e-Mail an den Herrgott am 14. Oktober 2013 Lieber - TopicsExpress



          

e-Mail an den Herrgott am 14. Oktober 2013 Lieber Herrgott, gerade wird aus einem Kirchenmann eine tragische Witzfigur. Kaum ein Zeitgenosse kann der Versuchung wiederstehen, die eigene moralische Überlegenheit im Spiegel des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst auf Hochglanz zu bringen. Oscar Wilde muss wieder als Hermeneut abgerufen werden: „Das billigste Vergnügen ist die sittliche Entrüstung.“ Es kursiert bereits eine Neufassung des 11. Gebotes: „Du sollst zurücktreten.“ Ein Fake der Zeitschrift „Schöner Wohnen“ kommt mit der Headline „“Nur Mut zum Umbau – keine Angst vor Mehrkosten – Luxus ist Trumpf“ daher. Bekannt ist das 11. Gebot eigentlich so: „Du sollst dich nicht erwischen lassen“. Die Aussendungsrede Jesu an seine Jünger: „Nehmt kein Geld mit auf die Reise, auch keine Taschen und Kleider, auch keine Taschen mit Kleidern, keine Schuhe und keinen Wanderstock“ aus dem 10. Kapitel des Matthäusevangeliums zielt ja auch im 21. Jahrhundert auf einen eher bescheidenen Auftritt der Jünger Jesu – und wenn die sich auch noch zur ‚vita apostolica‘ verpflichtet haben und Armut, Keuschheit und Gehorsam gelobt haben, ist der Hiatus zwischen Sein und Schein durchaus himmelschreiend. Die Kollegen mit dem anderen Gesangbuch haben gerade nach den Missbrauchsgeschichten ein bisschen Luft geschnappt und sich über einen Papst gewundert, der Franziskus zu seinem Namenspatron gemacht hat. Und Franz hat genau diese Verse zur Ordensregel seiner Kleinen Brüder gemacht und Matthäus 19 dazugesetzt: „Wenn du vollkommen sein willst, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen, so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben.“ Und immer wieder hat es Armutsbewegungen gegen die Verfettung von Kirche gegeben – die Katharer, die Humilaten, die Waldenser: „Fette Zeiten machen magere Christen“ heisst ein altes Sprichwort. Papst Benedikt hatte die katholische Kirche in Deutschland schon ermahnt, sich aus der Veräusserlichung zu befreien und die Inhalte der Christusbotschaft wieder ins Herz zu ziehen. Da bekommt eine solche Geschichte wie die des Bischofs von Limburg und seiner Bautätigkeit die Wucht einer Abrissbirne. Häme schäumt zur Hochkonjunktur – und Gehässigkeit wird zum Zeitvertreib der Pharisäer. Die leben ja von der in Eigendiagnose erhobenen Überlegenheit mit dem Satz: „Ich danke dir Gott, dass ich nicht bin wie dieser da!“ und die eigene Rechtschaffenheit ins Schaufenster drapieren. Jesus ist da deutlich: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschliesst vor den Menschen“. (Matthäus 23). Völlig klar ist ja, dass so ein Bischof für das geradestehen muss, was er sich und seiner Kirche eingebrockt hat – wenn das denn alles erwiesen ist und in einem rechtskräftigen Verfahren verurteilt worden ist. Die Unschuldsvermutung ist ja eine der unaufhebbaren Menschenrechte des Rechtsstaates. Die traut sich gerade kein Mensch auch nur zu erwähnen. Das Recht auf ein faires Verfahren? Vielmehr wird mit grossem Vergnügen das Holz für den Scheiterhaufen für diesen ‚gefallenen Engel‘ aufgeschichtet und er als Person zur Unperson erklärt. Das ist nun der zweite Kracher in dieser Geschichte: Person und Tat wird zusammengerührt, wo es doch einer der grossen Fortschritte in der Rechtsgeschichte war, Täter und Tat zu trennen. Kardinal Jean Lemone hatte damals seinen Einsatz für die Unschuldsvermutung so begründet: Gott hat Adam die Gelegenheit gegeben, sich zu verteidigen, bevor er aus dem Paradies vertrieben wurde. Das war Anfang des 14. Jahrhunderts. Dem Beschuldigten rechtliches Gehör zu ermöglichen gehört zu den Tugenden der Zivilisation. Bei den Barbaren zählt Lynchjustiz – und mir wird ziemlich bange davor, wie die Würde von Menschen gewahrt werden kann, die in Verdacht geraten. Innerhalb von Sekunden sind sie Objekte des IT-Prangers, der weder Busse noch Reue noch ein Verfahren kennt, das auch eine zeitliche Begrenzung für Strafe im Sinn hat. Mich fröstelt vor der Gnadenlosigkeit, die immer neue Opfer braucht – und vor der Meute, die sie immer wieder findet. Und mich erschreckt die Dummheit eines Bischofs, der solche Mechanismen doch kennen sollte. Nebenbei: Das Sprichwort: Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand hat seine Grenze in der Tatsache, dass Ämter nicht durchgängig von Gott vergeben werden. Hegel: Das Zitat ist ein Scherz. Der liebe Gott hat seine Taktik geändert. Offensichtlich.
Posted on: Mon, 14 Oct 2013 18:38:01 +0000

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