Seite 147 Der Kollege, der mir dereinst mein Haupt geschoren - TopicsExpress



          

Seite 147 Der Kollege, der mir dereinst mein Haupt geschoren hatte, was ich ihm nie verziehen habe, zeigte von Anbeginn meiner Lehre ein seltsames Interesse an meinem Fahrgestell. Wenigstens einmal pro Woche legte er mir nahe, meine Beine versichern zu müssen. Na klar doch! Bei Lloyds, wenn Sie zahlen! Ich wusste nur von Marlene Dietrich, dass sie für Millionen die Beine versichert hatte. Wie bitte stellte sich dieser Knallkopp vor, sollte ich die monatliche Rate bei 40.00 DM Lehrlingslohn pro Monat aufbringen? Und was sollte der Blödsinn? Was der immer mit der Versicherung für meine Schochen hat! Annerose grinste. Sie war ein reizender Mensch und ich mochte es, mit ihr zu arbeiten, im Gegensatz zu der Dampfmaschine. Die feierte im Moment krank mit einer Sehnenscheidenentzündung und wir zwei genossen ihre Abwesenheit. Annerose hatten einen wunderbaren Humor, Mutterwitz und ein großes Herz. Ihre Sensibilität stand im krassen Gegensatz zu ihrer stämmigen Figur und ihrer burschikosen Art. Unser Chef war , wie der Sauerländer sagt, ein Bollerkopp. Er war nicht bösartig oder gewalttätig, das wusste ich, denn er hatte Uli nie ein Haar gekrümmt, aber manchmal brauste er auf und das mit einer ordentlichen Phonzahl. Außerdem war er ungeduldig, wenn er Anzeichen von Begriffsstutzigkeit auch nur vermutete. Das ging Annerose immer nahe und manchmal weinte sie sogar. Mir ging das ziemlich am Gesäß vorbei, was ihn dann noch fuchtiger machte und er dann brummelnd davon stapfte, geräuschvoll versteht sich. Ich wusste, das ging vorüber und dass er mir garantiert nichts tat. Nachdem ich Annerose nun also erzählt hatte , dass der Kollege mich zum wiederholten Mal wegen der Beinversicherung genervt hatte, ging diese zu Ulis Mutter, die darauf zum Chef ging und dann zu mir kam und mir zuraunte: Wenn bei ihm mal die Sprache auf *schönes Stöffchen* kommt, hast du freie Hand. Das erschien mir im Moment doch sehr kryptisch, aber ich vermutete, dass sie das nicht ohne Grund sagte und auf meine Begriffsfähigkeit baute. Es vergingen ein paar dampfmaschinenfreie ruhige Tage gegen Ende des Monats und es war wie immer vor dem Ersten, ziemlich ruhig. Putzen war angesagt. Nicht zwingend zur Freude der Lehrlinge, aber die Zeit ging um. Während Annerose das Kabüffchen aufräumte , in dem Farben, Dauerwellflüssigkeiten und andere Utensilien aufbewahrt wurden, putzte ich im Damensalon in Ecken, die man sich sonst nicht jeden Tag vornahm, als der Kollege um die Ecke geschlichen kam. Ich tauchte gerade den Lederlappen ins Wasser und wrang ihn aus. Auch sehr junge Frauen haben einen siebten Sinn für prikäre Situationen und ich war gespannt vom Kopf bis zu den Zehen. Da trat er auf mich zu , ergriff mit beiden Händen das Revers meines Kittel und ließ die Handrücken über die Stelle hier wird vermutet gleiten und sagte mit süffisantem Grinsen: Schönes Stöffchen!In der rechten Hand den nassen Lederlappen trat ich einen Schritt zurück und dann patsch, patsch, patsch patsch, schlug ich ihm den rechts und links um die Segelohren, dass es klatschte. Dabei stieß ich zischende Laute aus. Er stand da wie angewurzelt und ich sah hoch und erblickte in einem der Spiegel den Chef, der, als er bemerkte, dass ich ihn gesehen hatte , aus meinem Blickfeld verschwand und etwa eine Minute später den Kollegen rief, der mit knallroten Striemen im Gesicht verschwand. Annerose kam angebraust. Sag bloß , du hast dem Eine geknallt? Eine? Ich habe ihm den Lederlappen rechts und links um die Ohren geklatscht. Du darfst das , du bist ja die Freundin von Chefs Tochter... Das hat damit nichts zu tun...glaub mir, du darfst das auch....wirklich. Wieder einmal wurde mir klar, wie anders doch meine Erziehung gewesen und immer noch war. Ich musste mir von sogenannten Erwachsenen nicht alles gefallen lassen, schon gar nicht, wenn es nicht recht war und es mir unangemessen erschien. Ich jedenfalls musste mich künftig keiner Stöffchenprüfung mehr unterziehen und mein Verhalten hatte auch keine Konsequenzen für mich, wie Annerose befürchtete. Der Chef bemerkte lediglich ganz beiläufig, der Kollege habe ganz schön rote Ohren gehabt, worauf ich nur die Schultern zuckte. Aber bei Papa habe ich gepetzt und bin sicher, dass der das auf seine Weise außerhalb des Geschäftes geregelt hat. Wenn es um so was ging, konnte Papa sehr böse werden. Und ich war froh, so was ohne Angst zu Hause erzählen zu können, ohne dass man mir dafür die Schuld gab. Manche trauten sich gar nicht, ihren Eltern von unangenehmen Dingen zu berichten. Mir war so bewusst , dass ich es gut hatte und war unendlich dankbar dafür. Mit Ulrike habe ich mich tagelang über diesen Vorfall amüsiert und ihr zigmal pantomimisch die Stelle mit dem Platsch, Platsch vorgespielt. Sicherlich meine und auch ihre Art, damit umzugehen und eine große Spannung abzubauen. ********* Ende Juni Anfang Juli nahm ich meinen Urlaub. Ich traf mich mit Uli, wir machten unsere Runden , gingen zu ihr, hörten Musik oder lasen uns vor. Ein paar Tage fuhr ich zu Oma Maria, die mir in einem Brief mitgeteilt hatte, dass Ingrid mit ihrem Freund nach Frankreich durchgebrannt sei. Nun war der aber zwischenzeitlich, ohne Ingrid wieder zurück, weil sein Urlaub zu Ende war. Er hatte berichtet, dass sie auf dem Campingplatz einen Franzosen kennen gelernt hatte, mit dem sie dann wiederum durchgebrannt war und jetzt als verschollen galt und ihre Mutter in heller Aufruhr war. Einen Tag bevor ich zu Oma fuhr, ereilte mich telefonisch die Nachricht, dass Ingrid inzwischen von der französischen Polizei aufgegriffen, an die deutsche Polizei überstellt und wieder zu Hause sei. Mir fiel ein Stein vom Herzen. . Wenn ich ihre Aktion auch nicht so ganz billigte, so wollte ich bestimmt nicht, dass ihr etwas zustieß. Auf Flehen ihrer Eltern nahm der Zahnarzt sie auch wieder als Auszubildende an, allerdings mit einem halben Jahr Ehrenrunde. Als ich sie traf sprach sie nur noch französisch...ob richtig oder falsch weiß ich nicht, aber Oma schüttelte nur mit dem Kopf , äußerte sich aber nicht dazu. Ich hatte gehofft, sie würde sich verraten. Tat sie aber nicht. Sie blieb diesbezüglich eine verschlossene Auster. An dem Wochenende , als ich wieder zu Hause war, stand Gisela freitagabends vor der Tür. Wo warst du denn? Du hättest mir auch was sagen können! Ach ja? Muss ich dich jetzt um Erlaubnis bitten, wenn ich verreise? Du weißt genau , wie ich das meine. Wir gehen nämlich morgen Abend zu einer Fete. Das schlug dem Fass den Boden aus! Wie ? Wir? Jetzt arrangierst du schon meine Termine oder was...? Sie geriet ins Stammeln ja...nein...ich habe da jemanden...und der hat einen Freund....und der hat gefragt ob jemanden mit bringen.... Sag mal, hast du `nen Knall. Willst du mich verkuppeln? Wer weiß, was das für `ne Bratze ist.. Akne und Schweiß womöglich... Ach bitte komm doch mit. Ich weiß doch sonst nicht, wie ich dahin kommen soll! Ha! Da war die Katze aus dem Sack! Sie wusste genau, das mein Papa mich hinfuhr , wohin ich wollte und mich auch wieder abholte, weil er dann beruhigt war, da ich sicher wieder nach Hause kommen würde. S E D !Ich kochte. Waaas? Sucht euch Dumme! schnauzte ich sie an. Bitte! Ich überlege mir das...ich bin stinksauer...mach das nie wieder...bestimm nicht über meinen Kopf hinweg...hast du das gehört? Nie wieder. Sonst knallt es, dann kannst du mich nämlich für den Rest des Lebens so was von am Arsch lecken...ich hasse das. Das machen noch nicht mal meine Eltern...du schon mal gar nicht. Als sie so dastand wie ein begossener Pudel und mir noch nicht einmal wiedersprach, tat sie mir schon fast leid. Sie stritt sich nicht mit mir und es war besonders schlimm für mich, weil ich zu wissen glaubte, warum. Es ging dabei weniger um die Zuneigung zu mir, sondern um meinen praktischen Nutzen. Da Uli an diesem Samstagabend was vor hatte, bat ich Papa Gisela und mich zu dieser Party zu fahren und uns gegen 23.00 wieder abzuholen. Kann der nicht später kommen! Nee! Immer noch nicht zufrieden? Der opfert seine Freizeit! Vielleicht möchte er mal ausschlafen! Wo ist denn dein Papa , hä? Wir haben kein Auto..und der darf auch nicht wissen.... Dann halt die Klappe! Das konnte ja heiter werden. Um Punkt 20.00 standen wir in Meinerzhagen in einer Neubausiedlung an der angegebenen Adresse. Ich weiß nicht warum, aber ich habe mir von jeher Orientierungspunkte gemerkt, wenn ich an einem unbekannten Ort unterwegs war. Markante Punkte, wie Kirchen....in diesem Fall war es eine Kneipe mit einer auffälligen Außenbeleuchtung, auf der ein riesiger weißer Hirsch prangte. Als wir in die Paterre-Wohnung kamen , es handelte sich offensichtlich um einen Fall von sturmfreier Bude, hingen schon knutschende Pärchen in Sessel und auf der Couch. Der Gastgeber war offensichtlich der, der Gisela eingeladen hatte. Der Himmel mochte wissen, wo sie den aufgegriffen hatte. Meine schlimmsten Befürchtungen , was den freundinlosen Freund betraf wurden noch überboten und ehe ich überhaupt ein Glas zu trinken bekam, stürzte dieser überfallartig neben mir auf die Couch , streckte die Zunge einen halben Meter heraus und wollte mich abschlecken. das fehlte mir auch noch, dass dieser Kotzbrocken mich vollsabberte. Hey stopp, nicht so schnell! Vielleicht sollten Sie sich erst mal vorstellen und überhaupt , wie stellen Sie sich das vor! Ich mag Wortspiele und offenbar verfehlten die ihre Wirkung nicht, denn es herrschte einen Moment Verwirrung bei dem Schlabbersack und ich konnte aufspringen, mein Täschchen fest an die Brust gepresst, einen Fluchtweg anvisierend. Da war das Bad. Ich hörte eine Wasserspülung und jemand aus der Tür kommen. Er stammelte was von Traumfrau...toll...und lauter dummes Zeug. Bei so was hilft nur die Flucht nach vorn. Also ich möchte mich wenigsten vorher frisch machen! und strebte zielsicher auf die Badtür zu. Ich schaffte es knapp, sie ihm vor der Nase zuzuknallen und drehte den Schlüssel um. Dann schnappte ich ein Handtuch , hängte es über die Klinke, damit dieser notgeile Oberaffe nicht lünkern konnte, öffnete den Wasserhahn, bestätigte die Spülung, öffnete das Fenster und sprang auf den Rasen und dann rannte ich , als sei der Leibhaftige persönlich hinter mir her. Ich rannte bis ich den Hirsch sah und ich rannte bis ich vor der Theke stand um dann zu keuchen: Ich muss ganz dringend meinen Papa anrufen! Nu` beruhig` dich ma Mädchen! Hat dir jemand was getan? wollte der Wirt wissen. Ich war wieder bei Atem und antwortete seelenruhig: Das habe ich ja zu verhindern gewusst. Könnte ich bitte einen Kaffee haben! Der Wirt reichte mir das Telefon über die Theke und Wirt nebst Gäste hörten , sichtlich erheitert zu, wie ich Papa schilderte, was vorgefallen war und wo ich Asyl gefunden hatte. Bleib wo du bist! Ich komme gleich. Ich muss mir nur noch was anziehen, ich hatte mich ein wenig hingelegt! Da hast du aber einen tollen Papa und du bist ein pfiffiges Mädchen! Aber klar doch! Alle betüddelten mich und ich wäre bestimmt an einem Herzkasper gestorben, wenn ich alles gegessen und getrunken hätte, was man mir ausgeben wollte. Als Papa kam, sollte der auch noch vom Wirt ein Bier spendiert bekommen. Danke, ich brauche meinen Führerschein ! lehnte Papa ab. Dann wenigstens eine Cola oder Limo. Na gut, dann einen Kaffee! Als Papa meine Getränke bezahlen wollte, war der Wirt fast beleidigt. Ehrensache! Ich bedankte mich noch einmal und winkte allen zu. Und was ist mit Ette...? Papa, die hat mich in die beschissene Lage gebracht, die kann von mir aus verrotten! MARINA! Ist doch wahr! Apropos verrotten. Ich stellte mir vor , wie man dereinst die Gebeine des Jünglings vor der Badezimmertür fand, weil der Blödi tatsächlich geglaubt hatte, ich würde wieder aus dem Bad kommen .....und musste schallend lachen.
Posted on: Tue, 15 Oct 2013 21:17:54 +0000

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