Subway to Sally’s Neudefinierung „Engelskrieger“ - Das - TopicsExpress



          

Subway to Sally’s Neudefinierung „Engelskrieger“ - Das Leid des einzelnen Individuums als Sinnbild einer kranken Gesellschaft - (VÖ: März 2003 Vielklang Records) Da sind die Könige des Metal-Folk Subway to Sally also wieder. Die sieben Potsdamer um Frontman Eric Fish präsentieren ihr nunmehr siebentes Studioalbum. Man kennt sie bestens, jedoch sollte sich der Hörer oder Fan frei von Erwartungen oder gar Vorurteilen machen, denn das was Subway hier abliefert ist anders als bisher gewohnt. Zeichneten sie sich doch bislang als Verfechter der Stilmischung von Folk und Metal aus, spielten Drehleier, Dudelsack und Schalmei - traten diese schon auf dem Vorgängeralbum immer stärker in den Hintergrund und ebneten Akousticgitarren immer mehr den weg, so wurden Schalmeien oder Drehleiern nun geradezu verdrängt. Bevor sie in die Versuchung verfallen konnten sich zu wiederholen, haben Subway to Sally eine sehr mutige Vollbremsung gemacht, bei der einiges durch die Frontscheiben geschleudert wurde, was nicht sicher verstaut war. Die Geschichte des neuen Albums fängt ungewöhnlich an. Denn eine erfolgreiche Band, auf dem bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens angekommen, stellt sich selbst in Frage. Zufrieden, mit dem, was man bislang erreicht hat, doch gleichzeitig unruhig, dass man sich mit dem bisher Erreichtem allzu zufrieden geben könnte. „Erfolg verleitet, sich darauf auszuruhen, und was einst als Inovation, künstlerischer Mut und Risikobereitschaft in der Öffentlichkeit für Furore sorgte, endet im Stillstand. Nach jedem Album findet innerhalb der Band ein Überdenken der Arbeit statt, aber diesmal war das mit dem Gefühl verbunden, dass es wirklich ans Eingemachte gehen muss. Herzblut war der ganz normale Schritt weiter auf dem Weg hin zu neuer Instrumentierung und Interpretation der Texte von Bodenski. Diesmal aber haben wir länger als je zuvor zusammengesessen und geredet. Sehr viele Gedanken über das Konzept von STS bzw. über den gemeinsam bisher bestrittenen Weg wurden durchdiskutiert, und am Ende enstand ein recht klares Bild dessen, was wir wollen: Eine Veränderung, die sich nicht auf Grundsätzliches bezieht, sondern einen deutlichen Schritt in Richtung Moderne bezieht. Es war das Gefühl da, was neues anfangen zu müssen, um Dinge die einen jetzt beschäftigen zu vertonen. Dann langsam entstanden auch die ersten Texte und mann merkte recht deutlich, dass hier etwas neues vielleicht auch aggressiveres, provokanteres entsteht. Ob ihr uns mögt oder nicht, hört euch das Album an! Akzeptiert nicht, das Subway to Sally eine Band mit Dudelsäcken und Geigen ist, die über Hofnarren und Galgen singt. Hört euch das an,“ fordert Frontsänger Eric Fish. Kämpferisch kündigt die Band das neue Album an, bietet trotzig die Stirn und fordert regelrecht zum Zuhören auf. Und in der Tat muss man sich seine Meinung neu bilden, für sich selbst die Band neu definieren. „Engelskrieger“ zeigt Subway to Sally von einer bislang völlig unbekannten, neuen Seite. Was einst die Neugier auf sich, aber auch Nachahmer aufs musikalische Schlachtfeld zog, vermisst man auf dem neuen Album fast völlig. Subway to Sally haben einen Einschnitt gemacht, der radikaler nicht sein konnte. Wer zu Beginn dachte, es sei ein Wagnis, Metal – Gitarren mit mittelalterlichen Instrumenten oder Rockmusik mit Minnegesang zu vermischen, für den wird es genauso tollkühn erscheinen, diese erfolgreiche Mixtur auf dem bisherigen Zenit der Karriere einfach einzustellen und neu zu überdenken. Es war innerhalb der Band das Gefühl entstanden, dass es an der Zeit war, etwas Neues zu schaffen, vor allem aber der Zeit und dem Zeitgeschehen Tribut zu zollen. „Es braucht für mich keine Flöte mehr, wenn ich über Missbrauch singe. Dudelsack hab ich 10 Jahre gespielt, dass langt,“entgegnet Eric. Erstmals begab man sich gemeinsam einige Tage in Klausur, und diskutierte wohin die Reise gehen könnte. Das war vor über einem Jahr kurz nach den Ereignissen in New York, die nicht ausschlaggebend für eine Neuorientierung waren, aber die Band in ihrem Umdenken bestätigte. So begann die Arbeit zu diesem Album eher theoretisch. Konzeptionell wurden sich Ziele gesetzt, Neuerungen eingeklagt und Selbstkritik geübt. Die Band war sich einig, dass nicht nur musikalische Änderungen an der Zeit waren, sondern auch die Position, die man als Band in der Öffentlichkeit besitzt, genutzt werden muss. „Rockmusik muss kontrovers, provokativ und gefährlich sein. Sie muss in unseren Augen kommentieren, anklagen und mit dem Finger auf Missstände zeigen. Infolgedessen mussten auch Inhalte und die Richtung des Albums stärker im Hier und Jetzt verankert sein,“ erklärt Eric. Mit Computern und Gitarren beladen wurde in einem alten Gasthof Einzug gehalten, um Songideen festzuhalten, neue Wege zu gehen und sich neu zu ordnen. Mit Ralf Quick, der u.a. die H-Blockx produzierte, fand man einen Produzenten, der fern ab von dem bisherigen musikalischen Kosmos der Band agierte und mittelaterliches Inventar nur aus dem Museum kannte. Wer das Album heute hört versteht die Wahl. In der Abgeschiedenheit Dänemarks wurde letzlich über zwei Monate hinweg tagtäglich in zwei Studios parallel produziert. „Mutig überhörten wir Einwände der Folk-Traditionalisten und haben wir Neues ausprobiert. Reduktion auf das Nötigste, Inhalte transportieren, das Songwriting stärken, den Sound bearbeiten, keine Kompromisse dafür aber volles Risiko eingehen. Ich denk es hat sich gelohnt. Engelskrieger ist ein hochmodernes Rock-Album geworden, dass das bisherige Qualitätslevel von uns mühelos halten kann,“ ist Eric Fish überzeugt. Ebenso auffällig wie der musikalische Einschnitt ist die textliche Neuorientierung. Es geht mehr den je, um das Heute, erzählt in der gewohnt poetisch-lyrischen Sprache. Der Federgriffel scheint endgültig dem Laptop gewichen. Inspirationen für diese Texte sind die täglichen, kaum noch wahrgenommenen Nachrichten um uns rum. „Die Nachrichten im Feuilleton, schnell verdrängt und ignoriert, bekommen plötzlich eine ergreifende Tiefe und Bedrohlichkeit. Selbstmord, Kindesmisshandlung, Verzweiflungstaten, Mord, Krankheiten oder religiöser Wahnsinn. Der Alltag wird auf erschreckende Weise ins Gedächtnis gerufen,“ meint Fish. Doch nicht genug, die Texte stehen nicht für sich allein, sondern das gesamte Album ist eine Einheit, eine Geschichte und folgt einem komplexen Spannungsbogen. So steht der Albumtitel für diese Stimmung: „Engelskrieger“ ein Heer von Kriegern, die Beschützer der Engel im Kampf gegen das Böse und mit dem Mut, den Verzweifelten eine Stimme zu leihen. Und diese Stimme ergreifen Subway to Sally und klagen an, provozieren, fordern heraus mit nichts anderem, als dem alltäglichen Wahnsinn. „Der Geist des Kriegers“ ist nicht nur musikalisch ein feister Start, sondern gibt auch inhaltlich die Richtung vor. Kräfte, positiv oder negativ, die unerkannt schlummerten und nicht geweckt wurden, doch nun scheinbar um uns herum aufbrechen. Es wird uns selbst ein Spiegel vorgehalten und die bedrohliche Aufbruchsstimmung gezeigt, die in all diesen Handlungen hervorbricht. „Der Geist des Krieges ist erwacht. Ich hab die Macht!“ „Der falsche Heiland“ könnte man als Kampfansage betrachten, gegen Fanatiker, die die Schrift falsch auslegen oder ihre Taten mit ihr rechtfertigen. „Es gibt nur noch Rache für deinen Betrug! Es gibt kein Erbarmen! Genug ist Genug! Du bist der falsche Heiland!“ „Der Track ist natürlich auf dieses Problem Bush – Hussein gemünzt, dass stimmt aber nicht darin festgelegt. Ich bin der Meinung, macht die Augen weit auf und hingeschaut was in der Welt passiert!,“ fordert Eric Fish. „Unsterblich“ erzählt von einem Täter, dessen Motiv es ist, durch Weitergabe seines Blutes und damit seiner Krankheit Unsterblichkeit zu erlangen. „Ich habe ein Geschenk für dich, es ist das beste was ich hab! Ich will das etwas von mir bleibt! Drum will ich es dir geben, in diesem Leben!“ Durch den Werbespot einer Anti-Aidskampagne inspiriert, wird eine neue, ichbezogene Gewalt gegen andere angeklagt. Eine moderne, reale Art des Vampirismus könnte man sagen. „Kleine Schwester“ und „Abendlied“ haben Briefe von Betroffenen als Grundlage. Gewalt gegen Kinder, wird hier auf subversiv – bedrohliche Art musikalisch wie ein Kinderlied aus der Sicht des Opfers erzählt. „Seine Hand die große schwere, grabscht die Deine dir entzwei. Und sein Mund der große Dunkle summt ein schönes Lied dabei...“ „Narben“ und das „Knochenschiff“ bekamen ihre Inspiration durch den Brief einer Frau, die sich selbst verstümmelte, bewusst sich Narben und Schmerzen zufügte. Diese gegen sich selbst gerichtete Gewalt und Lebensmüdigkeit scheint auf subtile Art um sich zu greifen. „...und ich hör den Körper singen, wenn der Schmerz die Last mir nimmt...“ Etwas allgemeiner findet sich diese Inspiration auch in „Knochenschiff“ auf beklemmende Art und Weise wieder. „Im letzten Gitter unter Deck schlägt dein Herz mit einem Leck. Wohin soll den die Reise gehen? Auf’s nächste Riff!“ „2000 Meilen unterm Meer“ ist geschrieben als fieberhafter Todeswunsch eines Kranken, der von Visionen geprägt, auf die Hilfe anderer angewiesen ist, um zu sterben, um den Meeresgrund und seinen Seelenfrieden zu erreichen. „Ich ertrinke! Ich versinke! Ich will keine Schmerzen mehr! Ich will dort sein, wo es still ist! 2000 Meilen unterm Meer...“ „Wolfstraum“ erzählt von der Wandlung zum Wolf und der damit verbundenen Weckung des Tieres im Menschen. Mit blutigen Klauen auf Beutezug, vergessend was man vorher war – übermannt. „Wovon die Wölfe träumen werd ich heut Nacht erfahren. Werd zwischen ihren Leibern vergessen wer ich war!“ Ist das aber vielleicht die einzige Chance vor der grausamen Wirklichkeit zu fliehen – die Wandlung? „Verloren“ erzählt von einer Liebesbeziehung der er verfallen ist – verloren in ihr. Er vertraut ihr sogar soweit, dass er willens ist von ihr den Schierlingsbecher zu empfangen... „Ich bin verloren! Ich bin verloren an dich. Für diese Welt verloren!“ „Abendland“ ist die Anfrage an Gott selbst, ob er noch über uns wacht, oder sich von seiner verdorbenen Schöpfung verabschiedet hat und sie nun ihrem Schicksal überläßt. „Vater unser, dort im Himmel! Wie lang glaubst du hast du Zeit,“ ist die abschließende Frage die Frontsänger Eric Fish stellt. „Der Bezug zur Realität ist in allen Texten offensichtlich. Die Themen früherer Alben, sind gewichen und alles erscheint direkter und realer,“ findet Eric Fish. Fast wünscht man sich bei so viel Gegenwart zurück, in alte historische Subway to Sally Erzählungen über Pest und Henker, Scheiterhaufen, Galgen und Hexen. Möchte man vor den schonungslosen Bildern flüchten, zurück in eine scheinbar bessere Vergangenheit. „Engelskrieger“ ist trotz der zeitlosen Art mit Sprache umzugehen ein Album, das beängstigend die Gegenwart beschreibt und kommentiert. Das härter und direkter, vor allem aber zeitgemäßer ist als Subway to Sally jemals waren. Es handelt von der Zerbrechlichkeit des Mensch – Seins, von den Verirrungen und Abgründen des Lebens und ist gleichzeitig Aufruf zur Wehr. Man wird jedoch nun Schwierigkeiten haben, das bisherige Bild der Band zu übernehmen. Sie sind brachialer und kompromissloser geworden, und das hört man! „Engelskrieger“ ist ein Metal - Album geworden, voller Bombast und Gewalt. Treibend, groovend, tanzbar. Sie sind unverkennbar sie selbst geblieben, doch haben sich gleichzeitig neu erfunden, kämpferischer und moderner denn je. Es scheint also, dass die Reise mit den Subway’s weiter geht, jeder Stillstand und jedes Klischee umschifft wird und man sich auf neue musikalische Werte besinnt. Wer nach sieben Alben mit solch einem Werk aufwartet, der zeigt Größe und Potenzial, das nur wenige Bands besitzen! Maximilian Nitzschke
Posted on: Wed, 14 Aug 2013 13:11:57 +0000

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