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Seite 146 Mein Leben hatte, von kleinen Querelen abgesehen, einen guten Lauf. Mir fiel alles leicht, das Lernen im Geschäft und die Berufsschule. Manchmal fragte ich mich, ob das in der Schule nicht zu leicht fiel. Es hatte allerdings den Vorteil, dass ich relativ viel Freizeit hatte und keine Zeit mit büffeln verbringen musste. Außerdem wehte in der Berufsschule ein anderer Wind. Dort waren wir alle Friseurlehrlinge und keiner hätte auf Grund dessen die Nase über den anderen gerümpft. Zu intimen Zusammenschlüssen innerhalb der Klassengemeinschaft kam es nicht, entweder kannte man sich noch aus der Schulzeit oder man blieb unverbindlich. Das führte dazu, dass keine Eifersüchteleien entstanden und ich konnte mich austoben, ohne blöd angemacht zu werden und wurde Klassenprimel. Damit hatte ich kein Problem, denn es neidete mir niemand und es fühlte sich gut an. Mir war klar, dass das kein Hochschuldiplom war, aber ich lernte mit Erfolg umzugehen. Es war Mitte Mai und Papa fragte, ob ich auch in diesem Jahr wieder mit auf das Rinkscheider Schützenfest gehen wolle. Eigentlich war das mehr ein Familientreffen des Lahme-Clans, als dass es um das Fest ging. Papas Mitgliedschaft war eher eine Formalität als eine Herzensangelegenheit. Mama mochte Vereinsmeierei nie besonders, aber die Beiden hatten sich arrangiert: Keine Uniform! Ich beschloss mitzugehen, denn ich war gespannt, was meine ehemaligen Mitschüler beruflich machten. Große Hoffnungen, dass noch jemand mit mir sprechen würde, machte ich mir nicht, denn im vorigen Jahr hatte mir kaum jemand Beachtung geschenkt. Der Briefwechsel mit Ulla, der nie besonders befriedigend gewesen war, sondern eher einseitig, ich schrieb zwei , drei Seiten , und einsilbig, ihr fiel offenbar nichts ein, war komplett eingeschlafen. Als Lehrling musste ich samstags bis 18.00 arbeiten. An den Samstagen kam eine Aushilfe, die auch hier im Geschäft ihre Ausbildung gemacht hatte. Mir waren in meinen jungen Leben schon einige Lahmärsche begegnet, aber so eine Fehlen jeglichen Temperaments verschlug mir den Atem. Und das im wörtlichen Sinn. Sie machte mich derart nervös, dass meine Bronchien anfingen zu rasseln, wie ein Kettenpanzer. Außerdem war sie strunzdumm und jeglichen Witz nahm sie für bare Münze , sie wirkte mit ihren Mitte bis Ende zwanzig wie ein Truttchen und ihre Betulichkeit wäre einer Matrone würdig gewesen. Ständig erzählte sie uns Lehrmädchen, wie sie in jeder freien Minute gelernt habe und auf die Frage ob ich denn auch schön ordentlich lernen würde, antwortete ich wahrheitsgetreu mit NÖ! Oh Gott, dann bestehst du aber die theoretische Zwischenprüfung nicht! Wieso? Dann schreibst du schlechte Noten! So`n Quatsch! Mal ehrlich, wie stehst du denn so? Alles eins , naja , manchmal eins minus. Es machte mir solchen Spaß, sie zu quälen. Wie geht das denn? Einfach so! Das verstand sie nicht und ich hatte keine Lust ihr das zu erklären. Nun machte mich diese fleischgewordene Valiumtablette für das Schützenfest hübsch. Sie bestand darauf, dass ich anständig frisiert würde. Nicht nur , dass ich befürchtete bei ihrem Tempo im Rentenalter noch in diesem Stuhl zu sitzen, befürchtete ich auch, dass sie mir ein Krätzchen * nach ihrem Geschmack verpassen würde. Dem war dann auch so. Trotz hoher Stirn und angeborenen Geheimratsecken wurde meines Hauptes Zierde leicht diagonal nach hinten toupiert und gekämmt, lediglich eine fusselige Sechs a la Liz Taylor wurde mir in die Stirn gekämmt und das dauerte und dauerte.....dann sah ich aus wie die junge Wilhelmine Lübke! Welch Freude! Nur gut, dass ich den Salon noch putzen musste, so kroch ich diesmal besonders gründlich in alle Ecken, wobei ich diesen Bienenkorb auf meinem Kopf , zu meiner großen Freude , ziemlich ruinierte. Als ich mit hochrotem Kopf und ziemlich verschwitzt aus der Unterwelt der Siphons auftauchte, sah ich aus, als hätte ich in eine Steckdose gefasst. Der Chef grinste: Jetzt war alles umsonst. Ich war mir sicher, dass er mich durchschaut hatte und grinste ein schulterzuckendes Tja zurück! Kämm dich aber, bevor du nach Hause gehst! Dann trollte er sich noch breiter grinsend davon. Und ob ich das tat! Jawoll! Den ganzen Driss raus .Jetzt sah ich wieder aus wie ein Teenager und Mama schlug dem fremden Wesen vor der Tür nicht dieselbe vor der Nase zu, wenn ich Einlass begehrt hätte. Zu Hause gönnte ich mir eine Körperpflege und machte mich bunt, meine Hässlichkeit kultivieren, wie ich es nannte! Komplettes make up mit fettem schwarzem Lidstrich, knallrote Fingernägel, hautenges von Mama genähtes Etuikleid in Beerentönen abstrakt gemustert, schwarze Pumps und ein witziges schwarzes Beutelchen als Handtasche, das Papa irgendwo aufgetan hatte. Et voila! Mama fand es gut und Papa seufzte: Oha! Jetzt geht das auch los! So ganz verstand ich diese Äußerung nicht, hatte aber eine leise Ahnung. Ich schnappte meine Reisetasche, verstaute sie im Kofferraum und war sehr gespannt auf das, was da kommen würde. Und als ob Mama Gedanken lesen könnte, kam ihre Bemerkung: Das wird bestimmt lustig! Meinst du nicht, wir haben ein bisschen übertrieben? gab ich zu bedenken. Ach was! Als wir in Rinkscheid das Schützenzelt betraten war es schon 21.00 und die Stimmung war schon recht bierseelig. Der Clan saß in der Ecke in der er immer saß und wir wurden freudig begrüßt . Mein Bruder , schon leicht angesäuselt verzog angewidert das Gesicht, als er meiner ansichtig wurde und blaffte Papa an: Ihr seid genauso verkommen und bescheuert wie eure nuttige Tochter! Papa wurde erst blass, dann zornesrot . Dann fasste er ihn fest beim Oberarm und zischte ihm zu: Du scheinst dich ja mit Nutten bestens auszukennen. Jetzt setzt du dich hin, hälst den Mund und lässt das Mädchen in Ruhe. Es müssen ja nicht alle Frauen aussehen wie Müllsäcke. Im Gegensatz zu dir weiß deine Schwester genau was sie tut. Ich begrüßte derweil die Verwandtschaft und tat so, als hätte ich von all dem nichts mitbekommen. Aber in mir gärte es. Nun fiel mir auf, dass es um uns herum ruhig geworden war. Lag es an meinem Auftritt oder an der Szene , die mein Bruder gemacht hatte. Seine Gattin jedenfalls verzog ihr Gesicht, als hätte man sie gezwungen , einen Nachttopf zu leeren. Als ich Platz genommen hatte und mich umsah, stellte ich fest, dass Liesel und Ulla gar nicht weit von uns weg saßen. Ich nickte ihnen freundlich lächelnd zu, sie aber drehten sich mit dem Rücken zu mir und tuschelten. Na gut! Ich passte halt nicht zum Rüschendeckchenplüschlook! Mir mangelte es nicht an Tanzpartnern, aber wenn sie nach Bier und/ oder nach Schweiß rochen, lehnte ich dankend ab. Im Laufe des Abend formierten sich Grüppchen und irgendwann saß ich zwischen zehn jungen Männern, die noch einigermaßen nüchtern, recht angenehme Gesprächspartner waren. Einer davon war Fritz Müller, der große Bruder von Rolf, mit dem ich eingeschult worden war. Ich habe das schondamals gewusst, dass du mal so ganz anders wirst und du hast es durchgezogen...Hut ab! Schön war er nicht, aber amüsant! Es wurde schon hell , als ich mit meinen Eltern in Richtung Tante Änne aufbrach, den Arm voller Plastikrosen, die für mich zu schießen, jene junge Männer sich berufen gefühlt hatten. Ich fand das lustig , aber Papa meinte , er hatte einen Kleinen sitzen, es wäre leichter für ihn, wenn ich eine Schrabbenelse sein würde. Bin ich doch!
Posted on: Mon, 14 Oct 2013 22:30:37 +0000

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