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das zum Thema Barzani und Kurden..... Flucht zurück in den Krieg Von Benjamin Hiller Ungeachtet aller offiziellen Dementis gibt es im kurdischen Nordirak mehrere "wilde" Camps , in denen syrische Flüchtlinge leben - ein Lokalaugenschein in einer Zone des Elends. Zehn Kilometer von den neu errichteten Luxusressorts in der nordirakischen autonomen kurdischen Region, etwa 50 Kilometer von der abgesicherten Villa des Regionalpräsidenten Masud Barzani entfernt, herrscht das Elend. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Auf der einen Seite saftig-grüner Rasen und Sicherheitszäune, um Eindringlinge abzuhalten, auf der anderen Seite staubige Zelte und Containerwohnungen sowie ein neu errichteter Zaun, um die dortigen syrisch-kurdischen Menschen unter Kontrolle zu halten. Im Qushtapa Park in Erbil lebten die Flüchtlinge unter freiem Himmel, bis sie als Folge von Protesten in reguläre Camps gebracht wurden. Das vor knapp drei Wochen errichtete Flüchtlingscamp Bastrma liegt in einem steinigen, heißen Hochtal. Knapp 1000 Familien wurden hier untergebracht: "Vielleicht sollte ich wieder nach Syrien zurück, auch wenn ich dort mit Sicherheit sterben werde. Aber wenigstens habe ich mir dann meine Würde bewahrt" sagt Abd Aljabar Abdullah unter Tränen. Er ist mit seiner Frau und vier Kindern aus der nordsyrischen Stadt Qamishli geflohen, wo sich syrische Regimetruppen, kurdische Milizen, christliche Kämpfer sowie arabische Pro- und Anti-Assad-Gruppen in einem kalten Krieg auf die US-Intervention vorbereiten. "Es gab dort keine Möglichkeit mehr zu leben, geschweige denn Arbeit zu finden. Und die Lebensmittelpreise sind explodiert" fährt er fort. Der ehemals wohlhabende Mann hat alles verloren, trägt noch immer das T-Shirt vom Tag der Flucht. Zweiklassen-Lager In den medial aufbereiteten Camps wie Quru Gusik in der Nähe von Erbil, welches Barzani, begleitet von Dutzenden Journalisten, besuchte, scheint die Flüchtlingssituation unter Kontrolle zu sein: medizinische Versorgung, überall Vertreter internationaler Hilfsorganisationen, Klimaanlagen für die Zelte. Sogar Satellitenschüsseln für den Fernsehempfang werden verkauft. Wie anders ist die Situation in Lagern wie Bastrma. Nachdem die Flüchtenden schon an den Grenzübergängen zum ersten Mal erfasst und überprüft werden, helfen spezialisierte NGOs der Regierung bei dem Transport der Menschen in die zugewiesenen Camps. Schon hier wird die Disparität offenbar: Im Quru Gusik Camp sind kaum behinderte Menschen zu sehen. In Bastrma dagegen sind sie überproportional vertreten, und werden ohne adäquate medizinische Versorgung in den engen Containerwohnungen sich selbst überlassen. Es erscheint dem Beobachter wie eine bewusste Selektion, durch die man "unerwünschte Flüchtlinge" den Medien vorenthalten möchte. Salha, 17 Jahre jung, ist eine dieser Betroffenen. Sie ist körperlich wie auch geistig schwer eingeschränkt, nur mithilfe eines Rollstuhls kann sie für einige Zeit außerhalb des überfüllten Wohncontainers frische Luft einatmen. Ihr Vater Mohammed Qlsharu, Kopf der zwölfköpfigen Familie, ist über die Zustände im Lager schockiert: "Wir haben keine Medizin für Salha, bekommen kaum Essen und die internationale Gemeinschaft schaut weg." Auch andere Flüchtlinge bestätigen seine Angaben. So etwa Mahmud Jemal Hamo, der aus der umkämpften kurdischen Stadt Ras al-Ayn an der Grenze zur Türkei in den Nordirak geflohen ist: "In den ersten acht Tagen hier im Camp hat uns niemand, weder die Regierung, noch internationale Organisationen, geholfen. Nur durch die Hilfe der umliegenden Dorfbewohner haben wir überlebt." Selbst jetzt, drei Wochen nach der Errichtung des Lagers, ist die Situation katastrophal: Kinder verrichten ihre Notdurft neben den Containern, es gibt keinerlei medizinische Versorgung, das verteilte Essen ist spärlich und reicht oft nicht für alle: Morgens gibt es pro Person eine Scheibe Brot mit einem Stück Käse, mittags Reis und etwas Bohnen mit Soße, abends Suppe. Die Situation erinnert an Jordanien, manche Ecken gar an afrikanische Notunterkünfte. Zusätzliche Gefahr droht durch giftige Schlangen, wie ein Dorfbewohner berichtet: "Dort, wo sie die Zelte errichtet haben, tummeln sich Schlangen. Es ist unverantwortlich gerade hier Flüchtlinge unterzubringen." Massaker an Kurden Fuad Zindani, Vorsitzender der in Erbil ansässigen kurdischen Gruppe "Organisation gegen Folter und Hinrichtungen" (ORTE), welche im Irak, in Syrien, der Türkei und dem Iran aktiv ist, hat uns nach Bastrma begleitet. Er möchte herausfinden, ob die Berichte aus den kurdischen Gebieten in Syrien, welche von groß angelegten Massakern durch die Islamisten erzählen, der Wahrheit entsprechen. Seine Ergebnisse könnten im Nordirak eine politische Krise vor den Wahlen auslösen, insbesondere da die Oppositionsparteien schon länger die Regierungspolitik mit Bezug auf die kurdischen Gebiete in Syrien scharf kritisieren: So hat die Regierung der kurdischen Region (KRG) vor kurzem eine Kommission nach Syrien geschickt und in einer dem Autor vorliegenden Vorabversion des Berichtes behauptet, es sei zu keinerlei Massakern gekommen. Doch dem widersprechen die Flüchtlinge vor Ort vehement. Einer dieser Augenzeugen ist Mahmud Hamo Remo, welcher aus dem Dorf Mashuq nahe Al-Darbasiyah stammt. In seinem Dorf alleine habe die syrische islamistische Organisation al-Nusra, zusammen mit dem irakischen Al-Kaida-Ableger ISIL zehn Bewohner hingerichtet. "Sie haben über die Moschee des Dorfes verkündet, dass sie nur gegen die syrisch-kurdische Miliz YPG kämpfen" schildert Mahmud. "Dann haben sie uns aufgefordert die Häuser zu verlassen und auf die Straße zu treten. Sekunden später haben sie mit Maschinengewehre das Feuer eröffnet." Im Lager Bastrma herrschen Armut und Elend. Auch der Vater von Salha berichtet ähnliches. Er ist mit seiner Familie aus einem kleinen Ort nahe Aleppo vor den Radikalislamisten geflohen: "Sie haben unser Dorf eines Morgens angegriffen - nur weil wir Kurden waren" berichtet er. "Wir haben alle für mehrere Stunden mit Waffen das Dorf verteidigt. Doch am Ende sind wir geflohen, da die Angst vor einem Massaker durch die Islamisten zu groß war." Zwei seiner Cousins starben: Kaml Hamdi ist bei den Kämpfen getötet, Achmed Shaban nach der Einnahme des Dorfes durch al-Nusra gefangen, gefoltert und später enthauptet worden. Danach legten sie seine verstümmelte Leiche als Warnung auf die staubige Straße. Die Indizien scheinen also dem Bericht der kurdischen Regionalregierung im Irak zu widersprechen - was die Frage aufwirft, inwiefern die Kommission politischen Auflagen gefolgt ist. Denn die beiden regierenden Parteien PUK und PDK, wie auch deren größte Wirtschaftspartner - die Türkei - fürchten sich davor, dass ein autonomes kurdisches Gebiet in Syrien nicht unter ihrer Kontrolle stehen könnte. Schwache Helfer Während der blutige und immer brutaler geführte Krieg in Syrien weiter geht, scheinen Hilfsorganisationen wie die UNHCR und UNICEF sich nur auf die prestigeträchtigen Flüchtlingscamps zu konzentrieren. Das Credo der Mitarbeiter dieser Organisationen, dass alles gut laufe und die 200.000 Flüchtlinge versorgt seien, wird von der Realität konterkariert. In einer Vorstadt von Erbil, im Qushtapa Park, wurden ab dem 18. August die Ersten von gut 1.000 Syriern untergebracht - dabei waren dort nicht einmal Zelte vorhanden. Die Menschen mussten unter freiem Himmel schlafen. Essen wurde nicht ausgegeben, nur der lokale Bürgermeister brachte ab und zu Essensspenden vorbei. Nachdem der mit mir reisende Fotograf Flo Smith über soziale Netzwerke die Situation im Park anprangerte, reagierte die UNHCR sofort - die 1000 Flüchtlinge vom Park (sowie 5000 weitere, welche im Umfeld lebten) wurden binnen eines Tages in reguläre Camps verlegt. Zuvor hatte die UNHCR behauptet, die Situation sei unter Kontrolle. Diese Leugnung der Probleme wiederholt sich immer wieder. Wie es wirklich steht, illustriert im Bastrma Camp der Fall von Mohammed Abdulkarim: Er hatte in Syrien einen Unfall gehabt. Zweimal wurde er notdürftig in seiner Heimatstadt operiert. Nach seiner Flucht aus Qamishli wurde er von der Grenze direkt in dieses Lager verfrachtet. Seine Operationswunde am Oberschenkel ist nun massiv angeschwollen, Eiter hat sich angesammelt und den ganzen Körper infiziert. Doch es gibt keinerlei medizinische Versorgung im Camp - und Mohammed hat kein Geld um die Fahrt zum nächsten Arzt selbst zu bezahlen. Überhaupt dürfen die Flüchtlinge aus dem Lager nur bis zu den angrenzenden Dörfern reisen. Dort arbeitet nur ein Arzt und eine komplexe Operation ist nicht durchführbar. So geht sein Leiden weiter. Medien-Überwachung Nach mehreren Stunden Recherche im Camp tauchten plötzlich drei Vertreter des UNHCR auf. Sie wurden anscheinend über unsere Anwesenheit informiert und sind daraufhin direkt aus Erbil Richtung Lager aufgebrochen. Unwirsch wird nachgefragt, wer wir seien, welche Medien wir beliefern. Man versichert uns, dass alles in Ordnung sei, der Müll werde bald abgeholt. Weiter erklären die UNHCR-Angestellten, mit der Situation ohne Probleme zurechtzukommen. Es erscheint jedoch unglaubwürdig, dass drei Mitarbeiter sich um 1000 Familien kümmern und die Situation nachhaltig verbessern können. Nach dieser Intervention verlassen wir das Camp mit einem Taxi zurück in Richtung Erbil. Im Rückspiegel sehen wir, wie der Chef der kleinen Truppe das Camp verlässt und sofort zu telefonieren beginnt. Es werden wohl die Vorgesetzten über unseren unerwünschten Besuch informiert. Unser Taxifahrer auf der Rückfahrt lebt in einem Dorf neben dem Camp. Der 22-Jährige namens Azad bestätigt uns erneut die schlechte Situation: "Am 29. und 30. August habe ich zwei Familien vom Lager wieder an die irakisch-kurdische Grenze zurückgebracht. Sie haben die Lage nicht mehr ausgehalten" sagt er. Wie fehlerhaft muss ein Notfallmanagement gelaufen sein, wenn die Menschen sich wieder auf den Weg zurück in das Kriegsgebiet machen; und eher bereit sind in ihrer Heimat zu sterben, als die Würde in solchen Lagern vollends zu verlieren? Benjamin Hiller (31), ist ein deutsch-amerikanischer Journalist und Fotograf. Sein Schwerpunkt liegt auf dem kurdischen Konflikt im Länderviereck Türkei, Irak, Iran und Syrien. Daneben arbeitet er als Konfliktjournalist in anderen Ländern.
Posted on: Thu, 03 Oct 2013 15:55:14 +0000

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