und bei der neuen Steuer. Ob die Europäische Zentralbank und die spanischen Banken mit neuen Krediten winken, ist völlig unerheblich bei diesen Entscheiden. Oder zum Beispiel Frankreich. Ein kleiner Pinselfabrikant wurde sogar am europäischen Kongress der Hersteller prämiert, weil er einen Pinsel entwickelt hatte, der auf dem iPad künstlerisch zu malen erlaubt. Befragt, ob man einen solchen Pinsel per Internet bestellen könne, wiegelte er ab. Er mache keinen Versand, weil er keine Einpackerinnen einstellen wolle. Denn er würde sie nie wieder los, wenn einmal Flaute herrsche. Und diese Woche wurden andere KMU in Frankreich nachdenklich, die Luxushotels. Auch sie beschäftigen jeweils einige Dutzend oder einige hundert Leute, sind also mittlere KMU. Nun aber schlägt eine Parlamentskommission vor, die darbenden Ferienkolonien der Schüler mit einer Steuer von bis zu 6% auf Luxushotels querzusubventionieren. Ausserdem beträgt die Mehrwertsteuer auf Hotels ab Neujahr 4,5% mehr als 2012; insgesamt drohen 10,5% höhere Kosten. Auch der Personalchef eines «Ritz» in Paris zögert jetzt wohl mit Einstellungen. Die Geldmenge oder die soeben verkündeten Milliardenprogramme für Infrastrukturen motivieren da wenig - ausserdem dürften diese erneut Steuergelder verschlingen. Dann das Beispiel Italien, aber es sendet erfreuliche und unerfreuliche Signale auf die KMU aus. Landesweit wurde über die Metallfirma Joint Wielding berichtet, welche entweder schliesst oder aber mit ihren 30 Arbeitern weitermacht, falls sie eine halbe Wochenstunde länger arbeiten. Die Arbeiter waren praktisch alle einverstanden, die Gewerkschaftsfunktionäre jedoch brüllten, soweit sie der kommunistischen Fiom-Cgil angehören, oder gaben vonseiten der gemässigten Cisl öffentlich zu, solche Einverständnisse kämen jetzt überall vor. Falls Italien seine Krise überwindet, dann, weil solches überall vorkommt, nicht weil der Landsmann Mario Draghi Geld aus der Zentralbank in Frankfurt schüttet. Und dann noch ein Blick auf rechnende KMU-Chefs in der Schweizer Baubranche. Sie müssen nun bis zum letzten Unterakkordanten garantieren, dass vertragliche Löhne bezahlt werden, weil Arbeitsämter und Gewerkschaften sich von Kontrollen dispensieren. So integrieren sie wohl viele ausgelagerte Tätigkeiten zurück in ihren Betrieb. Dies schmälert aber Rationalisierungsgewinne, was im teuren Schweizer Bau bisher sinnvoll war. Das alles sind Beispiele, jedoch verallgemeinerungsfähige Situationen. Es sind Überlegungen von unten herauf, welche sich aber volkswirtschaftlich summieren und massgebliche Realitäten schaffen. Wenn die über 20 Millionen KMU Europas heute je 4,3 Beschäftigte entlohnen und dank günstigen Steuern und entfallenen Vorschriften je eine weitere Person einstellen, dann wäre Europa vollbeschäftigt, weil von den heute 26 Millionen Arbeitssuchenden der grösste Teil eine Stelle fände. Und wenn Europa vollbeschäftigt wäre, käme Schwung in die Nachfrage, auch nach neuen Stellen. Das erleben die Schweiz, Asien und Teile Lateinamerikas gegenwärtig. Solche volkswirtschaftlichen Vorgänge zeigt die «österreichische Schule der Nationalökonomie». Die Konjunkturen und das Wachstum bilden sich mit millionenfachen Entscheiden von unten herauf. Doch in Europa und in den USA läuft die Wirtschaftspolitik umgekehrt. Man hantiert seit der Lehre des John M. Keynes nur mit den ganz grossen Aggregaten, mit «Nachfrage», «Exporten», «Investitionsquote», «Staatsausgaben». Diese Hebel werden zentral betätigt, durch Geldmenge und Zinsniveau, durch Staatsausgaben auf Kredit. Die französische, italienische und portugiesische Regierung betteln in Brüssel um weitere Defizitjahre, um Nachfrage und Arbeitsmarkt von oben her anzukurbeln. Die US-Notenbank will so lange massiv Geld schöpfen, bis nur 6,5% Arbeitslose bleiben. Doch die Sorge um den Arbeitsmarkt mit seinen Belastungen, Behinderungen, Kündigungsverboten wäre eine Alltagsaufgabe der Politiker. Die KMU stolpern über die Hindernisse vor ihrer Schwelle, sie leben nicht von dem, was in Washington, Paris oder Frankfurt mit grosser Kelle angerichtet wird. Die gute Beschäftigungslage Deutschlands, seine lieferfähigen Exporte sind unter anderem der Politik des Kanzlers Schröder und der Gewerkschaften zu verdanken. Sie stellten die Motivationen von unten wieder her - mit dem Druck auf Arbeitslose, Stellen anzunehmen, mit «Öffnungsklauseln» in den Tarifverträgen, wonach ein Unternehmen in Krise länger, flexibler, billiger arbeiten lassen darf. Und wenn es dies darf, nimmt es und kriegt es dann als Folge die Kredite aus der üppigen Geldmenge. Der Schub auf Nachfrage, Beschäftigung und Kredite geht also andersherum, als die Theoretiker in Zentralbanken glauben machen.
Posted on: Sun, 14 Jul 2013 07:53:17 +0000

Trending Topics



Recently Viewed Topics




© 2015