e-Mail an den Herrgott am 15. Oktober 2013 Lieber Herrgott, im - TopicsExpress



          

e-Mail an den Herrgott am 15. Oktober 2013 Lieber Herrgott, im Moment macht es ganz sicher keinen richtigen Spass, katholisch zu sein – und das auch noch zu bleiben. Die „alleinseligmachende Kirche“ zu verlassen hat der Lehre nach böse Folgen: extra ecclesiam nulla salus est. Will sagen: Wer kündigt, meldet sich gleich in der Hölle an. So steht’s geschrieben. Wahrscheinlich stimmt aber auch: die Jungs da oben in den langen Gewändern werden erst munter, wenn es ans Portemonnaie geht. Ich gehöre ja zu den erklärten Fans katholischer Festgottesdienste, die mir gar nicht prunkvoll genug sein können. Zu Mariä Himmelfahrt war ich Zaungast im Brixener Dom – und allein der Einmarsch der Zelebranten war eine Wucht: Vorneweg die Ministrantinnen, hinterdrein der gesamte Kirchenvorstand, Lektoren und dann der niedere Klerus, dann der mittlere und am Schluss der Bischof. Die Gemeinde stand, die Frauen hatten ihre Festtagstrachten an, die Haare zu Zöpfen geflochten und hielten Blumen und Kräuter in den Händen – die Mannsbilder schauten würdig drein. Trompeten und Pauken erschallten, der Chor jubilierte zur Feier des Tages. Alle ausser mir wussten, wie der Gottesdienst funktioniert, schlugen ihre Gesangbuchseiten um – eine Anzeigetafel gab es nicht. Überflüssige Worte auch nicht, dafür jede Menge Gesten, jede Menge Weihrauch, eine kurze, zackige und gut verständliche Predigt des Bischofs. Was mir am besten gefiel war, dass der ganze Gottesdienst in einem Gestus stattfand: die Sprache war feierlich, die Musik, die Bewegungen, die Blicke. Klar, das war eine ‚closed shop“-Veranstaltung. Ich als Hereingeirrter war im Verfolgen des Ablaufs auf mich allein gestellt. Das Fürbittengebet war kurz und benannte drei, vier genau bedachte Themen deutlich. Kurz: Es war herzerhebend. Ein bisschen auch ein Gang in eine fremde Welt – aber deshalb geht man ja auch in die Kirche, um einen anderen Horizont zu suchen. Erstaunlich: ich habe mich über nichts geärgert, nicht über den barocken Prunk, nicht über die vielfarbigen Gewänder, nicht über die bürgerliche Hochkultur, nicht über die Trachten und Kräuter, die an diesem Tag gesegnet wurden. Alle anderen wussten, wie das geht. Und wer zum Leib Christi dazugehören möchte, hat sich ja nach dem Programm zu richten, das da abläuft. Die Ästhetik stimmt - in diesem Gottesdienst wird das Beste aufgefahren, was man hat an Musik, Gewändern, Texten, Gebärden. Nach einer Stunde ist die Kirche aus und die Leut‘ schauen fröhlich drein, wenn sie aus dem Dom kommen. Wohingegen jeder Gang in einen evangelischen Gottesdienst durchaus in einen grimmigen Abenteuertrip ausarten kann. Und nicht so ganz klar ist, was da eigentlich passiert. In einem Hamburger Gottesdienst geht das Programm gern mit dem Einüben eines Kanons los, dessen Melodie(?) sich der Aneignung schlicht verweigert. Danach Orgel, dann die ‚nette Begrüssung‘. Der Pastor macht in dem Gottesdienst alles selbst. Unterbrochen von Liedern, die ich noch nie gesungen habe, was meinen Unmutskamm anschwellen lässt. Ähm: Ich bin wahrlich nicht gekommen, um dauernd Lieder zu singen, die aus gutem Grund kein Mensch kennt. Was mich total durcheinanderbringt ist der ständige Wechsel der Ebenen des Klimas: bei den Lesungen ist der Pastor der Feierliche, bei der Taufe verwandelt er sich in den netten Onkel, der zu Scherzen aufgelegt ist. Dass hier ein Sakrament gefeiert wird, ist irgendwie verrutscht – und beim Abendmahl ist er wieder voll +der Heilige+. In den Gebeten schlurft das Weltelend durch den fahlen Morgen – und in der Predigt sollten eigentlich die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates und die Regierungschefs der 21 EG-Länder die Bänke als Zuhörer füllen. Sie fehlen leider unentschuldigt. Dafür kriegen WIR eins auf die Mütze. WIR sind auch und sowieso an allem schuld, WIR in den reichen Ländern. Und Gott erwartet von uns… Tja. Spass beiseite. Alexander Deeg, Theologieprofessor aus Leipzig hat gerade in „Chrismon“ ein Interview gegeben. Die Überschrift heisst: „Gott ist nicht tot. Er ist nur in einem ganz normalen evangelischen Gottesdienst eingeschlafen.“ Und er hat beobachtet, dass ein evangelischer Gottesdienst eigentlich eine einzige Predigt ist – unterbrochen von ein bisschen Musik. Fazit: Freunde, bleibt lieber katholisch. Echt jetzt.
Posted on: Tue, 15 Oct 2013 16:41:27 +0000

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