e-Mail an den Herrgott am 25. Oktober 2013 Lieber - TopicsExpress



          

e-Mail an den Herrgott am 25. Oktober 2013 Lieber Herrgott, sollen Herrscher ihr Wort halten? Oder stimmt der alte Tipp aus Rom, dass die Menschen betrogen werden wollen? Mundus vult decipi. Wieso das? Weil alle Menschen Lügner sind, gibt es eine stille Übereinkunft zwischen Herrschern und Beherrschten. Die da oben dürfen es nur nicht allzu dreist treiben. Besser hinter dem Vorhang als auf offener Bühne. Alle tüchtigen Fürsten wussten das – und wussten auch, dass der Zweck die Mittel heiligt und Moral keine politische Kategorie ist. Deshalb: Ein tüchtiger Herrscher muss zugleich die Natur des Fuchses und die des Löwen annehmen. Der Löwe ist wehrlos gegen Schlingen, der Fuchs wehrlos gegen die Wölfe. Man muss Fuchs sein, um die Schlingen zu wittern und Löwe, um die Wölfe zu schrecken. Ein kluger Machthaber darf sein Wort nicht halten, wenn dies zu seinem Schaden gereichen würde und wenn die Gründe wegfallen, die ihn zu seinem Versprechen veranlassten. Wären die Menschen alle gut – so Niccolo Machiavelli in „Der Fürst“, so wäre dieser Vorschlag nicht förderlich, da sie aber schlecht sind und das gegebene Wort auch nicht halten, hast du keinen Anlass, es ihnen gegenüber zu halten. Und der Florentiner setzt noch einen drauf: „Ein Herrscher braucht also alle die vorgenannten guten Eigenschaften nicht in Wirklichkeit zu besitzen. Doch muss er sich den Anschein geben, als ob er sie besässe. Ja, ich wage zu behaupten, dass sie schädlich sind, wenn man sie besitzt und stets von ihnen Gebrauch macht und das sie nützlich sind, wenn man sich den Anschein gibt, sie zu besitzen.“ Die Lüge gehört zum Geschäft – vom Guten soll man nicht abgehen, solange es opportun ist. Aber wenn sich der Wind dreht und das Glück sich wendet, muss ein Herrscher imstande sein, Böses zu tun. Liest Obama Machiavelli? In seiner Berliner Rede unter der „Goldelse“ am 4. September 2009 hat er für einen umfassenden Neuanfang geworben und die optimistische Formel dafür „Yes, we can!“ mit einem hohen Ton gesungen. Wenn er nächste Woche am Brandenburger Tor reden würde, könnte er wohl im Guinness-Buch landen für das imposanteste Pfeifkonzert aller Zeiten. Ist er ein Schüler Macchiavellis, der sich eine Zeitlang einen Schafspelz umgehangen hat, um seine Wolfsnatur zu verbergen? War der Friedensnobelpreis von 2009 ein grandioses Versehen – oder gehört das auch mit ins Drehbuch dieser moralischen Tragödie? Den Preis hat er ja damals für die aussergewöhnliche Stärkung der Diplomatie und zur Zusammenarbeit zwischen den Völker verliehen bekommen. Menschenrechte und Demokratie würden von ihm in neues Licht gerückt. So steht es jedenfalls in der Begründung des Nobelpreiskomitees. Das klingt heute wie glatter Hohn – und schreit danach, die Leihgabe zurückzufordern. Machiavelli war kein Zyniker, der Skrupellosigkeit empfahl. Er analysierte schlicht die Spielregeln der Macht und des Machterhalts, auch wenn er in seiner Freizeit gern ein sarkastisches Lächeln spazieren führte. Er war ein Menschenbeobachter ohne Scheuklappen. Sein Ansatz war, herauszufinden, wie man in einer feindlichen politischen Umwelt erfolgreich Macht erwerben, Macht steigern könne bis zur Grösse – und was man beachten sollte, um sie zu behalten? Und dann kommt er am Schluss seines Werkes zur berühmten Streitfrage: Soll ein Herrscher lieber grausam oder barmherzig sein? Antwort: Zuerst solle ein Herrscher tunlichst danach streben, nicht verachtet zu werden. Und da Menschen undankbar, wankelmütig und feige seien, müsse man ihnen notfalls machtvoll entgegentreten. Wie Hannibal, der für seine Brutalität gefürchtet wurde, aber Herr der Lage blieb und Anerkennung erntete. All das soll dazu dienen, das Land in Ruhe und Frieden zu führen. Dazu müsse ein Staatsmann auch böse handeln können. Als Politiker, nicht als Moralist. Tja, lieve Lüd, zählt zu diesem politischen Handwerk auch das Abhören von Telefonen und das weltweite Ausspähen von persönlichen Daten – und wie verträgt sich das mit den Hauptworten HOPE und CHANGE, mit denen er seine Macht gewonnen hat? Wofür? Das macht ja wirklich keinen Spass, so ‚brutalstmöglich‘ desillusioniert zu werden. „Verlasst euch nicht auf Fürsten“ rät der weise Psalmist. Ach ja: Kommentar des Pressesprechers des US-Präsidenten von heute: Man habe Verständnis die Besorgnis der Deutschen. Ähm: Wie heisst doch gleich der Komparativ von Zynismus?
Posted on: Fri, 25 Oct 2013 16:08:22 +0000

Trending Topics



Recently Viewed Topics




© 2015