aus dem aktuellen "UniMut" (Heidelberg, 2013, Juni), Artikel von - TopicsExpress



          

aus dem aktuellen "UniMut" (Heidelberg, 2013, Juni), Artikel von Gregor Babelotzky unter dem Titel "Wege zum Buch - Von freien Künsten zu digitalen Abgründen" - über die Vertriebs- und Geschäfts-Praktiken der einschlägigen Buchhandlungsersatzfirma, mit einem Kontrastexkurs zu "artes liberales": "Die Buchhandlung artes liberales am Kornmarkt Eine Buchhandlung, in die man gerne geht, zeichnet sich dadurch aus, dass interessante Bücher in den Regalen stehen (nicht bloß Bestseller), die man in die Hand nehmen, aufschlagen und durchblättern kann, und dass auch ein Buchhändler zugegen ist, der fachkundig berät – der nicht wie Amazon immer nur vorschlägt, was algorithmisch am nächsten liegt. Und ist ein Buch mal nicht im Laden, kann auch jeder Buchhändler Bücher bestellen (das hat Amazon nicht erfunden), die man am nächsten Tag, beim täglichen Gang durch die Stadt, abholen kann. Vor kurzem hat der Philosoph und Philologe Clemens Bellut, der zuvor an der Zürcher Hochschule der Künste am Institut für Designforschung lehrte, seine Buchhandlung artes liberales am Kornmarkt eröffnet – dabei hat innerhalb der letzten zehn Jahre nahezu ein Viertel der inhabergeführten Buchhandlungen in Deutschland dicht gemacht. Der Laden will nicht nur eine gutsortierte philosophisch- literarische Buchhandlung sein, in der es dem Besitzer schwer fällt, die handverlesenen Bücher wieder ziehen zu lassen, er soll sich auch zu einem Ort des Gedankenaustausch und Streits entwickeln. Als »philosophische Studien- und Forschungsinitiative « soll artes liberales ein Ort für Kolloquien, Vorträge und Debatten werden. »Philosophisch« ist dabei nicht als sich auf die Philosophie begrenzend zu verstehen, sondern vielmehr in dem Sinne, dass die Studien- und Forschungsinitiative in engem Austausch mit den geisteswissenschaftlichen, den kunst- und musikbezogenen sowie den naturwissenschaftlichen Disziplinen steht. Der Laden knüpft dabei an die Anfänge der Institutionalisierung akademischen Lebens vor der Universität an und will so den Grundstein zu einer Akademie der freien Künste legen. Dazu steht Bellut in Kooperation mit verschiedenen Kneipen und Cafés, dem Heidelberger Referat für Kreativwirtschaft und dem DAI. Eine solche Akademie will die eingeschliffenen Strukturen, die Abhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen der akademischen Institutionalisierung meiden und dadurch einen Raum eröffnen, der für jedermann zugänglich ist und Disziplinengrenzen, ausgehend von konkreten Fragestellungen, überwindet. Dass eine solche Buchhandlung einer Stadt Geist einhauchen kann, zeigte eindrucksvoll die Eröffnung von artes liberales am Pfingstsamstag, die den Kornmarkt belebte, wie es der Platz selten gesehen hat: mit Musik, Wein und Gespräch. Er wurde zu einem Ort der »Inspiration und Konspiration«, wie Bellut in seiner Eröffnungsrede die mit dem Buchladen verknüpfte Hoffnung formulierte. Das soll auch in Zukunft so bleiben: Gemeinsam mit dem Café Grano öffnet sich die Buchhandlung zum Platz hin und lädt zum Verweilen ein. Läden wie artes liberales sind für die freie Literaturszene wichtig, denn die Bücher unbekannter Autoren, die in kleinen Verlagen erscheinen, brauchen diese Buchhandlungen als Vertriebsplattform, brauchen mutige Händler, die auch für Unbekanntes werben, indem sie es ins Schaufenster stellen und so bisher randständige Literatur fördern. Nicht nur zu Literatur, auch zu Philosophie, Kunst und Politik lässt sich jetzt am Kornmarkt gemütlich stöbern. Auch kann man hier grundsätzlich jedes Buch und jeden digitalen Datenträger bestellen – auch schwierig zu beschaffende, zu deren Bestellung die Recherche des Buchhändlers notwendig ist. Bestellungen können persönlich, telefonisch, per mail oder über die Homepage (ArtesLiberales.Name) getätigt werden, sowie über das allgemeine Buchhandelsportal (buchhandel.de). Dieses Portal ist für die deutschsprachigen, lieferbaren Titel sogar ergiebiger als Amazon: mit dem zusätzlichen Surplus, das neben dem Versand auch die Abholung im nächstgelegenen Buchladen angeboten wird. Kluges Sortiment und fachkundige Beratung gehen im artes li- berales Hand in Hand. Amazon dagegen ist völlig gleich, was es verkauft (wer kauft sein Waschmittel noch nicht bei Amazon?), der Buchhändler aber trifft eine Auswahl, entscheidet, was er in seinem Laden haben möchte und was nicht. Das Angebot ist durch sein kritisches Urteil hindurchgegangen und nicht durch einen Algorithmus. Genau das macht gezieltes Stöbern möglich: Man entdeckt Bücher, die man beim Klicken mit eingeschränktem Blickwinkel so nie gesehen hätte. Und, wer weiß, vielleicht trifft man sogar Menschen, solls ja geben, die gesprächiger sind als der keuchende Postbote mit dem Paket unterm Arm."
Posted on: Fri, 21 Jun 2013 09:08:40 +0000

Trending Topics



Recently Viewed Topics




© 2015