Wie zerlegt man eine Sendung „Menschen 2013“ im ZDF - TopicsExpress



          

Wie zerlegt man eine Sendung „Menschen 2013“ im ZDF Markus Lanz zerlegt nicht nur „Wetten dass ..?“ Auch die „Menschen“-Sendung des ZDF wirtschaftet er herunter. Der einzige Showgast, der sich dem entgegenstellte, ist erst vier Jahre alt. er Mann im braunen Karo-Anzug versprach eine „bombastische“ Sendung. Das werde der „Wahnsinn“ an diesem Freitagabend in Halle 12 der Münchner Bavaria. Der „Warm-Upper“, so heißen bei Fernseh-Aufzeichnungen die Menschen, die das Publikum in Stimmung bringen, bevor die eigentliche Show beginnt, sollte auf traurige Weise Recht behalten. Seine Klatsch-Übungen erwiesen sich als kluge Investition. Die Show „Menschen 2013“ mit Markus Lanz sollte sich für das Publikum nämlich als große Herausforderung erweisen - nicht zwischendurch einzunicken. Für den Höhepunkt des Abends sorgte die als Gast geladene, vierjährige Dilara Güngörmüs, die sich standhaft weigerte, Markus Lanz etwas zu dem zu sagen, was ihr offensichtlich peinlich war. Die kleine Dilara hat im Netz einige Berühmtheit durch einen Youtube Clip erlangt, den ihr Vater Tayyar während der Fahrt in einem Car to go-Smart drehte. Sie beschimpft darin ihren Vater, er habe das Auto geklaut und sie wolle keineswegs wegen ihm ins Gefängnis gehen. Von Lanz zunächst linkisch – er trennte sie auf dem Sofa von ihrem Vater – nach dem Vorfall befragt, schwieg Dilara eisern. Ihr war das alles offensichtlich unangenehm. Es sagt einiges über den Zustand des Fernsehshowgeschäfts aus, dass eine Vierjährige mit ihrem Schweigen als einzige ein natürliches Gefühl für Würde bewahrt zu haben scheint. Dem Moderator Lanz geht das nämlich ab. An diesem Abend bescherte er uns massenhaft Gelegenheiten zum Fremdschämen: Ruth Maria Kubitschek unterstellte er, sie habe den gleichen Bakterienstamm wie er, weil beide doch zuletzt mit dem kranken Wolfgang Rademann zu tun gehabt hätten. Daraufhin verriet die 82 Jahre alte Schauspielerin überflüssigerweise, sie habe ihren Lebensgefährten schon zwei Wochen nicht mehr gesehen. Das blaue Leberblümchen Den Stabhochsprung-Weltmeister Raphael Holzdeppe ließ Lanz derweil auf der Showtreppe stehen wie bestellt und nicht abgeholt, weil er nur Augen für das Ehepaar Obergföll hatte. In einer Anmoderation brachte Lanz die nicht anwesende Jenny Elvers-Elbertzhagen mit der Blume des Jahres, dem blauen Leberblümchen, in Verbindung. Was für ein mieser Gag (Leber!, Alkohol!, Zuviel trinken!)). Das Publikum raunte. Dann vergaß Lanz der Femenaktivistin Zana Ramadani den hingehaltenen Blumenstrauß selbst zu überreichen und deckte die Sängerin Helene Fischer mit Kalauern ein („Florian ist bei euch für den Müll zuständig“). Til Schweiger sprach Lanz auf dessen bevorstehenden 50. Geburtstag an. Schweiger, wie stets die Coolness selbst, machte Werbung für sich und erzählte, wie einst sein Vater auf seinen ersten größeren Theaterauftritt reagierte: „Ich hab mir auf der Bühne einen Bär gespielt und mein Vater ist eingeschlafen. Mutter hat ihn in immer in die Seite gestoßen. Da schau doch - unser Sohn.“ Schweiger wunderte sich über seine Einladung: „Eigentlich habe ich es dieses Jahr ruhig angehen lassen.“ Eigentlich hätte es auch eine informative Sendung werden können, wenn Markus Lanz die richtige Fragen gestellt und den richtigen Ton getroffen hätte. Aber das hier war leider „Wetten, dass ..?“ ohne Wetten. Mit derselben Verve, mit der Lanz das einstige ZDF-Flaggschiff gerade versenkt, ließ er auch die „Menschen 2013“ auf Grund laufen. Mehr oder weniger desinteressiert wurden bei Flutopfern die Fragen abgehakt. Die vor der Flut gerettete Gaststättenbesitzerin Antje Bieligk sagte sowohl im Einspielerfilm als auch im Gespräch: Ich bin nur ich selbst gewesen. Der Satz taucht mit Blick auf die ebenfalls auf Youtube berühmt gewordene Bushaltestellen-Tänzerin Ellie Cole noch einmal auf. Man weiß auch nicht, wie man den von Lanz inflationär gebrauchten Satz „Das machen die digitalen Zeiten jetzt möglich“, verstehen soll. Wundert er sich tatsächlich über Facebook & Co? Oder ist das ein Akt der Solidarität mit dem angestammten ZDF-Publikum? Herr Pufpaff und der Papst Hinzu kommt, dass „Menschen 2013“ ganz unverhohlen zu einer Promo-Show des Mainzer Senders verkommen ist: Helene Fischers Show läuft zu Weihnachten im Zweiten; Johann Lafer kocht so gut wie täglich im ZDF; die couragierte Paulina Hoppe ist nicht nur bei „Menschen 2013“ eingeladen, sondern auch schon in Rudi Cernes „Aktenzeichen XY“ ausgezeichnet worden. Der Kabarettist Sebastian Pufpaff versucht es mit Witzen über seinen Namen oder misslungenen Witzen über den aus Argentinien stammenden Papst („Man weiß bei Argentiniern ja nicht ... Vielleicht ist er ja auch ein Deutscher“). Pufpaff tritt sonst bei ZDFkultur oder 3sat auf. Man möchte die Liste der Absagen mal sehen für diese müde Show, die in einer kleinen Talkrunde mit Hans Joachim Watzke, Paul Breitner und Bastian Schweinsteiger den Bayern-Triple-Gewinn abhandelte und die frischausgelosten DFB-Gruppengegner bei der WM 2014 durchhechelte. Mit den frechsten Analysen glänzte immer noch Jochen Breyer, der am nächsten Samstag erstmals das „Aktuelle Sportstudio“ moderiert wird und hofft, dass Lanz dann mit „Wetten dass ..?“ nicht allzu lange überzieht. Dafür sehe er keinen Grund, sagte Lanz. Und nach dieser „Menschen“-Übung darf man das nur unterschreiben. Über fünf Stunden hielt das ZDF seine Gäste im Münchner Studio ohne Getränke gefangen. Die mussten noch eine müde Quizveranstaltung mit Nachwuchspolitikern über sich ergehen lassen. „Was kostet die Currywurst mit Zwiebeln und Pommes im Bundestag?“ Die richtige Antwort von 3,20 Euro wusste keiner der neuen Abgeordneten, alle tippten: Das ist teurer. Dafür nehmen die dreißig Euro? Den verfrühten Einsatz von Dieter Hallervorden, der sich geistesgegenwärtig, weil er noch nicht im Bild sein durfte, hinter die Talk-Couch warf und dann doch noch einmal hinter die Bühne geschickt wurde, wird man am Sonntag am Bildschirm nicht sehen können. Hallervordens Auftritt mit dem jungen Schauspieler Max von der Groeben gehörte trotzdem zu den wenigen Pluspunkten der Sendung. Hallervorden hatte einen Ratschlag parat: „Ich habe immer genau auf die Ratschläge der Kritiker gehört und das Gegenteil gemacht.“ Es ist zu befürchten, dass Markus Lanz schon eine Weile nach diesem Rezept verfährt. Der Auftritt von Semiya Simsek, Tochter des ersten Opfers der NSU-Täter, deutete an, was aus dieser Sendung hätte werden können. Doch danach war es vorbei und ein kleiner Junge fasste den Abend treffend zusammen: „Für so nen Sch ... nehmen die dreißig Euro?“ fragte er seinen Vater, der auch bedient war. Da hatten sich die Gäste zum Schlussbild auf der Bühne versammelt. Die kleine Dilara schwieg auch jetzt. Um 23.55 Uhr. Der Mann mit dem braunen Karo-Anzug, der vor der Aufzeichnung elfjährige Kinder im Publikum ermuntert hatte, auf Nachfrage ruhig zu behaupten, sie seien achtzehn, ließ traurig den Kopf hängen. Ja, diese Show war wirklich „bombastisch“. Einfach „wahnsinnig“, dass „Menschen 2013“ auch noch an diesem Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte.
Posted on: Mon, 09 Dec 2013 02:13:23 +0000

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