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— Achtung besonders systemtheoretische DENKbrocken über Kommunikation sind stark von der persönlichen Meinung des Autors geprägt — Was könnte es schöneres geben, als sich an seinem freien Wochenende mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann zu befassen. Wirklich? Ehrlich gesagt, könnte es eher als eine qualvolle Erfahrung bezeichnet werden. Aber wie heißt es doch so schön, ohne Fleiß kein Preis. Um die Früchte der Erkenntnis zu ernten, kann die Anstrengung nicht groß genug sein. Die Frage ist nur, ob nach der Lektüre von “Soziale Systeme” oder “Die Gesellschaft der Gesellschaft” der allgegenwärtige Wissensdurst gestillt ist. Mittlerweile glaube ich, dass die Wissenschaftsdisziplinen dazu da sind, dass durch die Beschäftigung mit ihren Theorien nicht die gegebene Antworten im Fokus stehen, sondern eine potenzierte Anzahl an weiteren Fragen. Das klingt polemisch, ist aber nicht kritisch gemeint. Die Bildung des Menschen besteht nicht in der Formung eines perfekten Wesens, sondern in der Erweiterung des Horizontes und der Vergegenwärtigung des ultimativen Restzweifels. Evolution baby! Ich will jetzt hier keine allgemeine Einleitung zu seiner Systemtheorie schreiben. Dafür gibt es zahlreiche Werke, die das schon hervorragend gemeistert haben (Dirk Baecker ist hierbei wohl Vorreiter). Aber zwei Vorbemerkungen sind ganz wesentlich. Die Grundlage für Luhmanns Aussagen ist die Evolutionstheorie. Soziale Systeme entwickeln sich genauso wie biologische Organismen. Er geht davon aus, dass auch im menschlichen Zusammenleben Gesellschaftsstrukturen aufgrund von kontingenter Variation und anschließender Selektion entstehen. Kontingenz bedeutet für Luhmann, dass etwas nicht notwendig, aber auch nicht unmöglich ist. Es ist also nicht vorbestimmt wie eine Gesellschaft konstruiert ist und an welche Ordnungen sie sich halten muss. Dennoch bleibt sie pfadabhängig und ist an die Möglichkeiten der historischen Entwicklung gebunden. Für Luhmann steht die Erkenntnis, dass alles auch anders sein könnte, im Mittelpunkt seiner Theorie. Dies hat enorme Konsequenzen für das Verständnis seiner Auffassung von sozialen Systemen und deren Strukturen. Auch in der sozialen Evolution sind die Dinge von Zufällen, Versuch und Irrtum, aber auch von Tendenzen der Höherentwicklung geprägt. Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist… Der zweite Einflussfaktor ist der Konstruktivismus. Auch wenn für Luhmann der Mensch nicht im Vordergrund seiner Theorie steht – für Luhmann sind soziale Systeme mehr als die Summe aller individuellen Handlungen – übernimmt er die subjekttheoretischen Annahmen des Konstruktivismus. Demnach hat der Mensch keinen unmittelbaren Zugriff auf die objektive Realität. Jedes Individuum ist Konstrukteur seiner eigenen Wirklichkeit. Sein Bild wird auf dem Hintergrund seiner bisherigen Erfahrungen konstruiert. Natürlich wird eine objektive Welt nicht verneint, dennoch liegt diese dem Subjekt immer nur ausschnitthaft und aus einer reduzierten Perspektive vor. Wichtig ist, dass der Mensch aktiv dafür sorgen muss, die sinnlichen Wahrnehmungen in die bestehenden Konstrukte einzubauen. Anders könnte er die Welt nicht beobachten. Er muss Systeme unterscheiden und bezeichnen, um sie folglich interpretieren und verstehen zu können. Diese Vorstellung hat großen Einfluss auf Luhmanns Theorie der Kommunikation. Was die Welt unterscheidet? Der Mensch natürlich! “Ein System ´ist´ die Differenz zwischen System und Umwelt.“ Mit dieser paradox anmutenden Formulierung meint Luhmann, dass ein System immer dann entsteht, wenn es sich von einer beliebigen Umwelt abgrenzt. Durch die Systeme wird die Welt eingeteilt, geschnitten, zerlegt, gespalten in System und Umwelt; auch der Beobachter ist ein System, das andere Systeme mithilfe der Unterscheidung von System und Umwelt beobachtet. „Am Anfang steht also nicht Identität, sondern Differenz.“ Nur durch Differenz wird es möglich Zufällen Informationswert zu geben und Ordnung zu erschaffen. Luhmann tauscht also für seine Analysen Objekte gegen Unterscheidungen ein, welche getroffen werden müssen damit Systeme entstehen. Insgesamt wendet Luhmann eine Differenzlogik an, in der alle Formen des Handelns und Erlebens immer Differenzen (Unterscheidungen) sind, welche durch Selektionen getroffen werden müssen, aber auch sämtliche nicht gewählten Möglichkeiten implizieren. Auch hier kommt die grundlegende Kontingenz sozialer Phänomene zum Vorschein, ohne die alle Unterscheidungen bereits festgelegt wären. Der Mensch muss sich immer damit auseinandersetzen, dass er durch seine Entscheidungen, Handlungen und Kommunikationen bestimmten Dingen an Gültigkeit zukommen lässt, dadurch aber gleichzeitig alles andere als zunächst unerreichbar ausschließt. Luhmann und die Kommunikation Mich hat bei Luhmann immer seine Vorstellung von Kommunikation gereizt und angehalten seine Bücher zu lesen. Für Luhmann spielt Kommunikation eine wichtige Rolle, sie steht aber nicht im Vordergrund seiner Bemühungen. Ihm geht es mehr um die soziale Ordnung der Gesellschaft bzw. der Gesellschaften. Dass diese wiederum ohne Kommunikation nicht zustande kommen würden verstärkt die Strahlkraft und Begeisterungspotenz von Kommunikation an sich. Kommunikation ist bei Luhmann eine genuin soziale (und die einzige genuin soziale) Operation, da sie zwar eine Mehrheit von mitwirkenden Bewusstseinssystemen voraussetzt, aber (eben deshalb) als Einheit keinem Einzelbewusstsein zugerechnet werden kann. Deshalb kommunizieren bei Luhmann auch keine Subjekte oder Systemelemente, sondern nur die Kommunikation selber. Der Mensch wird ausgeblendet, da Kommunikation mehr ist als nur das einzelne Individuum und folglich würde es auch nicht ausreichen seine wissenschaftlichen Analysen über Kommunikation auf den Menschen auszurichten. Für Luhmann ist Kommunikation eben nicht soziales Handeln von Menschen. „Als Ausgangspunkt ist festzuhalten, daß Kommunikation nicht als Handlung und der Kommunikationsprozeß nicht als Kette von Handlungen begriffen werden kann. Die Kommunikation bezieht mehr selektive Ereignisse in ihre Einheit ein als nur den Akt der Mitteilung.“ Anders ausgedrückt, Handeln ist für Kommunikation notwendig aber noch nicht hinreichend. Durch Kommunikation werden ebenfalls Unterscheidungen getroffen. Sie muss immer differenzieren zwischen allen möglichen Informationen und denen, die sie verwendet. Es ist unmöglich nichts aus der Kommunikation auszuschließen, vielmehr wird nur ein sehr geringer Teil unterschieden. Luhmann zeigt mit seiner kommunikativen Differenzlogik, dass die Möglichkeiten der Kommunikation begrenzt sind und zwar genau auf die Möglichkeiten, die sie selbst bietet. Diese tautologisch anmutende Feststellung möchte die sehr beschränkten Möglichkeiten der Kommunikation aufzeigen. Kommunikation kann durch ihren Zwang zur Selektion immer nur auf einen minimalen Ausschnitt der Wirklichkeit reagieren. Es ist nicht möglich auf andere Operationen, außerhalb des Kommunikationsprozesses zurückzugreifen, um dieselben Ziele zu erreichen. Die Unterscheidung (Differenz) zwischen Kommunikation (soziales System) und Individuum oder Subjekt (psychisches System) ist nicht integrierbar oder aufzulösen. Kommunikation ist immer an diese Differenz gebunden und kann somit auch nicht für eine allgemeingültige Verständigung sorgen. Aufgrund dieser Annahme steht Luhmann der konsensorientierten und universalistischen Theorie des kommunikativen Handelens von Jürgen Habermas äußerst kritisch gegenüber. Die Sprechakttheorie, so Luhmann, lasse das Verstehen und den Verstehenden draußen und müsse es dann gleichsam in der Gestalt von Kontrolleffekten auf Seiten des Mitteilenden wieder einführen, wodurch die Kommunikation normativ aufgeladen wird. Werte und Normen, die für Zusammenhalt sorgen sollen, sind nach Luhmann für die Kommunikation nicht relevant. Seine Theorie ist nicht normativistisch. Rationalität des Kommunizierenden und Handlungsnormen spielen keine Rolle. Kommunikation kann nicht versagen, sie kann nur aufhören. Für Luhmann ist Kommunikation nicht durch Rationalität, sondern im sozialen Kontext konditioniert. „An die Stelle des Übertragungskonzeptes und des Konzeptes der kommunikativen Intentionalität setzt die Systemtheorie das Konzept der Rekursivität. Ein Verhalten wird erst dann zu einem Element von Kommunikation, wenn eine Folgekommunikation anschließt“ (Schützeichel 2004, S.289). Ein kommunizierendes Wesen ist von anderen kommunizierenden Wesen abhängig in seiner Kommunikation, die dennoch kontingent ist. Sie ist sogar durch doppelte Kontingenz geprägt, da sowohl die Informationen des Kommunikators offen sind, als auch die Reaktionen des Rezipienten, da beide nicht wissen wie der jeweils andere reagiert, worüber er sich unterhalten möchte oder kann und welche Kommunikation im nächsten Schritt überhaupt sinnvoll werden wird. Kommunikation kann nicht geplant und auch nicht einseitig gesteuert werden. Jeder ist von Jedem anhängig. Die magische Drei Aber woraus besteht Kommunikation, wenn sie nicht aus rationalem Handeln besteht? Wie erwartet besteht Kommunikation aus Differenzen und Selektionen. „Kommunikation greift aus dem je aktuellen Verweisungshorizont, den sie selbst erst konstituiert, etwas heraus und läßt anderes beiseite. Kommunikation ist Prozessieren von Selektion.“ Sie ist sogar eine Synthese aus drei Selektionen – Information, Mitteilung und Verstehen. Es handelt sich um eine dreistellige Einheit, die dafür sorgt, dass Kommunikation als emergentes Geschehen zustande kommt. „Information ist eine Differenz, die den Zustand eines Systems ändert, also eine andere Differenz erzeugt.“ Es wird also das gesamte System verändert und neu unterschieden, wenn Information durch Kommunikation selektiert wird. Die Kommunikation schöpft bei der Auswahl aus einem bekannten oder unbekannten Repertoire an Möglichkeiten. Mit der Mitteilung ist die Auswahl eines kommunizierenden Systemelements gemeint, welches sich entscheidet die Information mitzuteilen. An dieser Stelle kommt die Handlung ins Spiel. Ohne die Handlung eines Subjektes könnte Kommunikation in sozialen Systemen nicht zustande kommen, aber diese reicht nicht aus, damit Kommunikation stattfinden kann. „Die Mitteilung selbst ist zunächst nur eine Selektionsofferte. Erst die Reaktion schließt die Kommunikation ab, und erst an ihr kann man ablesen, was als Einheit zustande gekommen ist.“ Die dritte und wichtigste Selektion ist das Verstehen. Erst im Verstehen wird eine Aussage als Mitteilung konstruiert und damit zugerechnet. Im Wesentlichen ist nicht das umgangssprachliche Verstehen gemeint, sondern die Unterscheidung zwischen dem was mittgeteilt wurde und dem der diese Handlung durchgeführt hat. Das Verstehen kommt dann zustande, wenn Ego (bei Luhmann ist das der Adressat und nicht der Mitteilende, da dieser die zentrale Rolle im Prozess einnimmt) die Information von der Mitteilung von Alter differenziert. Zum guten Schluss Ein wesentlicher Grund für den beschriebenen Selektionszwang dieser Differenzlogik ist die Tatsache, dass der Mensch ein Mängelwesen ist, dass nur begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung hat um sein Leben zu gestalten. Des Weiteren ist die Welt, in der er lebt, von sehr hoher Komplexität. Damit er unter diesen Bedingungen dennoch existieren kann, muss er Systeme bilden, deren ureigene Funktion es ist gerade diese Komplexität der Umwelt zu reduzieren und für den Menschen handhabbar zu machen. „Erst durch den Aufbau von Systemen wird überhaupt Bedeutungsverleihung möglich, weil Systeme uns zwingen, uns auf einen vergleichsweise kleinen und damit prinzipiell beherrschbaren Ausschnitt der Welt zu konzentrieren“ (Joas/Knöbl 2004, S.364). Menschen sind evolutionären Bedingungen unterworfen, wenn sie mit Komplexität umgehen müssen. Dabei hilft Kommunikation die Komplexität zu reduzieren, damit die Lebewesen überhaupt erst überlebensfähig sein können. Kommunikation nimmt die zentrale Rolle für soziale Beziehungen und den Kontakt mit anderen Menschen ein. Sie bildet das, was Menschen verbindet. In der Praxis merken wir, wie komplex und kontingent Kommunikation ist, da sie von vielen Faktoren abhängig ist. Dies macht sie für die einzelnen Menschen unkontrollierbar. Nur die Evolution bestimmt die Regeln und Verfahren der sozialen Strukturen. Für professionelle Kommunikatoren bedeutet dies, dass sie sich einerseits der Kontingenz stets bewusst sein sollten und andererseits die kommunikativen Strukturen in denen sie sich bewegen immer aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachten müssen. So bleibt am Ende der bereits erwähnte Restzweifel über das, was Kommunikation ist, wie sie funktioniert und wie wir sie besser nutzen können (für welche Ziele auch immer). Hier kann auch die abstraktesten Theorie keine Sicherheit schaffen. Es bleibt zu sagen, dass die Methoden von Zeit zu Zeit angepasst und überarbeitet werden müssen, damit die Ziele weiterhin erreicht werden. Was konkret anzuwenden ist muss in der Praxis durch Versuch-Irrtum-Verfahren ausprobiert und empirisch untersucht werden. Mit einem freundlichen Gruß an meine Freunde der Weisheit! (Se)
Posted on: Tue, 11 Jun 2013 19:56:20 +0000

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